Entscheidungsstichwort (Thema)

Kraftfahrzeugsteuerrechtliche Übergangsregelung in § 18 Abs. 3 KraftStG 1979

 

Leitsatz (NV)

§ 18 Abs. 3 KraftStG 1979 greift nur ein, wenn nach Inkrafttreten eines neuen Kraftfahrzeugsteuersatzes noch der alte Steuertarif bei der Festsetzung zugrunde gelegt worden ist. Eine allgemeine Festsetzungssperre enthält die Übergangsregelung nicht.

 

Normenkette

KraftStG 1979 § 18 Abs. 3 n. F, § 12 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war ab 26. Februar 1986 Halterin eines nicht schadstoffarmen Diesel-Wohnmobils, dessen Antriebsart vom beklagten und revisionsklagenden Finanzamt (FA), das die Kraftfahrzeugbesteuerung durchführte, versehentlich falsch vermerkt wurde ("Otto"). Nach Entdeckung des Fehlers berücksichtigte das FA die inzwischen erfolgte Kraftfahrzeugsteuererhöhung für das Halten von Dieselfahrzeugen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c, bb des Kraftfahrzeugsteuergesetzes --KraftStG 1979 -- i. d. F. der Gesetze vom 20. Dezember 1988, BGBl I 1988, 2262, BStBl I 1989, 19, und vom 24. Juni 1991, BGBl I 1991, 1322, BStBl I 1991, 665, 682) für die Zeit vom 26. Februar 1991 bis 12. August 1992 durch Neufestsetzungen gegenüber der Klägerin (Bescheide vom 3. und 9. März 1993, bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 22. März 1994).

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte -- Leitsatz veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 159 --, die an sich berechtigten Neufestsetzungen hätten wegen Ablaufs der in § 18 Abs. 3 KraftStG 1979 (i. d. F. des Gesetzes vom 20. Dezember 1988) bestimmten Jahresfrist nicht erfolgen dürfen. Diese Vorschrift sei, wie schon ihre frühere Fassung, nicht nur anwendbar, wenn nach Inkrafttreten eines geänderten Steuersatzes noch ein Steuerbescheid aufgrund des überholten Steuertarifs erlassen worden sei, sondern gelte in allen Fällen, in denen bei der Steuerfestsetzung noch der vor der Änderung geltende Steuersatz angewendet worden sei, auch wenn dies -- wie im Streitfall -- zur Zeit des Ergehens des ursprünglichen Bescheides (1986) zutreffend gewesen sei. Bei § 18 Abs. 3 KraftStG 1979 handele es sich um eine den § 172 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) vorgehende Sonderregelung der Festsetzungsfrist. Nach deren Ablauf sei auch die Berichtigung einer etwa vorliegenden offenbaren Unrichtigkeit unzulässig.

Das FA tritt mit seiner Revision dieser Auslegung von § 18 Abs. 3 KraftStG 1979 entgegen. Das FG verkenne die Bedeutung des im Gesetzeswortlaut enthaltenen Wortes "noch". Hätte der Gesetzgeber eine Dauerregelung in dem vom FG angenommenen Sinne bezweckt, so hätte dieses Wort -- zu verstehen wie "gleichwohl" oder "trotzdem" -- nicht aufgenommen werden dürfen. Dieses Wort stelle den Sinnzusammenhang her zwischen Steuersatzänderung und danach erfolgter Steuerfestsetzung unter Anwendung des vor der Änderung geltenden Steuersatzes. Auch unter Berücksichtigung ihrer früheren Fassung sei die Vorschrift dahin zu verstehen, daß sie über die Änderungsvorschriften der AO 1977 hinaus Anpassungen an Gesetzesänderungen ermögliche. Die Begrenzung des Änderungszeitraums beeinflusse nicht die Festsetzungsverjährung, sondern bewirke lediglich, daß nach Ablauf der Jahresfrist allein die Änderungsvorschriften der AO 1977 und des KraftStG 1979 heranzuziehen seien. Im Streitfall sei § 18 Abs. 3 KraftStG 1979 grundsätzlich nicht anwendbar, weil es vorab nicht zu einer Neufestsetzung nach Steuersatzänderung gekommen sei.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat sich nicht durch eine vertretungsberechtigte Person geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Der die Vorentscheidung tragenden Rechtsauffassung, § 18 Abs. 3 KraftStG 1979 (n. F.) enthalte eine auch im Streitfall zu beachtende Sperrfrist für die Neufestsetzung, ist nicht zu folgen. Die Vorentscheidung kann somit keinen Bestand haben. Aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen erweisen sich die angefochtenen Bescheide -- insbesondere der auf § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG 1979 gestützte Bescheid vom 3. März 1993 -- als rechtmäßig.

