Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Ist vor der Kriegszerstörung ein unfertiges, noch nicht benutzbares, aber überwiegend im Rohbau fertiggestelltes Gebäude vorhanden gewesen und ist ein benutzbares Gebäude als Dauerbau aufgeführt worden, so ist § 104 LAG anwendbar, wenn im übrigen der Wiederaufbau in der in dieser Vorschrift vorgesehenen Zeit vorgenommen wurde.

 

Normenkette

LAG § 104

 

Tatbestand

Im Jahre 1942 begann die Revisionsbeklagte mit dem Bau von Reihenhäusern, bestehend aus zwei mit A und B bezeichneten Wohnblöcken. Die Bauarbeiten mußten jedoch im Jahre 1943 wegen des Krieges wieder eingestellt werden. Der Block A war in diesem Zeitpunkt durch Eindecken des Daches rohbaumäßig fertiggestellt. Die elektrischen Leitungen waren zu 50 v. H. verlegt. Von dem Block B waren rund 40 v. H. rohbaumäßig fertig. In diesem Teil waren die elektrischen Leitungen ebenfalls zu 50 v. H. verlegt. Von dem Rest dieses Baublocks waren das erste Obergeschoß, das Erdgeschoß und der Keller zu je rund 20 v. H. mit einer Decke versehen. Das unfertige Gesamtbauwerk wurde durch Kriegseinwirkungen zum Teil vollständig zerstört und zum Teil stark beschädigt. Im November 1953 begann die Revisionsbeklagte, unter Verwendung der teilweise noch vorhandenen Kopfbauten der beiden Wohnblöcke A und B und der Fundamente der übrigen zerstörten Bauteile den Bau der Reihenhäuser wieder aufzunehmen. Es sollten jedoch statt 156 Wohnungen nunmehr 221 Wohnungen geschaffen werden. Ende August 1954 wurde der gesamte Bau vollendet.

Durch berichtigten vorläufigen Bescheid vom 7. Dezember 1956 wurde der Revisionsbeklagte zur HGA herangezogen. Der vorläufige Bescheid ist unanfechtbar geworden.

Am 22. November 1957 beantragte die Revisionsbeklagte nach § 104 LAG die Herabsetzung der Abgabeschulden der HGA auf 0 DM. Der Antrag wurde nach § 2 der Achtzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz vom 30. November 1955 (18. AbgabenDV-LA) ohne Aufstellung einer besonderen Wirtschaftlichkeitsberechnung gestellt. Die Wohnungsbaukreditanstalt bestätigte zwar, daß das Baudarlehen aus öffentlichen Mitteln bewilligt und der Zinssatz für dieses Darlehen ab August 1954, dem Zeitpunkt der Gebrauchsabnahme, auf 0 v. H. gesenkt worden sei, lehnte aber trotzdem die erforderliche Bestätigung des Antrages mit der Begründung ab, der Bau der Reihenwohnhäuser sei von der Revisionsbeklagten im Antrag auf Baugenehmigung, in der Baubeschreibung und in der nachfolgenden Korrespondenz und von der Baubehörde in ihrer Stellungnahme stets als Neubau bezeichnet worden. Daraufhin lehnte das Finanzamt (Revisionskläger) den Antrag durch den als vorläufig bezeichneten Bescheid vom 23. Januar 1960 ab. Der Revisionskläger begründete die Ablehnung damit, ein benutzbarer Raum sei vor der Zerstörung nie vorhanden gewesen, so daß von einem Wiederaufbau oder einer Wiederherstellung im Sinne des § 104 LAG nicht die Rede sein könne. Hilfsweise wies der Revisionskläger darauf hin, die unfertigen Gebäude hätten vor ihrer Zerstörung oder Beschädigung keinen solchen Bebauungsgrad erreicht, daß sie wirtschaftlich einem fertigen Gebäude nahegekommen wären.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Begründung wies der Revisionskläger darauf hin, nach § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Wirtschaftlichkeits- und Wohnflächenberechnung für neugeschaffenen Wohnraum - I. BVO - vom 20. November 1950 (BGBl 1950 S. 753) sei unter "Wiederaufbau" der Aufbau eines zerstörten Gebäudes zu verstehen. Das bedeute, daß zunächst einmal ein Gebäude vorhanden gewesen sein müsse. Da weder das LAG noch die I. BVO eine Begriffsbestimmung des Wortes "Gebäude" enthielten, dagegen aber in § 2 Abs. 2 der I. BVO eindeutig festgelegt worden sei, daß ein Gebäude im Zweifelsfalle als zerstört gelte, wenn oberhalb des Kellergeschosses auf die Dauer benutzbarer Raum nicht vorhanden sei, müsse die Begriffsbestimmung des Wortes "Gebäude" aus dieser Vorschrift abgeleitet werden. Sei demnach ein Gebäude in einem solchen Ausmaß zerstört worden, daß es oberhalb des Kellergeschosses keine nutzbaren Räume mehr habe, so habe es seine Eigenschaft als Gebäude verloren, es sei kein Gebäude mehr. Daraus sei zu folgern, daß dann, wenn bereits vor Eintritt des Kriegsschadens oberhalb des Kellergeschosses auf die Dauer benutzbarer Raum nicht vorhanden gewesen sei, auch nicht von dem Vorhandensein eines Gebäudes auf dem Grundstück die Rede sein könne. Sei aber auf dem Grundstück kein Gebäude vorhanden gewesen, so könne es auch nicht wieder aufgebaut werden, sondern es sei dann auf dem Grundstück ein Neubau errichtet worden.

