Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine notwendige Beiladung bei Veräußerung wesentlicher Beteiligungen; Anforderungen an die Darlegung der Revisionszulassungsgründe
Leitsatz (NV)
- Besteht Streit darüber, ob die Übertragung einer wesentlichen Beteiligung in vollem Umfang als entgeltliches Rechtsgeschäft zu qualifizieren ist, so ist zum finanzgerichtlichen Rechtsstreit des Veräußerers der Erwerber nicht gem. § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO notwendig beizuladen.
- Zu den Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gem. § 115 Abs. 2 FGO.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 3 S. 1, § 115 Abs. 2
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist nicht begründet.
1. Zu Unrecht rügen die verheirateten Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), das Urteil des Finanzgerichts (FG) beruhe auf einem Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―), da der Vater des Klägers habe beigeladen werden müssen (vgl. hierzu allgemein Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rz. 26).
Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, zum finanzgerichtlichen Verfahren notwendig beizuladen. Dies erfordert, daß die Entscheidung des FG notwendigerweise und unmittelbar Rechte und Rechtsbeziehungen des Dritten gestaltet (Senatsbeschluß vom 24. Mai 1995 VIII B 153/94, BFH/NV 1995, 1078). Entgegen der Ansicht der Kläger kann hiervon im anhängigen Verfahren nicht deshalb ausgegangen werden, weil zwischen den Beteiligten umstritten ist, ob die Anteilsübertragung in vollem Umfang als entgeltliches Rechtsgeschäft oder anteilig auch als unentgeltliches Rechtsgeschäft zu qualifizieren ist. Zwar hat der IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Urteil vom 10. November 1988 IV R 70/86 (BFH/NV 1990, 31) entschieden, daß im Falle des Streits über die Höhe des Veräußerungsgewinns des aus einer Mitunternehmerschaft ausscheidenden Gesellschafters der den Anteil übernehmende Gesellschafter notwendig beizuladen sei. Tragend für diese Beurteilung war jedoch nicht nur der Umstand, daß eine Erhöhung des Veräußerungspreises den Ansatz erhöhter Anschaffungskosten zur Folge hat; bestimmend hierfür war vielmehr die Erwägung, daß die ggf. in einer Ergänzungsbilanz zu erfassenden Anschaffungskosten des Erwerbers zugleich auch seinen Anteil am Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft beeinflussen können und dieser gleichfalls Gegenstand der einheitlichen und gesonderten Feststellung gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) ist (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 3. März 1998 VIII R 66/96, BFHE 185, 422, BStBl II 1998, 383). Hiermit ist der Streitfall bereits deshalb nicht vergleichbar, weil die Auswirkungen der ertragsteuerrechtlichen Qualifikation der Anteilsübertragung auf die Besteuerung des Erwerbers (hier: Vater) nicht in einem auch gegenüber dem Veräußerer der wesentlichen Beteiligung (hier: Sohn) zu erlassenden, sondern in einem selbständigen Einkommensteuerbescheid zu beurteilen wären. Demgemäß kann auch die vom FG entschiedene Frage der Rechtmäßigkeit des gegenüber den Klägern ergangenen Einkommensteuerbescheids nicht im vorbezeichneten Sinne in die Rechte des Erwerbers unmittelbar gestaltend eingreifen; vielmehr ist gegenüber dem Erwerber ―sollte er zu einem späteren Zeitpunkt den Besteuerungstatbestand des § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verwirklichen― eine eigenständige, durch den anhängigen Rechtsstreit nicht präjudizierte Entscheidung darüber zu treffen, in welchem Umfang ihm durch den Erwerb der Anteile von seinem Sohn Anschaffungskosten entstanden sind. Hiervon ist auch der IV. Senat in seinem Urteil vom 17. Juli 1980 IV R 15/76 (BFHE 131, 329, BStBl II 1981, 11 ―betr. Anteilsübertragung des Klägers auf seine Kinder―) ausgegangen (zum Verhältnis zur Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 s. BFH-Beschluß vom 12. Oktober 1993 IV B 123/91, BFH/NV 1994, 681).
