Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Unbegründete Divergenzrüge
Leitsatz (NV)
- Rügt der Beschwerdeführer eine Divergenz, so muss er einen abstrakten Rechtssatz der FG-Entscheidung einem ebenfalls abstrakten Rechtssatz der behaupteten Divergenzentscheidung so gegenüberstellen, dass eine Abweichung erkennbar wird.
- Einen tragenden Rechtssatz hinsichtlich einer möglichen Berichtigungslage i.S. des § 17 Abs. 1 i.V. mit § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG hat das FG gerade nicht aufgestellt, wenn es -in möglicherweise unrichtiger Würdigung des Sachverhaltes‐ diese nachträgliche Berichtigung überhaupt nicht in seine Entscheidung einbezogen hat.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2; UStG § 17
Tatbestand
I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Rückforderungsbescheides, mit dem der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt ―FA―) die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) zur Rückzahlung einer an sie aufgrund der Abtretung durch die Firma D-GmbH (Zedentin) geleisteten Vorsteuererstattung aufgefordert hat.
Die Klägerin hatte sich durch Generalunternehmervertrag gegenüber der Zedentin zur Errichtung eines …werkes verpflichtet und ihr diesbezüglich im Februar 1994 einige Rechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer erteilt. Die Zedentin meldete diese Beträge in der Umsatzsteuervoranmeldung für Februar 1994 als Vorsteuer an. Das FA setzte daraufhin die Umsatzsteuervorauszahlungen für Februar 1994 mit Bescheid vom 30. September 1994 erklärungsgemäß auf -837 … DM fest und erstattete hiervon aufgrund einer Abtretungsanzeige 829 … DM an die Klägerin (Zessionarin).
Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung erließ das FA im Juli 1995 einen geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Februar 1994 gegenüber der Zedentin, weil es zu der Auffassung gelangt war, diese sei bezüglich der Errichtung des …werkes nicht Unternehmerin, so dass der Vorsteuerabzug zu versagen sei. Diese Auffassung legte das FA auch dem Umsatzsteuerjahresbescheid für 1994 vom 26. April 1996 zugrunde. Nach erfolglosem Einspruch der Zedentin gegen den Umsatzsteuerjahresbescheid 1994 hat das FA mit Bescheid vom 2. Februar 1999 die Klägerin (Zessionarin) auf Rückzahlung von 829 … DM zu Unrecht erstatteter Vorsteuer für Februar 1994 in Anspruch genommen. Die nach erfolglosem Einspruch der Klägerin erhobene Klage führte zur Aufhebung des Rückforderungsbescheides. Hierzu hat das Finanzgericht (FG) ausgeführt, zwar sei der Rechtsgrund für die Erstattung, nämlich die ursprüngliche Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für Februar 1994 gegenüber der Zedentin durch den geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für diesen Zeitraum vom 10. Juli 1995 entfallen, dieser sei jedoch letztlich durch den während des Klageverfahrens ergangenen und bestandskräftig gewordenen Jahressteuerbescheid über die Umsatzsteuer 1994 vom 31. Januar 2001, mit dem die umstrittene Unternehmereigenschaft für die der Vorsteuererstattung zugrunde liegenden Umsätze gegenüber der Zedentin anerkannt worden sei, wieder aufgelebt. In diesem Falle bleibe der Regelungsgehalt des Vorauszahlungsbescheides, auf dessen Grundlage die Vorsteuerüberschüsse an die Klägerin ausbezahlt worden seien, durch die zwischenzeitlich ergangenen Bescheide unberührt.
Gegenüber dieser formellen Bescheidlage könne das FA im gerichtlichen Anfechtungsverfahren gegen den Rückforderungsbescheid nicht mehr geltend machen, der gegenüber der Zedentin ergangene Jahressteuerbescheid 1994 sei inhaltlich falsch; denn darauf, ob die Zedentin Unternehmerin war und ob der erstatteten Vorsteuer tatsächlich ein Leistungsaustausch zugrunde gelegen hat, komme es in diesem Verfahren nicht an.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, die das FA auf die Abweichung der angefochtenen Entscheidung des FG vom Urteil des Senats vom 9. April 2002 VII R 108/00 (BFHE 198, 294, BStBl II 2002, 562) stützt (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―), hat keinen Erfolg, weil die behauptete Divergenz nicht vorliegt.