Die Vorinstanz setzte die HGA mit Wirkung vom 1. November 1953 auf 0 DM herab. Sie führte zur Begründung aus: Der Gebäudebegriff lasse sich aus dem Wortlaut des § 104 LAG unmittelbar nicht ableiten. Es sei zweifelhaft, ob die Fälle, in denen vor der Zerstörung nicht vollendete und damit unfertige Bauwerke vorhanden gewesen seien, überhaupt in den Gesichtskreis des Gesetzgebers getreten seien. Es liege wohl eine Lücke im Gesetz vor. Die zur Ausfüllung dieser Lücke von dem Revisionskläger herangezogene Bestimmung des § 2 Abs. 2 der "1. BewDVO" (richtig: I. BVO) gebe keine Klärung des Gebäudebegriffs, sondern gebe lediglich eine Antwort auf die Frage, wann eine Zerstörung und wann nur eine Beschädigung eines Gebäudes vorliege. Eine Bezugnahme auf die Zeit vor der Zerstörung könne aus dieser Vorschrift nicht herausgelesen werden. Insbesondere könne der sinngemäßen Auslegung des Revisionsklägers, daß ein Gebäude dann als zerstört gelte, wenn auf die Dauer benutzbarer Raum nicht mehr vorhanden sei, nicht gefolgt werden. Nach dem Sinnzusammenhang des Gesetzes habe der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 104 LAG eindeutig seinen Willen zum Ausdruck gebracht, allgemein einen Anreiz für den Wiederaufbau oder die Wiederherstellung zerstörter oder beschädigter Gebäude zu geben und den Aufbauwillen durch Herabsetzung der Abgabeschuld zu fördern. Die Einengung des Gebäudebegriffs entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers. Ein Gebäude sei schon dann vorhanden, wenn das Bauwerk durch räumliche Umfriedung Personen und Sachen Schutz gegen äußere Einflüsse gewähre, den Zutritt von Menschen gestatte, mit dem Grund und Boden fest verbunden und von einiger Beständigkeit sei. Diese Begriffsmerkmale würden auf die Baulichkeit der Revisionsbeklagten zutreffen. Dabei komme es nicht darauf an, ob das Gebäude vor seiner Zerstörung oder Beschädigung bereits nutzbare Räume enthalten habe, sondern darauf, daß durch den Wiederaufbau (die Wiederherstellung) ein auf die Dauer nutzbarer Raum geschaffen und dadurch der allgemeine Wiederaufbau beschleunigt werde. Nach Sinn und Zweck des § 104 LAG müsse daher auch der Wiederaufbau kriegszerstörter oder kriegsbeschädigter unfertiger Bauten bis zu ihrer zweckbestimmten Vollendung zu einer Herabsetzung der Abgabeschuld führen. Aus der Tatsache, daß die Revisionsbeklagte ihr Bauvorhaben als "Neubau" bezeichnet habe, könne nicht die Schlußfolgerung gezogen werden, daß damit von einem Wiederaufbau nicht die Rede sein könne. Wenn sich auch die Revisionsbeklagte unrichtig ausgedrückt habe, so ergebe sich aus der im Rahmen des § 100 LAG für die Gebäudereste festgestellten Kriegsschadensquote von 74,06 v. H., daß hier ein Neubau im technischen Sinne nicht vorliege. Zumindest habe aber der unfertige Bau vor der Zerstörung bereits einen solchen Bebauungsgrad erreicht, daß er wirtschaftlich einem fertigen Gebäude nahegekommen sei. Es hätte nur noch weniger Wochen der Bautätigkeit bis zum Einzug der ersten Mieter bedurft.