2. Die weiteren, von den Klägern geltend gemachten Verfahrensrügen genügen nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO.
a) Der Vortrag, das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen und damit seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO; vgl. hierzu Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 26 und § 120 Rz. 41), weil die Vorinstanz einen Sachverhalt, den die Kläger nicht vortragen hätten, als nicht gegeben erachtete, ist unschlüssig. Dabei kann ―die Richtigkeit dieses Vortrags unterstellt― dahinstehen, ob hierin überhaupt ein Verfahrensmangel gesehen werden könnte; selbst wenn man hiervon ausgeht, ist die Rüge jedenfalls deshalb nicht schlüssig, weil sie in keiner Weise zu erkennen gibt, inwiefern ein solcher Verfahrensmangel für das finanzgerichtliche Urteil ursächlich war (Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 41).
b) Die Ausführungen der Beschwerdeschrift, das FG habe gegen seine von Amts wegen bestehende Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) verstoßen, weil es ―entgegen der Ansicht der Kläger― angenommen habe, daß der Kläger im Falle der Veräußerung der Anteilsrechte an einen Dritten einen höheren Kaufpreis als bei der im Streitfall zu beurteilenden (Rück-)Übertragung der Beteiligung an seinen Vater erzielt hätte, entspricht ebenfalls nicht den Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Letzteres bereits deshalb nicht, weil die Kläger weder darlegen, welche (konkreten) Beweise die Vorinstanz hätte erheben müssen, noch, aus welchen Gründen sich dem FG eine weitere Sachverhaltsaufklärung oder Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen (zu den weiteren Erfordernissen vgl. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 40 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BFH).
3. Die Bezeichnung einer Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO setzt die Darlegung voraus, daß das FG seinem Urteil einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von einem gleichfalls abstrakten Rechtssatz in einer näher bezeichneten Entscheidung des BFH abweicht. Dabei muß nicht nur kenntlich gemacht werden, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Abweichung vorliegt (BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479); nach der Rechtsprechung ist es vielmehr auch geboten, die Entscheidungserheblichkeit der Abweichung darzulegen (BFH-Beschluß vom 27. Juli 1993 VII B 214/92, BFH/NV 1994, 559). Diesen Erfordernissen entspricht die Beschwerdeschrift nicht. Dabei ist bereits fraglich, ob mit dem Hinweis auf die Aussage in Abschn. II. 1. der Gründe des Senatsurteils vom 7. März 1995 VIII R 29/93 (BFHE 178, 116, BStBl II 1995, 693) ―"maßgeblich ist insoweit das zivilrechtliche Rechtsgeschäft"― ein allgemeiner Rechtssatz bezeichnet worden ist. Selbst wenn man dies bejahte, würde sich ein solcher rechtlicher Obersatz erkennbar nur auf die folgenden Ausführungen und somit auf die Frage beziehen, welchen Geschäftsanteil der Kläger des damaligen Verfahrens veräußerte. Schlußfolgerungen für die im anhängigen Rechtsstreit umstrittene Frage ―ob der Kläger seinen Anteil an der GmbH teilweise unentgeltlich übertrug― können hieraus erkennbar nicht abgeleitet werden. Soweit die Kläger ihren Vortrag mit Schriftsatz vom 5. Januar 1999 dahin ergänzten, daß das genannte Senatsurteil (BFHE 178, 116, BStBl II 1995, 693) unter Abschn. II. 2. b) der Gründe auch rechtliche Ausführungen zur Abgrenzung von in vollem Umfang entgeltlichen sowie teilentgeltlichen Rechtsgeschäften enthalte, ist das Vorbringen verspätet (vgl. § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) und kann daher nicht mehr berücksichtigt werden (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 55). Demgemäß bedarf es auch keiner Stellungnahme des Senats dazu, ob ―ausgehend von der tatsächlichen Würdigung des FG, nach der familiäre Gründe für die Bestimmung des Entgelts maßgeblich gewesen seien― der weitergehenden Aussage der Vorinstanz, die Annahme eines unentgeltlichen Rechtsgeschäfts setze keine "Schenkungsabsicht" voraus, entscheidungserhebliche Bedeutung zuzumessen ist.
4. Schließlich können auch die Darlegungen der Kläger zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Insbesondere kann der Beschwerdeschrift nicht entnommen werden, aus welchen Gründen eine Entscheidung des erkennenden Senats zu einem Sachverhalt, der durch die Rückübertragung einer wesentlichen Beteiligung aufgrund familiären Streits gekennzeichnet ist, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommen soll (vgl. auch hierzu Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 61).
Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 171121 |
BFH/NV 1999, 1232 |