Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Umdeutung einer Beschwerde in eine Anhörungsrüge

 

Leitsatz (NV)

  1. Ein ausdrücklich als Beschwerde nach § 128 FGO bezeichnetes Rechtsmittel, das in seiner Begründung die Rüge einer Gehörsverletzung auch nicht ansatzweise erkennen lässt, kann nicht in eine Anhörungsrüge nach § 133a FGO umgedeutet werden.
  2. Auch eine Anfechtung oder ein Widerruf der Prozesshandlung kommt nicht in Betracht.
 

Normenkette

FGO §§ 128, 133a

 

Tatbestand

I. Nachdem die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit wegen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, hat das Finanzgericht (FG) den Antragstellern und Beschwerdeführern (Antragsteller) die Kosten auferlegt. Gegen diese Entscheidung haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 8. Februar 2006 einen ausdrücklich als Beschwerde bezeichneten Rechtsbehelf eingelegt. In der Begründung führen sie aus, dass die Beschwerde gemäß § 128 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig sei, denn es handle sich nicht um eine Streitigkeit über Kosten, sondern um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das FG habe verkannt, dass sie, die Antragsteller, davon hätten ausgehen müssen, dass die Einleitung der Vollstreckung unmittelbar bevorstehe bzw. bereits eingeleitet worden sei. Da ihrem Begehren nachträglich durch Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes entsprochen worden sei, treffe die Verpflichtung zur Tragung der Verfahrenskosten den Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―).

Auf den Hinweis des Senats auf den vor dem Bundesfinanzhof (BFH) bestehenden Vertretungszwang haben die Antragsteller beantragt, die Beschwerde als außerordentliche Beschwerde gemäß § 133a FGO anzusehen. Nachdem der Senat den Antragstellern daraufhin mitgeteilt hatte, dass sie beim BFH Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss des FG und keine Anhörungsrüge eingelegt hätten und dass eine Anhörungsrüge nach § 133a FGO im Übrigen bei dem Gericht zu erheben sei, dessen Entscheidung angegriffen werde, haben die Antragsteller mit Schreiben vom 13. März 2006 an der Deutung ihres Rechtsbegehrens als Anhörungsrüge festgehalten und diese zugleich zurückgenommen.

 

Entscheidungsgründe

II. Der beschließende Senat geht davon aus, dass die Antragsteller mit ihrem Schriftsatz vom 8. Februar 2006 eine Beschwerde gegen den Beschluss des FG eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 13. März 2006 wirksam zurückgenommen haben.

1. Prozesshandlungen sind wie sonstige Willenserklärungen der Auslegung zugänglich, wobei im finanzgerichtlichen Verfahren die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Anwendung finden. Maßgebend ist der an den einschlägigen Gesetzesvorschriften zu messende objektive Erklärungswert, d.h. der in der schriftlichen Erklärung verkörperte Wille, wie er sich aus der Sicht des Empfängers, d.h. des Gerichts, darstellt. Die Auslegung einer Prozesserklärung darf nicht zu einem Erklärungsinhalt führen, für den sich in der Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen (Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., Vor § 33 Rz. 14, m.w.N.). Erklärungsmängel sind unbeachtlich. Auch eine Anfechtung oder ein Widerruf von wirksamen Prozesshandlungen kommt nicht in Betracht (BFH-Entscheidung vom 8. August 1991 VI B 134/90, BFH/NV 1992, 49).

2. Unter Beachtung dieser Grundsätze kommt eine Auslegung des im Schriftsatz vom 8. Februar 2006 geltend gemachten Rechtsbegehrens als Anhörungsrüge gemäß § 133a FGO bzw. eine Umdeutung in eine solche nicht in Betracht. Das Rechtsmittel ist eindeutig als Beschwerde bezeichnet. Als Rechtsgrundlage wird zutreffend § 128 FGO angegeben. Darüber hinaus lässt die Begründung auch nicht ansatzweise erkennen, dass die Antragsteller im Kern ihres Vorbringens eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend machen, wie dies eine zulässige Anhörungsrüge erfordern würde. Deshalb konnte die Prozesshandlung der Antragsteller aus der Sicht des BFH nur als Beschwerde gedeutet werden.

Sollte in der Rücknahme des Rechtsmittels ein Widerruf der Willenserklärung gesehen werden können, wäre ein solcher unbeachtlich. An dem ursprünglichen Erklärungswert ihres Schriftsatzes vom 8. Februar 2006 müssen sich die Antragsteller festhalten lassen. Eine kostenfreie Rücknahme der im Übrigen unstatthaften Beschwerde war daher nicht mehr möglich. Da die Antragsteller in ihrem Schriftsatz vom 13. März 2006 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht haben, dass sie eine Entscheidung durch den BFH nicht mehr wünschen, deutet der Senat die auf die Anhörungsrüge bezogene Rücknahme des Rechtsbehelfs zugleich als Rücknahme der tatsächlich eingelegten Beschwerde.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1523538

BFH/NV 2006, 1501

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