Leitsatz (amtlich)
1. Der Rechtsnormcharakter der Vergleichszahlen der Hauptbewertungsstützpunkte für die Bewertung landund forstwirtschaftlicher Nutzungen umfaßt auch die Ertragsbedingungen, auf denen die Vergleichszahlen beruhen.
2. Es ist nicht sachfremd, wenn der Bewertungsbeirat die (betriebsinternen) Grabenräumungskosten von den (betriebsexternen) Entwässerungskosten nicht nach Wasserrecht, sondern nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Wasserläufe abgegrenzt hat.
Normenkette
BewG 1965 §§ 38-39
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Eigentümer eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft mit rd. 17,5 ha Fläche. An zwei Parzellen dieses Betriebs laufen in einer Länge von zusammen ca. 150 m Entwässerungsgräben, die das Wasser dieser Flurstücke sowie das Wasser höher gelegener Nachbarparzellen aufnehmen. Diese Gräben stehen im Eigentum eines Realverbandes. Sie müssen vom Kläger entlang seinem Grundbesitz geräumt werden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hat bei der Hauptfeststellung des Einheitswerts zum 1. Januar 1964 die Aufwendungen für die Räumung dieser Wassergräben nicht durch eine besondere Abrechnung berücksichtigt. Lediglich bei der Ermittlung der Betriebszahl für die landwirtschaftliche Nutzung des Betriebs des Klägers hat das FA entsprechend den gegendüblichen Verhältnissen Zahlungen an Wasser- und Bodenverbände für Entwässerungskosten von 7 DM je ha zugrunde gelegt und hiervon gemäß Abschn. 2.17 der Richtlinien für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (BewRL) 2 DM je ha als wesentliche Belastung berücksichtigt. Dadurch ergab sich in Anwendung der Tabelle L 29 des Abschn. 2.17 BewRL eine Abrechnung von 2,02 v. H. von der Betriebszahl der landwirtschaftlichen Nutzung. Aufwendungen für Unterhaltung von Gräben der bezeichneten Art wurden bei den zum Vergleich herangezogenen Hauptbewertungsstützpunkten nicht als Entwässerungskosten, sondern als Grabenräumungsaufwand gemäß Abschn. 2.06 BewRL behandelt. Bei der Bewertung des Betriebs des Klägers wurden Grabenräumungskosten nicht berücksichtigt, weil der Flächenverlust durch die Gräben 3 v. H. der Gesamtfläche nicht überschreitet.
Der Kläger begehrte für die Unterhaltung der Entwässerungsgräben jährlich 90 DM am Reinertrag zu kürzen.
Nach erfolglosem Einspruch hat das FG die Klage abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen.
Die Revision des Klägers macht geltend, die Unterscheidung zwischen Grabenräumungskosten und Entwässerungskosten sei parallel zum Wasserrecht zu treffen. Unter Grabenräumungsaufwendungen seien diejenigen Kosten zu verstehen, die durch sogenannte Binnenentwässerung anfielen; Entwässerungskosten seien Aufwendungen für Beiträge der Unterhaltung von Gewässern, die der unschädlichen Ableitung des überschüssigen Wassers dienten, wenn es die Betriebsflächen verlassen habe. Dabei könne es keinen Unterschied ausmachen, ob die Beiträge an Wasser- und Bodenverbände als Geldleistung oder, wie im Fall des Klägers, durch Hand- und Spanndienste erbracht würden. Die Finanzverwaltung habe die Unterscheidung zwischen internen und externen Entwässerungskosten nicht durchgehalten. Dieser Fehler beruhe wohl darauf, daß auch der Bundesbewertungsbeirat auf diese Unterscheidung nicht immer geachtet habe. So sei tatsächlich beim Hauptbewertungsstützpunkt Brandlecht der Aufwand für die Unterhaltung eines Gewässers dritter Ordnung nicht als Entwässerungskosten behandelt worden, sondern als Grabenräumungskosten, obwohl es sich hier um einen Abfluß handle, der nicht der Binnenentwässerung diene. Das FG könne sich nicht auf die Handhabung durch den Bundesbewertungsbeirat berufen; denn durch die unrichtige Bewertung eines Hauptbewertungsstützpunkts werde die Gleichmäßigkeit der Bewertung nicht hergestellt.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und bei der Feststellung des Einheitswerts für seinen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft weitere Entwässerungskosten von jährlich 90 DM anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Für die Bewertung der landwirtschaftlichen Nutzungen eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft ist der Ertragswert zugrunde zu legen (§ 36 Abs. 1 BewG 1965). Der Ertragswert ist das 18fache des Reinertrags i. S. des § 36 Abs. 2 BewG. Er wird regelmäßig nicht unmittelbar durch Einzelberechnung für die jeweils zu bewertende Nutzung, sondern durch ein vergleichendes Verfahren ermittelt (§ 37 Abs. 1 BewG) und in Vergleichszahlen ausgedrückt. Die Vergleichszahlen sind Verhältniszahlen, die dem Verhältnis der Reinerträge der Nutzungen entsprechen (§ 38 BewG).