Mit der von dem Revisionskläger eingelegten Rechtsbeschwerde wird beantragt, unter Aufhebung des Urteils der Vorinstanz die Berufung zurückzuweisen. Zur Begründung wird unter Bezugnahme auf Tz. 3 des Erlasses des Bundesministers der Finanzen (BdF) vom 29. Juni 1957 - IV C/5 - LA 2555 - 16/57 (BStBl 1957 I S. 365) und unter Hinweis auf die übernahme der in § 2 der I. BVO enthaltenen Begriffe "Wiederaufbau" und "Wiederherstellung" in die Wortfassung des § 104 LAG vorgetragen, daß nur ein in Verlust geratener Wohnraum und sonstiger Nutzungsraum neugeschaffen werden könne. Dem entspreche auch das Urteil des BFH III 311/61 U vom 27. April 1962 (BStBl 1962 III S. 317, Slg. Bd. 75 S. 133), wonach der Begriff des Wiederaufbaus (der Wiederherstellung) als Dauerbau erfordere, daß zuvor die Benutzbarkeit des Gebäudes für den Zweck, für den es vorgesehen war, durch den Kriegsschaden verloren gegangen sein müsse und dieser Zustand bis zum 21. Juni 1948 (in Berlin: 25. Juni 1948) fortgedauert habe. Es sei deshalb für die Anwendbarkeit des § 104 LAG allein entscheidend, ob das Gebäude im Zeitpunkt des Eintritts des Kriegsschadens für den vorgesehenen Zweck bereits benutzbar gewesen sei. Im übrigen könne der Hinweis, daß es nur weniger Wochen der Bautätigkeit bis zum Einzug der ersten Mieter bedurft hätte, die Anwendung des § 104 LAG nicht rechtfertigen, zumal eine baupolizeiliche Abnahme bis zum Zeitpunkt der Einstellung der Bauarbeiten noch gar nicht habe vorgenommen werden können.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb., die nach dem Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 als Revision zu behandeln ist (vgl. § 184 FGO), ist unbegründet.

I. - Wird ein zerstörtes (beschädigtes) Gebäude als Dauerbau wiederaufgebaut (wiederhergestellt), so wird unter den weiteren in § 104 Abs. 1 Satz 1 LAG angegebenen Voraussetzungen die Abgabeschuld herabgesetzt. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats und in übereinstimmung mit der Auffassung der Verwaltung kommt § 104 LAG nur zur Anwendung, wenn das Grundstück durch Kriegsmaßnahmen zerstört (beschädigt) worden ist (vgl. Entscheidung III 25/58 U vom 15. Januar 1960, BStBl 1960 III S. 143, Slg. Bd. 70 S. 381). Auf diese Auslegung braucht nicht näher eingegangen zu werden, da das Bauwerk unbestritten zu 74,06 v. H. durch Kriegsmaßnahmen zerstört worden ist.