Nach § 18 Abs. 3 KraftStG 1979 kann ein geänderter Steuersatz innerhalb eines Jahres durch Neufestsetzung nachträglich berücksichtigt werden, wenn bei der Steuerfestsetzung noch der vor der Änderung geltende Steuersatz angewendet worden ist. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Übergangsregelung -- Überschrift von § 18 KraftStG 1979 --, die als solche inzwischen Dauerrecht für alle in Betracht kommenden Übergangsfälle geworden ist. Eine allgemeine Einschränkung von § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG 1979 (i. d. F. des Gesetzes vom 22. Mai 1985, BGBl I 1985, 784, BStBl I 1985, 211), der als maßgebende Rechtsgrundlage für die Neufestsetzung der Kraftfahrzeugsteuer bei Änderung der Bemessungsgrundlagen oder des Steuersatzes neben den Rechtsnormen der AO 1977 über die Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden steht (vgl. § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d AO 1977; Senat, Urteil vom 20. August 1985 VII R 182/82, BFHE 144, 465, 469, BStBl II 1985, 716), liegt darin nicht. Der Wortlaut der Vorschrift läßt erkennen, daß sie nur eingreift, wenn nach Inkrafttreten eines neuen Steuersatzes "noch" der alte Steuertarif bei der Festsetzung zugrunde gelegt worden ist, und stützt damit die vom FA vertretene Rechtsansicht. Die Gesetzesbegründung bestätigt, daß § 18 Abs. 3 KraftStG 1979 -- allein -- eine Regelung für die Fälle treffen soll, in denen für ein Fahrzeug noch ein Steuerbescheid aufgrund der durch die Änderung überholten Tarife erlassen worden ist (BTDrucks 11/3306 (neu), S. 22; vgl. auch Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, Kraftfahrzeugsteuergesetz, § 18 Rz. 9). Das Auslegungsergebnis, zu dem die Vorinstanz gelangt ist, trifft danach nicht zu.

Die Gründe, auf die das FG seine Auffassung stützt, sind demgegenüber nicht stichhaltig. Abgesehen davon, daß die ursprüngliche Fassung von § 18 Abs. 3 KraftStG 1979 (gemäß Gesetz vom 22. Mai 1985) hier nicht maßgebend ist, erscheint es zumindest zweifelhaft, ob sie den ihr vom FG beigelegten Sinn hatte (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1989 VII R 27/87, BFH/NV 1990, 397). Für Erwägungen über das Verhältnis von § 18 Abs. 3 KraftStG 1979 zu den Vorschriften der AO 1977 über die Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden ist kein Raum, da eine auf § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG 1979 gestützte Neufestsetzung zu beurteilen ist. Nur zu einem solchen Fall ist auch das von der Vorinstanz herangezogene Urteil des FG München vom 3. März 1993 4 K 48/92 (Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 1993, 249 -- Nr. 1 a. E. --) ergangen. Aus ihm läßt sich nicht entnehmen, daß § 18 Abs. 3 KraftStG 1979 als allgemeine Festsetzungssperre verstanden wird.

Da hiernach die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 18 Abs. 3 KraftStG 1979 im Streitfall nicht gegeben sind, war das FA nicht gehindert, die Neufestsetzung für Zeiträume, hinsichtlich derer die Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO 1977) noch nicht abgelaufen war, wie geschehen vorzunehmen. Darauf, ob in der späteren Aufdeckung der zutreffenden Antriebsart des Fahrzeuges ein nachträgliches Bekanntwerden einer steuererhöhend wirkenden Tatsache i. S. von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zu sehen war (hierzu in kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Hinsicht Senat, Urteile vom 17. Oktober 1989 VII R 58/87, BFHE 158, 466, 471, BStBl II 1990, 249, und vom 10. Dezember 1991 VII R 10/90, BFHE 166, 395, 397 f., BStBl II 1992, 324), kam es nicht an. Wie bereits ausgeführt, handelte es sich um eine Neufestsetzung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG 1979 aufgrund der Steuersatzänderungen für Dieselfahrzeuge (PKW), nicht um eine Änderung des ursprünglichen Kraftfahrzeugsteuerbescheides (vgl. auch Senatsurteil vom 9. März 1993 VII R 87/92, BFHE 171, 84, 90, BStBl II 1993, 468).

 

Fundstellen

Haufe-Index 421406

BFH/NV 1996, 852

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