Der Grundgedanke des vergleichenden Verfahrens besteht darin, daß für ein über das ganze Bundesgebiet gezogenes Netz von Bewertungsstützpunkten mit gegendüblichen Ertragsbedingungen die Ertragsfähigkeit der landwirtschaftlichen Nutzung vorwegbestimmt und in Vergleichszahlen ausgedrückt wird. Für die Masse der zu bewertenden Nutzungen wird die Vergleichszahl durch Vergleich mit den Vergleichszahlen und damit der Ertragsfähigkeit dieser Hauptbewertungsstützpunkte bestimmt (§ 39 Abs. 1 BewG). Dabei werden die natürlichen Ertragsbedingungen und von den wirtschaftlichen Ertragsbedingungen die innere und die äußere Verkehrslage sowie die Betriebsgröße mit den tatsächlichen Verhältnissen der einzelnen durch Vergleich zu bewertenden Nutzung berücksichtigt, die übrigen wirtschaftlichen Ertragsbedingungen dagegen mit den in der Gegend als regelmäßig anzusehenden Verhältnissen zugrunde gelegt (§ 38 Abs. 2 BewG).
2. Aufwendungen für den Unterhalt von Gräben, die der Entwässerung eigener Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung des Betriebs dienen (betriebsinterner Aufwand), gehören grundsätzlich zu den natürlichen Ertragsbedingungen einer landwirtschaftlichen Nutzung. Denn sie müssen vom einzelnen Betriebsinhaber im Interesse der ordnungsmäßigen Bewirtschaftung, von der § 36 Abs. 2 BewG ausgeht, erbracht werden, damit die Ertragsfähigkeit des Grund und Bodens erhalten bleibt. Abschn. 2.06 BewRL bezeichnet diese Aufwendungen als Grabenräumungsaufwendungen. Sie sind nach § 38 Abs. 2 Nr. 1 a BewG mit den tatsächlichen Verhältnissen der jeweiligen Nutzung zu berücksichtigen.
Aufwendungen für die Unterhaltung von Abflüssen für überschüssiges Wasser nach Verlassen der betriebseigenen Flächen (betriebsexterner Aufwand) sind regelmäßig wirtschaftliche Ertragsbedingungen, denn diese Aufwendungen dienen überbetrieblichen Maßnahmen, die sich auf die Ertragsfähigkeit der einzelnen Nutzung nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar durch die Beitragspflicht für die ordnungsmäßige Ableitung des Wassers auswirkt. Diese Aufwendungen sind im Gegensatz zu Grabenräumungsaufwendungen bei der vergleichenden Bewertung nicht betriebsindividuell, sondern mit den in der Gegend als regelmäßig anzusehenden Verhältnissen zu berücksichtigen (§ 38 Abs. 2 Nr. 2 BewG). Abschn. 2.17 BewRL bezeichnet sie als Entwässerungskosten.
3. Der Kläger meint, die Abgrenzung zwischen natürlichen Ertragsbedingungen (Gräben i. S. der Grabenräumungsaufwendungen) und wirtschaftlichen Ertragsbedingungen (überbetriebliche Abflüsse i. S. der Entwässerungskosten) im Bereich der Entwässerung müsse parallel zum Wasserrecht getroffen werden.