Gegenüber dem Einwand des Revisionsklägers, das frühere unfertige Bauwerk sei im Hinblick auf § 2 Abs. 2 Satz 2 der I. BVO kein Gebäude im Sinne des § 104 LAG gewesen, hat die Vorinstanz mit Recht darauf hingewiesen, daß diese Bestimmung die Klärung des Gebäudebegriffs nicht zum Gegenstand hat. Dafür, ob ein unfertiges Bauwerk auch als Gebäude bezeichnet werden kann, läßt sich ein gewisser Anhaltspunkt aus § 33 a BewDV entnehmen. Diese Bestimmung, die die Ermittlung der Bewertungsgrundlage bei Grundbesitz im Zustand der Bebauung zum Gegenstand hat, gebraucht in Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 für unfertige Bauten die Bezeichnung "im Bau befindliche Gebäude". Nach Abs. 2 Satz 3 dieser Bestimmung ist ein "Gebäude" als bezugsfertig anzusehen, wenn der Bau so weit gefördert ist, daß den zukünftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern des Gebäudes zugemutet werden kann, das Gebäude zu beziehen. Nach dieser Regelung wird unterschieden zwischen "im Bau befindlichen Gebäuden" und "bezugsfertigen Gebäuden". Aus der Verwendung des Begriffs "Gebäude" für im Bau befindliche, d. h. nicht bezugsfertige Bauwerke, wie für solche, die bezugsfertig sind, läßt sich entnehmen, daß § 33 a BewDV unter Gebäuden sowohl nicht bezugsfertige als auch bezugsfertige Gebäude versteht. Damit ist jedoch nicht geklärt, von wann ab ein in der Entstehung befindliches Bauwerk als im Bau befindliches "Gebäude" angesprochen werden kann. Für die Beantwortung bietet der von der Vorinstanz herangezogene, in der Rechtsprechung entwickelte Begriff des RFH und des BFH einen weiteren Anhaltspunkt (vgl. u. a. RFH-Entscheidungen I A 35/28 vom 10. Oktober 1928, RStBl 1929 S. 49; III A 11/34 vom 8. März 1934, RStBl 1934 S. 488; BFH- Entscheidungen III 5/53 S vom 24. April 1953, BStBl 1953 III S. 156, Slg. Bd. 57 S. 397; II 250/51 U vom 9. April 1952, BStBl 1952 III S. 137, Slg. Bd. 56 S. 351). Dieser Gebäudebegriff stimmt im wesentlichen mit der Begriffsbestimmung überein, die in Abschnitt B Nr. 1 Tz. 5 des von den übrigen Ländern unverändert übernommenen Erlasses des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28. März 1960 (BStBl 1960 II S. 93) enthalten ist und die die bisherigen Erkenntnisse der Rechtsprechung zusammenfaßt und die Fortentwicklung der Technik berücksichtigt. Die Entstehung dieser Begriffsbestimmung ist in der Hauptsache auf die Notwendigkeit der Abgrenzung gegenüber den Betriebsvorrichtungen zurückzuführen. Mit Hilfe dieses Begriffs läßt sich aber auch klären, daß nicht jedes in der Entstehung begriffene Bauwerk schon als im Bau befindliches "Gebäude" bezeichnet werden kann. Da ein Bauwerk von der Fertigstellung der Fundamente bis zu seiner Bezugsfertigkeit oder Verwendbarkeit für den dafür vorgesehenen Zweck viele Bauabschnitte zu durchlaufen hat, die in den einzelnen Fällen verschieden sein können, wird ein allgemeines Merkmal für eine sichere zutreffende Abgrenzung nicht gegeben werden können. Es hängt dies vielfach von den einzelnen tatsächlichen Umständen ab. In Zweifelsfällen wird es deshalb letztlich entscheidend auf die allgemeine Verkehrsauffassung ankommen. Von dem in § 104 LAG verwendeten Begriff "Gebäude" läßt sich aus der Regelung in dieser Vorschrift nur so viel entnehmen, daß sich der Begriff im Gegensatz zu der Regelung in der I. BVO nicht nur auf neugeschaffenen Wohnraum (vgl. § 104 Abs. 4 Nr. 3 LAG) beschränkt, sondern auch auf sonstigen Nutzraum erstreckt. Da § 104 LAG für den in Abs. 1 Satz 1 gebrauchten Gebäudebegriff sonst keinerlei Hinweise für dessen Auslegung gibt, aber auch keinen Anhaltspunkt dafür enthält, daß die Regelung nur in den Fällen gelten soll, in denen vor der Zerstörung bezugsfertige Wohnräume oder sonstige fertige Nutzräume vorhanden waren, wird die Entscheidung darüber, wann ein unfertiges Bauwerk als ein - wenn auch noch nicht bezugsfertiges - Gebäude im Sinne des § 104 LAG angesehen werden kann, nach der allgemeinen Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung der Merkmale des von der Rechtsprechung und Verwaltung entwickelten "Gebäude" -Begriffs zu treffen sein. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß eine zu weit ausdehnende Auslegung selbst bei Berücksichtigung der Zweckbestimmung des § 104 LAG, den Wiederaufbau und die Wiederherstellung kriegszerstörter oder kriegsbeschädigter Grundstücke weitgehend zu fördern, den Rahmen dieser Zweckbestimmung unter Berücksichtigung der Zielsetzung des LAG sprengen würde, was dem Willen des Gesetzgebers nicht unterstellt werden kann. Eine Einbeziehung kriegszerstörter unfertiger Gebäude in die Wiederaufbauvergünstigung kann deshalb nur in solchen Fällen erfolgen, in denen, wie im Streitfall, die Gebäude zum weitaus überwiegenden Teil vor der Zerstörung rohbaumäßig fertiggestellt waren. Mit dieser Beschränkung bestehen gegen die Auslegung des in § 104 LAG gebrauchten Begriffs "Gebäude" durch die Vorinstanz keine Bedenken. An die tatsächliche Feststellung der Vorinstanz, daß das unfertige Bauwerk vor seiner Zerstörung die einzelnen Merkmale des Gebäudebegriffs in dem angeführten Sinne erfüllt, ist, da die unfertigen Gebäude vor ihrer Zerstörung jedenfalls überwiegend rohbaumäßig fertiggestellt waren, der BFH gebunden. Einwendungen wurden von dem Revisionskläger gegen diese Feststellung nicht erhoben.

