Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die ordnungsgemäße Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde

 

Leitsatz (NV)

Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist jedenfalls dann nicht ordnungsgemäß begründet, wenn ein Prozeßvertreter i. S. von Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlG lediglich einen von einem nicht postulationsfähigen Beschwerdeführer persönlich verfaßten und unterzeichneten Schriftsatz zum Gegenstand seines Vorbringens erklärt, der Streitstoff jedoch von dem Prozeßvertreter selbst ersichtlich nicht überprüft worden ist.

 

Normenkette

BFHEntlG Art. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben gegen die klagabweisenden Urteile des Finanzgerichts - FG - (Einkommensteuer 1977 und 1978) durch einen Prozeßvertreter i. S. von Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Zur Begründung dieser Beschwerden führen die Prozeßvertreter lediglich aus:

,,Auf besonderen Wunsch der Kläger, die langjährige Mandanten der Kanzlei sind, machen wir den als Anlage K 1 beigefügten Schriftsatz von Herrn X vom 29. April 1984 (26. April 1984) ausdrücklich zu unserem Sachvortrag und zum Inhalt der Beschwerdebegründung."

In den den Nichtzulassungsbeschwerden beiliegenden, von dem Kläger zu 1 persönlich unterzeichneten Schriftsätzen hat dieser jeweils dargelegt, er vertrete die Klagepartei nicht nur als Bevollmächtigter hinsichtlich seiner Kinder, sondern auch als Rechtsanwalt i. S. des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG. Er beruft sich insoweit auf den Antrag auf Zulassung als Rechtsanwalt an das . . . Ministerium der Justiz von 1979. Der Kläger zu 1 führt aus, er stütze die Nichtzulassungsbeschwerden auf Verfahrensmängel und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Entscheidender Verfahrensmangel sei, daß das FG das Verfahren durch Aufforderung vom 21. Juli 1983, durch Anordnungen vom 14. September 1983 und 8. November 1983, durch Anberaumung eines Verhandlungstermins vom 23. Januar 1984, durch Ablehnung des Vertagungsantrags vom 23. Februar 1984 sowie durch die Entscheidung der Sache durch Urteil am 24. Februar 1984 durchgepeitscht habe, ohne daß die Kläger bis dahin jemals in der Lage gewesen seien, ihre Sache vorzutragen. Daran seien die Kläger bis zur Gegenwart durch schwere Einwirkung öffentlicher Gewalt mit ständiger akuter Bedrohung von Gesundheit, Leben und wirtschaftlicher Existenz gehindert, und dies seit 1973. Das Verlangen des FG, die Kläger sollten durch ihre Mitwirkung den Fortgang des Verfahrens fördern, zum Verhandlungstermin erscheinen oder mindestens einen Dritten mit ihrer Vertretung beauftragen, verstoße gegen die verfassungsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten und gegen das Rechtsstaatsprinzip. Im übrigen schildert der Kläger zu 1 eingehend die schwierigen Verhältnisse seiner Familie. Worin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegen soll, wird nicht dargelegt. Die Kläger beantragen, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) tritt diesem Antrag entgegen.

Die Klägerin zu 4 hat mit Schreiben vom 15. Mai 1985 mitgeteilt, sie habe die am 13. August 1981 erteilte Vollmacht am 10. Januar 1982 mündlich und am 13. Januar 1982 schriftlich dem Kläger zu 1 gegenüber widerrufen. Außerdem habe sie beim Vormundschaftsgericht München einen Antrag auf Kraftloserklärung der Vollmachtsurkunde gestellt.

Der Kläger zu 1 wurde wiederholt, letztmals durch Verfügung des Vorsitzenden des erkennenden Senats vom 8. August 1985 gemäß Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) aufgefordert, die Prozeßvollmachten der Kläger zu 2 bis 5 vorzulegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerden sind unzulässig.

Nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG muß sich vor dem Bundesfinanzhof (BFH) jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen. Wird diesem Vertretungszwang nicht genügt, ist der Rechtsbehelf wegen Fehlens einer Prozeßhandlungsvoraussetzung unzulässig. Das ist hier der Fall.

