Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Darlegungserfordernisse bei Steuerhinterziehung
Leitsatz (NV)
Hat das FG eine Steuerhinterziehung verneint und rügt das FA mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde eine Verletzung der Aufklärungspflicht zum objektiven Tatbestand des § 370 AO reicht dies zur Darlegung eines Verfahrensmangels nicht aus, wenn zum subjektiven Tatbestand nur eine Beweiswürdigungsrüge erhoben wird und sich das Urteil nicht als objektiv willkürlich darstellt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die geltend gemachten Verfahrensmängel sind nicht schlüssig dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Soweit sich der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) mit seiner Beschwerde dagegen wendet, dass die tatsächlichen Feststellungen die daraus gezogenen rechtlichen Folgerungen nicht deckten, macht er einen materiell-rechtlichen Mangel des Urteils geltend (vgl. u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. April 1999 III R 21/96, BFHE 189, 255, BStBl II 1999, 670), der einer Prüfung im vorliegenden Verfahren entzogen ist. Dasselbe gilt für die Rüge, das Finanzgericht (FG) habe den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt und --letztlich-- die Beweislast verkannt (vgl. dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 82, 83, m.w.N.).
Soweit das FA rügt, das FG habe seine Aufklärungspflicht verletzt (§ 76 FGO) und seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), kann offen bleiben, ob insoweit Verfahrensmängel vorliegen. Diese Mängel könnten sich nach den Ausführungen in der Beschwerdeschrift nur auf den vom FG abgelehnten Zufluss der Erträge aus Kapitalvermögen durch Novation der stehen gelassenen Renditen beziehen. Insoweit war aber nicht nur der objektive, sondern auch der subjektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung zu prüfen. Diesen Tatbestand hat das FG mit der Begründung verneint, dass es sich bei der Novation um ein so spezielles und in den Streitjahren noch ungeklärtes steuerjuristisches Konstrukt handele, dass nicht davon ausgegangen werden könne, der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) habe sich die dadurch eingetretene Steuerpflicht vorstellen und deren Verletzung billigend in Kauf nehmen können. Von diesem materiell-rechtlichen Standpunkt des Gerichts, mag er richtig oder falsch sein, hätte die Beschwerde ausgehen müssen (vgl. u.a. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 96, m.w.N.). Fehlt es aber am subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung, dann wirkten sich Fehler des FG bei der Feststellung des objektiven Tatbestandes auf das Ergebnis des Urteils nicht aus.
Der Senat kann auch offen lassen, ob die Rechtsauffassung des FG zutreffend ist. Eine bloß fehlerhafte Rechtsanwendung in einem Einzelfall rechtfertigt die Zulassung der Revision auch nach der Neufassung des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) in der Regel nicht. Soweit ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn offenkundig ist, dass sich die angefochtene Entscheidung als objektiv willkürlich darstellt und unter keinen Umständen als vertretbar erscheint (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25), sind diese Voraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt.
Das FA hat auch die Voraussetzungen einer Überraschungsentscheidung nicht schlüssig dargelegt. Es konnte sich insbesondere nicht darauf verlassen, dass das FG an seiner, in den Aussetzungsbeschlüssen --noch in der Annahme, es lägen Einkünfte aus Spekulationsgeschäften vor-- vertretenen Auffassung zur Steuerhinterziehungsabsicht auch im Klageverfahren festhalten werde; dies schon deshalb nicht, weil die Frage, ob der Kläger die Steuerverkürzung billigend in Kauf genommen hat, nach dem Inhalt der Sitzungsniederschrift Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung war und dem FG die Gesichtspunkte bekannt waren, die das FA bei einem Hinweis des Gerichts auf seine geänderte Rechtsauffassung (nochmals) hätte vortragen wollen. Diese Gesichtspunkte hätten deshalb am Ergebnis der Entscheidung nichts geändert.
Fundstellen
Haufe-Index 1439789 |
BFH/NV 2005, 2235 |