Die Auffassung des Revisionsklägers, ein Gebäude müsse vor seiner Zerstörung (Beschädigung) Wohnraum oder sonstigen Nutzraum gehabt haben, wenn § 104 LAG zur Anwendung kommen solle, führt dazu, daß der Begriff des "Wiederaufbaus (der Wiederherstellung)" um ein zusätzliches Begriffsmerkmal erweitert wird, das ihm in Wirklichkeit nicht unmittelbar zukommt. Der Begriff des Wiederaufbaus ist wie auch der in § 104 LAG verwendete Begriff der Wiederherstellung seinem Inhalt nach ein bautechnischer Begriff. Soll ein zerstörtes Gebäude wiederaufgebaut werden, so besagt dies zunächst nur, daß der Zustand hergestellt werden soll, der vor der Zerstörung bestanden hat. Geschieht dies, ist das Gebäude als wiederaufgebaut anzusehen. Der Begriff der Benutzbarkeit von Wohnräumen oder sonstigen Nutzräumen eines Gebäudes ist etwas anderes und ist mit dem Begriff des Wiederaufbaus oder der Wiederherstellung nicht identisch. Ein wiederaufgebautes Gebäude kann nach dem Wiederaufbau auch gleichzeitig benutzbar sein, braucht es aber nicht. In der weitaus überwiegenden Zahl aller Fälle wird ein Gebäude vor der Zerstörung nutzbare Wohnräume oder sonstige Nutzräume gehabt haben. In einem solchen Fall bedeutet der Wiederaufbau eines solchen Gebäudes, daß es nachher ebenfalls wieder nutzbare Wohnräume oder sonstige Nutzräume hat. Dies ist aber nur eine Folge davon, daß der Wiederaufbaubegriff technisch neutral ist und mit jedem Bauzustand eines Gebäudes vor seiner Zerstörung begrifflich in Verbindung gebracht werden kann. Der Gesetzgeber hätte, wenn es ihm richtiger erschienen wäre, die Rechtswirkung des § 104 LAG auch an das Begriffsmerkmal der Benutzbarkeit vor und nach der Zerstörung anknüpfen können. Er hat dies aber nicht getan, sondern hat den Wiederaufbau (die Wiederherstellung) und die Dauerbaueigenschaft als die gesetzlichen sachlichen Voraussetzungen für maßgeblich bezeichnet. Im Ergebnis hat der Gesetzgeber hierdurch in der Regel das von ihm erstrebte Ziel der Schaffung von neuem Wohnraum und sonstigem Nutzraum ebenso erreicht, wie wenn er an den vor der Zerstörung (Beschädigung) vorhanden gewesenen Wohnraum oder sonstigen Nutzraum als sachliche Voraussetzung angeknüpft hätte. Dies hat aber nicht zur Folge, daß in den Fällen, in denen zerstörte unfertige Bauwerke für den für sie bestimmten Zweck wiederaufgebaut worden sind, auch hinsichtlich des vor der Zerstörung unfertigen Teils das Vorliegen der Voraussetzungen des Wiederaufbaus verneint werden müßte. War das Gebäude vor der Zerstörung nur teilweise fertiggestellt, und wird dieser Zustand nach der Zerstörung wieder bis zu dem Grad der teilweisen Fertigstellung erreicht, so liegt auch in einem solchen Fall in technischer Hinsicht ein Wiederaufbau vor. Dagegen könnte zwar eingewandt werden, es sei nicht Sinn und Zweck des § 104 LAG, eine Herabsetzung der Abgabeschuld zu gewähren, wenn in der Zeit nach dem 21. Juni 1948 nur ein halbfertiger Bau hergestellt werde, der für den Zweck, für den er bestimmt ist, nicht benutzt werden könne, selbst wenn dieser halbfertige Bau rein technisch als Dauerbau wiederaufgebaut worden sei. Dieser Einwand ist jedoch dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn das Gebäude - wie im Streitfall - in vollem Umfang für den dafür bestimmten Zweck uneingeschränkt benutzbar aufgebaut wird. Die Regelung in § 104 Abs. 1 Satz 1 LAG schließt zwar seinem Wortlaut nach nicht eine Auslegung in der Richtung aus, ein solches