1. Der Kläger zu 1 gehört nicht zum Kreis der nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG vertretungsbefugten Personen. Dabei ist entscheidend, daß der Kläger zu 1 nicht als Rechtsanwalt zugelassen ist. Unerheblich ist, ob der Kläger zu 1 die Voraussetzungen für eine Zulassung als Rechtsanwalt erfüllt. Unbeachtlich ist weiter, daß der Kläger zu 1 die Zulassung als Rechtsanwalt bereits im Jahre 1979 beantragt hat.

2. Dem Vertretungszwang ist nicht genügt, wenn eine Nichtzulassungsbeschwerde zwar von einer zum Kreis der Prozeßvertreter i. S. des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG gehörenden Person eingelegt worden ist, der Prozeßvertreter jedoch im übrigen lediglich den Schriftsatz einer vor dem BFH nicht postulationsfähigen Partei sich zu eigen und zum Inhalt der Beschwerdebegründung macht. Denn nach der Rechtsprechung des BFH ist es Sinn und Zweck des durch das BFHEntlG eingeführten Vertretungszwangs, den BFH dadurch zu entlasten, daß die Rechtsbehelfe nur noch von solchen Personen eingelegt und begründet werden dürfen, die durch ihre fachliche Vorbildung in der Lage sind, die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs zu beurteilen und das Verfahren vor dem BFH sachgerecht zu führen (Beschluß vom 14. Mai 1982 VI R 197/81, BFHE 136, 52, BStBl II 1982, 607). Demgemäß muß die von einem postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde erkennen lassen, daß er den Prozeßstoff überprüft hat und die volle Verantwortung für den Inhalt der Nichtzulassungsbeschwerde übernimmt. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist durch einen vom Beschwerdeführer persönlich verfaßten und unterzeichneten Schriftsatz, auch wenn er von dem Prozeßbevollmächtigten eingereicht und zum Gegenstand seines Vorbringens erklärt wird, jedenfalls dann nicht ordnungsgemäß begründet, wenn der Streitstoff von dem Prozeßbevollmächtigten selbst ersichtlich nicht überprüft worden ist (Beschluß des Bundessozialgerichts vom 15. April 1981 1 BA 23/81, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1982, 80; vgl. auch BFH-Beschluß vom 16. Oktober 1984 IX R 177/83, BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470, wo die Bezugnahme eines Prozeßbevollmächtigten i. S. des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG auf ein von einem nicht vor dem BFH postulationsfähigen Prof. Dr. jur. nicht als den gesetzlichen Erfordernissen einer Revisionsbegründung genügend angesehen wurde).

Eine Anwendung dieser Grundsätze ergibt, daß die hier anhängigen Nichtzulassungsbeschwerden nicht ordnungsgemäß begründet sind. Der Prozeßvertreter der Kläger selbst hat nicht dargetan, sich mit dem Prozeßstoff befaßt, ihn gesichtet, geprüft und rechtlich durchgearbeitet zu haben. Auch der Inhalt der Beschwerdebegründung spricht gegen eine solche Annahme. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wird in den Begründungen mit keinem Wort dargelegt. Auch das Vorliegen von Verfahrensmängeln ist nicht hinreichend substantiiert worden, obwohl der Vortrag in der Beschwerdebegründung recht umfänglich ist.

3. Die Nichtzulassungsbeschwerden der Kläger zu 2 bis 5 sind auch deshalb unzulässig, weil eine Prozeßvollmacht nicht vorgelegt worden ist.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 FGO.

Die an sich auf die Kläger zu 2 bis 5 entfallenden Kosten werden dem Kläger zu 1 auferlegt, da er den Anlaß zur erfolglosen Prozeßführung gegeben hat (BFH-Beschluß vom 10. November 1966 V R 46/66, BFHE 87, 1, BStBl III 1967, 5).

 

Fundstellen

Haufe-Index 414156

BFH/NV 1986, 230

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