Da FA trägt vor, das FG habe den abstrakten Rechtssatz aufgestellt: "Ein Rückforderungsbescheid (§ 37 Abs. 2 der Abgabenordnung 1977 ―AO 1977―) gegen die Klägerin (Zessionarin) könne wegen der späteren Berichtigung der Bemessungsgrundlage eines abgetretenen Vorsteuererstattungsanspruchs infolge der Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) aufgehoben werden, wenn eine bestandskräftige Umsatzsteuerjahresfestsetzung vorliegt, die den formellen Behaltensgrund für den Erstattungsanspruch darstellt."
Dieser Rechtssatz stünde in Widerspruch zu folgendem entscheidungserheblichen Rechtssatz der Senatsentscheidung in BFHE 198, 294, BStBl II 2002, 562: "Mit der Berichtigung der Bemessungsgrundlage für den abgetretenen Vorsteuerabzug der Zedentin nach § 17 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG ist der materielle Rechtsgrund für die Auszahlung weggefallen. Der den Vorsteueranspruch nach § 17 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG berichtigende Bescheid ist mit seiner Bekanntgabe auch formeller Rechtsgrund für den Rückforderungsanspruch der Beschwerdeführerin gegen den Zessionar geworden, da mit dessen Ergehen der ursprüngliche Vorauszahlungsbescheid seine Erledigung auf andere Weise i.S. des § 124 Abs. 2 AO 1977 gefunden und seine Wirksamkeit als Behaltensgrund für die ausgezahlte Steuervergütung verloren hat."
Entgegen der Auffassung des FA hat das FG den mit der Entscheidung des Senats in BFHE 198, 294, BStBl II 2002, 562 nicht zu vereinbarenden Rechtssatz jedoch nicht aufgestellt.
Das FG hat lediglich in der Sachverhaltsschilderung des angefochtenen Urteils ausgeführt: "Während des Klageverfahrens wandte die Zedentin sich erneut zwecks Anerkennung ihrer Unternehmereigenschaft an den Beklagten und reichte am 31. Juli 2000 berichtigte Umsatzsteuererklärungen für 1994 und 1996 sowie berichtigte Umsatzsteuervoranmeldungen für Dezember 1996 mit den dazugehörenden wegen Uneinbringlichkeit der Forderungen berichtigten Rechnungen der Klägerin aus Februar 1994 ein. Daraufhin erließ der Beklagte am 31. Januar 2001 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Kalenderjahr 1994 und setzte ―unter Anerkennung der Unternehmereigenschaft der Zedentin bezüglich der Errichtung und des Betriebs des …werkes― die Umsatzsteuer 1994 … auf -1 000 … DM fest." Weitere Feststellungen zu diesem Tatbestand enthält das FG-Urteil nicht.
In den Entscheidungsgründen geht das FG weder auf die Möglichkeit einer Berichtigung der Umsatzsteuer nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 UStG für Dezember 1996 noch darauf ein, dass das FA eine entsprechende Berichtigung des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheides für Dezember 1996 vorgenommen hat, sondern stützt die Entscheidung mit seinem tragenden Rechtssatz allein darauf, dass der bestandskräftig gewordene geänderte Umsatzsteuerjahresbescheid für 1994 vom 31. Januar 2001 als formeller Rechtsgrund für die Erstattung anzusehen sei, weil sich aus ihm ergebe, dass die Umsatzsteuervoranmeldung für Februar 1994, die die Grundlage für die Erstattung an die Zessionarin war, materiell-rechtlich nicht fehlerhaft gewesen ist. Der zwischenzeitlich aufgrund der Änderung des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheides für Februar 1994 am 10. Juli 1995 und des Erlasses des Umsatzsteuerjahresbescheides für 1994 im Jahre 1996 entfallene Rechtsgrund für die Erstattung sei durch die unanfechtbar festgesetzte Jahresumsatzsteuer 1994 in dem Bescheid vom 31. Januar 2001 wieder wirksam geworden.
Einen tragenden Rechtssatz zu einer möglichen Berichtigungslage i.S. des § 17 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 UStG hinsichtlich der sich im Dezember 1996 angeblich als uneinbringlich erwiesenen Forderung hat das FG damit gerade nicht aufgestellt, sondern vielmehr diese nachträgliche Berichtigung ―wenn auch möglicherweise zu Unrecht― nicht in seine Entscheidung einbezogen. Eine Abweichung der FG-Entscheidung zu der Senatsentscheidung in BFHE 198, 294, BStBl II 2002, 562 liegt darin nicht. Ob die Rechtsauffassung des FG materiell-rechtlich zutreffend ist, ist nicht Gegenstand der hier zu beurteilenden Divergenzbeschwerde.
Fundstellen