Gebäude in einen wiederaufgebauten und einen neugebauten Teil aufzuteilen, selbst dann nicht, wenn der Neubauteil ohne den wiederaufgebauten Teil gar nicht möglich wäre. Es wäre deshalb auch folgerichtig, die Herabsetzung der Abgabeschuld nach § 104 LAG auf diejenigen Wiederaufbaukosten zu begrenzen, die für das Gebäude aufgewandt wurden, um es in den Zustand zu versetzen, den es vor der Zerstörung gehabt hat. Eine solche Begrenzung würde aber, wie sich aus der Vorschrift des § 104 Abs. 1 Satz 2 LAG ergibt, dem Willen des Gesetzes nicht entsprechen. Danach ist die Herabsetzung der Abgabeschuld auch zulässig, wenn das wiederaufgebaute (wiederhergestellte) Gebäude in Gestaltung oder Zweckbestimmung von dem früheren Gebäude abweicht. Dieser Regelung ist zu entnehmen, daß § 104 LAG auf eine vollständige Identität des wiederaufgebauten Gebäudes mit dem Gebäude vor der Zerstörung verzichtet. Der BdF hat deshalb in Tz. 29 und 30 seines Erlasses vom 29. Juni 1957 (a. a. O.) die Folgerungen daraus gezogen und läßt die Herabsetzung auch dann zu, wenn die wiedererrichteten Gebäude von den früher vorhandenen Gebäuden durch eine größere oder kleinere bebaute Fläche oder durch eine größere oder geringere Höhe abweichen. Entsprechendes soll gelten, wenn auf dem Grundstück Gebäude über die Zahl der früher vorhandenen Gebäude hinaus errichtet werde. Dieses Ergebnis rechtfertigt sich auch deshalb, weil bei der HGA nicht das einzelne Gebäude für sich, sondern die Gesamtheit aller auf dem Grundstück oder HGA-Grundstück vorhandenen Gebäude mit der ganzen Bodenfläche betrachtet wird. Der erkennende Senat hat bereits in Fortführung dieses Grundgedankens in dem Urteil III 311/61 U vom 27. April 1962 (a. a. O.) ausgesprochen, daß bei der Beurteilung nach § 104 LAG nicht nur der gesamte Grundstücks- und Gebäudebestand einschließlich stehengebliebener Gebäude und Gebäudeteile, sondern auch einschließlich neugeschaffener Gebäudeteile zu betrachten ist. Dies führt dazu, daß auch ergänzende Neubauteile auf dem in Betracht kommenden Grundstück in die Herabsetzungsregelung nach § 104 LAG einbezogen werden müssen. Dem Finanzgericht (FG) ist deshalb zuzustimmen, wenn es im Streitfall die sachlichen Voraussetzungen des § 104 LAG als erfüllt angesehen hat. Unter diesen Umständen braucht auf die Frage, ob das Gebäude vor der Zerstörung wirtschaftlich einem bezugsfertigen Gebäude nahekam, nicht eingegangen zu werden. Auch ein weiteres Eingehen auf das Urteil des BFH III 311/61 U vom 27. April 1962 (a. a. O.) erübrigt sich, da es sich nach dem diesem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt vor Eintritt der geringfügigen Beschädigungen um ein uneingeschränkt bewohnbares und benutzbares Gebäude gehandelt hat. Es liegen deshalb zwei voneinander völlig verschiedene Sachverhalte vor.

Die Revision ist deshalb hinsichtlich der im Streit befangenen Frage unbegründet. Da im übrigen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 der 18. AbgabenDV-LA unbestritten gegeben sind, ist die Herabsetzung der HGA auf 0 DM gerechtfertigt. Der Tenor des Urteils der Vorinstanz ist jedoch insoweit nicht zutreffend, als nicht zum Ausdruck kommt, daß der ablehnende Herabsetzungsbescheid zum 23. Januar 1960 ein vorläufiger ist. Mit dieser Maßgabe ist die Revisionsklage als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412035

BStBl III 1966, 429

BFHE 1966, 482

BFHE 85, 482

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