Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Festsetzungsfrist: Bedeutung der Abgabe einer förmlichen Steuererklärung
Leitsatz (NV)
- Es ist höchstrichterlich geklärt, daß der Beginn der Festsetzungsfrist auch dann gehemmt ist, wenn zwar alle entscheidungserheblichen Tatsachen ‐ hier: Grundstücksgeschäfte, die einen gewerblichen Grundstückshandel begründen ‐ aktenkundig sind, der Steuerpflichtige indes keine förmliche Steuererklärung abgegeben hat.
- Zur Rüge des Übergehens eines Beweisantrags.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 1; AO 1977 § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 150; GewStG § 14a; GewStDV § 25
Gründe
1. Mit Einwänden gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils kann der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Das Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dem Zweck einer allgemeinen Rechtskontrolle finanzgerichtlicher Urteile.
2. Der Kläger sieht sinngemäß die Rechtsfrage als grundsätzlich an, ob § 170 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) den Beginn der Verjährung hinsichtlich der Gewerbesteuer für das Streitjahr 1989 auch dann hemmt, wenn er zwar für diesen Veranlagungszeitraum keine Gewerbesteuererklärung abgegeben hat, indes alle entscheidungserheblichen Tatsachen ―hier: Grundstücksgeschäfte, die nach der vom Finanzgericht (FG) bestätigten Auffassung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) einen gewerblichen Grundstückshandel begründen― zu dem Zeitpunkt, als die Veranlagung zur Einkommensteuer für 1989 durchgeführt wurde, bereits aktenkundig waren und er bereits anderweitig erklärt hatte, er sei ausschließlich als Rechtsanwalt tätig. Auch bei Verwendung eines amtlichen Erklärungsvordrucks hätte er Gewerbeerträge in Höhe von 0 DM angegeben; der Umstand, daß er keinen Vordruck benutzt habe, sei für das Verfahren erkennbar nicht relevant gewesen. Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde, soweit sie auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützt ist, nicht zum Erfolg. Denn die vom Kläger formulierte Rechtsfrage ist höchstrichterlich geklärt, ohne daß die vom Kläger beanspruchte einzelfallbezogene Ausnahme möglich wäre.
Die Pflicht zur Abgabe einer Gewerbesteuererklärung ergibt sich aus § 14a des Gewerbesteuergesetzes i.V.m. § 25 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV). Für die Erklärung sind die amtlichen Vordrucke zu verwenden (§ 25 Abs. 2 Satz 2 GewStDV). Der Bundesfinanzhof (BFH) hat bereits in seinem Urteil vom 13. April 1972 V R 16/69 (BFHE 105, 416, BStBl II 1972, 725) entschieden, daß Anträge und Erklärungen, die nach einem amtlichen Muster abzugeben sind, in allen Einzelheiten dem amtlichen Muster entsprechen müssen, wenn amtliche Vordrucke nicht verwendet werden. Unter Bezugnahme hierauf hat der IV. Senat mit Urteil vom 15. Oktober 1998 IV R 18/98 (BFH/NV BFH/R 1999, 402) für die Anwendung des auch im Streitfall einschlägigen § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 entschieden, daß selbst vollständige Angaben zu Besteuerungsgrundlagen, die anderweitig ―z.B. in der Anlage zu einem Jahresabschluß― gemacht werden, nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung gleichzustellen sind, für die § 150 AO 1977 bestimmte formale Anforderungen stellt; dies insbesondere dann, wenn die im amtlichen Vordruck geforderte schriftliche Versicherung fehlt, daß die Angaben wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen gemacht wurden (§ 150 Abs. 2 AO 1977). Hiermit stimmt überein, daß nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 14. Januar 1998 X R 84/95 (BFHE 185, 111, BFH/NV BFH/R 1998, 1013) eine mangels Unterzeichnung nicht wirksame (Einkommen-) Steuererklärung die reguläre Festsetzungsfrist des § 170 Abs. 1 AO 1977 nicht in Gang setzt. Dies ist u.a. damit begründet worden, daß das Gesetz eine formalisierte Auskunft über den Besteuerungstatbestand und seine Bemessungsgrundlage vorschreibt und die Steuererklärung die rechtsförmlich gesicherte Grundlage für das Veranlagungsverfahren ist. Dieser Auslegung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 steht das zur Erbschaftsteuer ergangene Urteil des BFH vom 30. Oktober 1996 II R 70/94 (BFHE 181, 274, BStBl II 1997, 11) nicht entgegen, weil § 30 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes 1974 keine formalisierte Steuererklärung vorschrieb (vgl. BFH-Urteil vom 16. Oktober 1996 II R 43/96, BFHE 181, 351, BStBl II 1997, 73). Unerheblich ist, ob der Kläger annahm oder annehmen durfte, zur Abgabe einer Steuererklärung nicht verpflichtet zu sein (BFH-Urteil vom 24. August 1995 IV R 112/94, BFH/NV 1996, 449).
3. Das Übergehen eines ―entscheidungserheblichen― Beweisantrages kann einen Verfahrensmangel darstellen. Für eine hierauf gestützte Nichtzulassungsbeschwerde ist erforderlich, daß der Verfahrensmangel "bezeichnet" wird (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Der Kläger muß u.a. darlegen, welches Sachvorbringen unberücksichtigt geblieben sein soll und inwiefern die Berücksichtigung möglicherweise zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (z.B. BFH-Beschluß vom 13. November 1996 II B 36/96, BFH/NV 1997, 493, 494), ferner was das Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre (BFH-Urteil vom 26. Februar 1975 II R 120/73, BFHE 115, 185, BStBl II 1975, 489) und weshalb die Vorentscheidung auf dem Fehlen dieses Beweisergebnisses beruhen könne (BFH-Urteil vom 14. Januar 1981 I R 133/79, BFHE 132, 508, BStBl II 1981, 443; s. im einzelnen Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 120 Rz. 40). Wird ein Verstoß gegen die Beachtung von Verfahrensvorschriften gerügt, auf die gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung verzichtet werden kann, so setzt die zulässige Rüge des Verfahrensverstoßes die Darlegung in der Beschwerdeschrift voraus, daß der Kläger auf sein Rügerecht nicht verzichtet habe. Zu den verzichtbaren Mängeln gehört u.a. das Übergehen eines Beweisantrages (vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66; Beschluß vom 5. Juni 1991 II B 180/90, BFH/NV 1992, 397). Entsprechende Ausführungen fehlen im Beschwerdeschriftsatz. Auch läßt sich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30. September 1998 nicht entnehmen, daß der Kläger die unterlassene Zeugeneinvernahme gerügt hätte.
4. Eine Abweichung von Entscheidungen des BFH ist nicht ordnungsgemäß gerügt (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 3 FGO). Hierfür wäre erforderlich gewesen darzutun, daß das FG seinem Urteil einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit einer genau bezeichneten Entscheidung des Revisionsgerichts nicht übereinstimmt. In der Beschwerdebegründung müssen abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und der Divergenzentscheidung(en) des BFH so genau bezeichnet sein, daß eine Abweichung erkennbar wird (BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479; seither ständige Rechtsprechung). Der Kläger hat lediglich vorgetragen, das FG habe Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils vom 19. Februar 1997 XI R 1/96 (BFHE 182, 567, BStBl II 1997, 399) nicht angewendet; dies erfüllt nicht die vorstehenden Anforderungen an die Begründung einer Divergenzrüge (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 63).
5. Im übrigen ergeht der Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 302366 |
BFH/NV 1999, 1309 |