Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und Ermessen
Leitsatz (NV)
1. Einwände gegen die Beurteilung der Ermessensausübung des FA durch das FG betreffen die rechtliche Würdigung der Ermessensausübung und rechtfertigen damit die Zulassung der Revision nicht.
2. Das FA muss sich weder mit einer freiwillig nach § 95 AO angebotenen Versicherung an Eides statt noch mit den Angaben in einem Erlassantrag begnügen, statt nach § 284 AO vorzugehen.
Normenkette
AO §§ 95, 284; FGO § 115
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 21.11.2006; Aktenzeichen 15 K 20/05) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war seit 2003 mit der Zahlung von Abgaben in Rückstand. Nachdem mehrere Vollstreckungsmaßnahmen nicht zu einer Tilgung der Abgabenrückstände geführt hatten, ordnete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) gegenüber der Klägerin die Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung an. Einspruch und Klage dagegen, die die Klägerin unter anderem damit begründete, dass sie in einem Erlassverfahren eine Aufstellung über ihre Vermögensverhältnisse abgegeben habe, so dass es der Anordnung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht bedurft hätte, blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Voraussetzungen des § 284 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Abgabenordnung (AO) hätten vorgelegen und die Anordnungen seien auch ermessensgerecht. Angesichts der Höhe der Rückstände, der geringen Kooperationsbereitschaft der Vollstreckungsschuldnerin und der im Übrigen eindeutigen Rechtslage genügten die vom FA angeführten Entscheidungsgründe den Anforderungen zur Begründung einer Ermessensentscheidung. Das FA habe sich nicht auf die Erklärung der Klägerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die sie anlässlich ihres Erlassantrages eingereicht hatte, verweisen lassen müssen. Allerdings werde das FA nach Vorlage eines Vermögensverzeichnisses i.S. des § 284 Abs. 1 AO nochmals zu prüfen haben, ob nicht von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung abgesehen werden könne.
Mit ihrer Beschwerde rügt die Klägerin, das FG habe die Revision zu Unrecht nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und Rechtsfortbildung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassen; es habe zwar die maßgeblichen Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) zitiert, sei darauf aber überhaupt nicht eingegangen. Das FG habe falsch oder gar nicht gesehen, dass das FA eine Ermessensentscheidung habe treffen müssen. Es seien nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass überhaupt bzw. in welcher Weise Ermessen ausgeübt worden sei. Außerdem liege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) vor, weil das FG negiert habe, dass Ermessenserwägungen seitens des FA ersichtlich nicht angestellt worden seien; es habe nicht aufgeklärt, ob und zu welchem Zeitpunkt welche Ermessenserwägungen angestellt worden seien.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde der Klägerin ist --bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit-- jedenfalls unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 FGO liegen nicht vor.
1. Rechtsfragen, die der revisionsrechtlichen Klärung bedürfen, hat die Klägerin nicht vorgetragen, sie sind auch nicht ersichtlich. Das FG hat --wie die Klägerin selbst einräumt-- die ständige Rechtsprechung des Senats zu den rechtlichen Voraussetzungen der Anforderung eines Vermögensverzeichnisses und der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 284 AO zu Grunde gelegt (zum Beispiel die Entscheidung des Senats vom 14. Mai 2002 VII B 52/01, BFH/NV 2002, 1413). Anhaltspunkte dafür, dass es diese Rechtsprechung nur zitiert hat, gleichwohl aber von abweichenden Grundannahmen ausgegangen ist, sind der Beschwerde nicht zu entnehmen. Sie liegen auch nicht vor. Insbesondere setzt sich das FG ausdrücklich (auf S. 6 bis 8 des Urteils) mit der Ermessensentscheidung des FA auseinander.
2. Die Einwände der Klägerin gegen die Beurteilung der Ermessensausübung des FA durch das FG bezeichnen nicht eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz, sondern sie betreffen die rechtliche Würdigung der Ermessensausübung des FA. Dies vermag die Zulassung der Revision nach ständiger Rechtsprechung nicht zu rechtfertigen (BFH-Beschlüsse vom 14. Oktober 1992 III B 16/92, BFH/NV 1993, 546, und vom 19. September 1994 VIII B 110/93, BFH/NV 1995, 243). Die Beschwerde bietet auch keine Anhaltspunkte dafür, noch sind solche sonst ersichtlich, dass das Urteil des FG an einem schwerwiegenden Fehler leidet, der ausnahmsweise die Zulassung der Revision erfordert (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Oktober 2003 III B 15/03, BFH/NV 2004, 166; vom 28. Juni 2002 III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474).
Das FG hat die in der Einspruchsentscheidung dargelegten Ermessenserwägungen des FA zutreffend für sachgerecht und ausreichend erachtet, von der Klägerin die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu verlangen. Nach ständiger Rechtsprechung muss sich die Finanzbehörde nicht einmal mit einer freiwillig nach § 95 AO angebotenen Versicherung an Eides statt begnügen, statt nach § 284 AO vorzugehen (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2002, 1413). Umso weniger reichen die Angaben in einem Erlassantrag aus, um sicherzustellen, dass der Vollstreckungsschuldner sämtliche Vermögenswerte korrekt angegeben hat (Senatsbeschluss vom 9. August 2006 VII B 238/05, BFH/NV 2006, 2227). Im Übrigen entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass die mit der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis verbundenen beruflichen Konsequenzen des Entzuges einer Berufszulassung grundsätzlich nicht zu einer Ermessensbeschränkung führen, weil der Gesetzgeber die Gefährdung der wirtschaftlichen und sozialen Existenz bei Abfassung des § 284 Abs. 3 AO gekannt und bewusst in Kauf genommen hat (Senatsbeschluss vom 7. Juni 2006 VII B 273/05, BFH/NV 2006, 1787, m.w.N.).
3. Die behauptete Verletzung der Sachaufklärungspflicht sowie der Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes), die darin liegen soll, dass das FG nicht aufgeklärt habe, ob überhaupt und wenn ja welche Ermessenserwägungen angestellt worden seien, scheidet angesichts der vom FG vorgenommenen Würdigung der Ermessensausübung --die auch eine ausreichende Gehörsgewährung erkennen lässt-- von vornherein aus.
Fundstellen