a) Nach § 1 Abs. 3 des Niedersächsischen Wassergesetzes (NWG) vom 7. Juli 1960 (Nds. GVBl 1960, 105) sind Gräben, die nicht dazu dienen, Grundstücke mehrerer Eigentümer zu bewässern oder zu entwässern, keine Gewässer im Sinne des NWG und fallen damit nicht unter dieses Gesetz. Dienen dagegen die Gräben der Entwässerung oder Bewässerung der Grundstücke mehrerer Eigentümer, so handelt es sich um Gewässer i. S. des NWG, die mangels größerer Bedeutung für die Wasserwirtschaft als Gewässer dritter Ordnung zu qualifizieren sind (§ 52 NWG). Die Unterhaltung dieser Gewässer obliegt grundsätzlich dem Eigentümer und falls dieser nicht zu ermitteln ist, den Anliegern (§ 88 NWG).
b) Ob ein Wasserabfluß im Einzelfall als Gewässer i. S. des Wasserrechts oder als Graben zu qualifizieren ist, der nicht dem Wasserrecht untersteht, hängt, wie oben dargestellt, entscheidend davon ab, ob an dem Wasserlauf Alleineigentum desjenigen gegeben ist, von dessen Grundflächen Wasser abgeleitet wird, oder ob auch das Wasser von Grundflächen Dritter eingeleitet wird.
Die Qualifikation des Wasserrechts ist rein rechtlich ausgestaltet. Die Entscheidung, ob ein Wasserlauf dem Wassergesetz untersteht oder nicht, hängt damit weitgehend von der Eigentumsgestaltung in der Landwirtschaft ab. In Gebieten, in denen die Flurbereinigung schon durchgeführt worden ist, mit der Folge, daß die Betriebe schon weitgehend arrondiert sind, werden häufiger Gräben auftreten, die nicht dem Wasserrecht unterstehen, als in Gebieten, in denen möglicherweise aufgrund einer früheren Realteilung eine starke Zersplitterung der landwirtschaftlichen Nutzflächen besteht. Weiter ist zu beachten, daß sich aus dem Bewertungsgesetz keinerlei Hinweise oder Anhaltspunkte dafür ergeben, die Abgrenzung zwischen Grabenräumung und Entwässerung für die Ermittlung des landwirtschaftlichen Ertragswerts sei nach wasserrechtlichen Grundsätzen zu treffen. Die Zielsetzungen des Wasserrechts und die der Bewertung landwirtschaftlicher Nutzungen nach dem Ertragswert sprechen nach Auffassung des Senats mehr gegen als für eine Anwendung des Wasserrechts. Denn die Bewertung mit dem Ertragswert gebietet es, entscheidend auf betriebswirtschaftliche Überlegungen und Funktionen abzustellen. Unter letzterer Sicht kann es durchaus gerechtfertigt sein, Gräben, die Gewässer i. S. des Wasserrechts sind, in Gebieten mit starker Zersplitterung für die Einheitsbewertung der Betriebe der Land- und Forstwirtschaft trotz dieser wasserrechtlichen Qualifikation als betriebsinterne Wasserläufe zu behandeln, weil unter Berücksichtigung der Struktur der Landwirtschaft und der geringen betriebsexternen Bedeutung der Wasserläufe diese betriebswirtschaftlich wie Gräben auf eigenem Grund und Boden des Betriebsinhabers anzusehen sind.
c) Das FG hat unangefochten und für den Senat verbindlich (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, daß bei den Hauptbewertungsstützpunkten, die für die vergleichende Bewertung der landwirtschaftlichen Nutzung des Betriebs des Klägers herangezogen worden sind, in gleicher Weise verfahren wurde, wie bei der Bewertung der landwirtschaftlichen Nutzung des Klägers. Auch bei diesen Bewertungsstützpunkten wurden Aufwendungen für den Unterhalt vergleichbarer Wasserläufe, die nicht im Alleineigentum des Stützpunkteigentümers stehen, aus betriebswirtschaftlichen Gründen teilweise als Grabenräumungskosten behandelt. Dabei hat sich der Bewertungsbeirat offensichtlich von dem Gedanken leiten lassen, die wasserwirtschaftliche und damit die für die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft betriebswirtschaftliche Bedeutung eines Gewässers dritter Ordnung lasse sich danach beurteilen, ob der Unterhalt des Gewässers von einem Wasser- und Bodenverband oder entsprechend § 88 NWG von den Anliegern bestritten werde. Denn die Unterhaltung von Gewässern durch Wasserund Bodenverbände umfasse nicht nur die Räumung des Gewässers, sondern auch den weiteren Ausbau.
Der Senat ist der Auffassung, daß der Bewertungsbeirat damit eine Abgrenzung getroffen hat, die nicht als sachfremd oder gar willkürlich bezeichnet werden könnte.
4. Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 BewG werden die Vergleichszahlen der Hauptbewertungsstützpunkte vom Bewertungsbeirat vorgeschlagen und durch Rechtsverordnung festgesetzt. Die Verordnung über die Vergleichszahlen der Hauptbewertungsstützpunkte der landwirtschaftlichen Nutzung ist am 30. August 1967 (BGBl I 1967, 937, BStBl I 1967, 340) ergangen. Diese Vergleichszahlen haben damit die Wirkung materiellen Rechts, an das der Senat gebunden ist. Das hat zur Folge, daß auch die diesen Vergleichszahlen zugrundeliegenden Ertragsbedingungen, die in der vom BdF herausgegebenen Liste der Hauptbewertungsstützpunkte ausgewiesen sind, für die Gerichte unanfechtbar feststehen. Denn wenn die Vergleichszahlen der Hauptbewertungsstützpunkte wegen ihres Rechtsnormcharakters durch die Gerichte nicht abgeändert werden dürfen, so ist es zwingend, daß auch die Faktoren, auf denen diese Vergleichszahlen beruhen, einer Nachprüfung und Änderung durch die Gerichte nicht zugänglich sind. Dies ist darin begründet, daß die Bodenschätzungsergebnisse, die die Grundlage für die Beurteilung der natürlichen Ertragsbedingungen der Nutzungen sind (vgl. § 50 Abs. 1 BewG), in Ertragsmeßzahlen ausgedrückt werden (vgl. Abschn. 2.02 Abs. 1 BewRL und Gürsching-Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, § 50 BewG Anm. 11). Die weiteren natürlichen und wirtschaftlichen Ertragsbedingungen werden in der Weise berücksichtigt, daß entsprechend ihrer Auswirkung auf die Ertragsfähigkeit Zurechnungen oder Abrechnungen an den Ertragsmeßzahlen vorgenommen werden (vgl. Abschn. 2.01 BewRL). Damit ist die Vergleichszahl das Ergebnis eines Berechnungsganges, bei dem die einzelnen Ertragsbedingungen der Nutzungen die Ausgangsdaten sind.
Der Wortlaut des § 39 Abs. 1 Satz 2 BewG besagt zwar nur, daß die Vergleichszahlen der Hauptbewertungsstützpunkte durch Rechtsverordnung festgesetzt werden. Aus dem Sinnzusammenhang in dem diese Vorschrift steht, ergibt sich aber, daß - entgegen der Auffassung des Klägers - auch die einzelnen Faktoren, auf denen eine Vergleichszahl für einen Hauptbewertungsstützpunkt beruht, von dem Rechtsnormcharakter der Vergleichszahl mit erfaßt werden. Dieses Ergebnis wird durch den möglichen Wortsinn des Gesetzes gedeckt. Gegen diese Regelung bestehen auch keine rechtsstaatlichen Bedenken. Denn bei der Bewertung der Hauptbewertungsstützpunkte hat der beim BdF gebildete Bewertungsbeirat, ein fachkundiges unabhängiges Gremium, mitgewirkt (vgl. § 63 f BewG), so daß die Objektivität der Bewertung gewahrt ist. Wie oben dargelegt, hat der Bewertungsbeirat für den Vorschlag der Vergleichszahlen der Hauptbewertungsstützpunkte, an die die landwirtschaftliche Nutzung des Klägers angeglichen wurde, eine sachlich zu rechtfertigende Entscheidung getroffen. Damit können auch gegen den materiellen Inhalt der Verordnung keine Bedenken erhoben werden, die ihre Wirksamkeit in Frage stellen könnten. Für die Festsetzung der Vergleichszahlen der Hauptbewertungsstützpunkte durch Verordnung spricht aber, daß eine vergleichende Bewertung, wie sie für landwirtschaftliche Nutzungen gesetzlich vorgeschrieben ist, ohne ein festes unangreifbares Netz von Bewertungsstützpunkten praktisch kaum durchgeführt werden könnte.
5. Soweit der Kläger vorträgt, die Finanzverwaltung habe nachträglich die vom Bewertungsbeirat durchgeführte Ermittlung der Vergleichszahlen für die herangezogenen Hauptbewertungsstützpunkte als fehlerhaft erkannt und bei der Bewertung von Landesbewertungsstützpunkten korrigiert, außerdem hätte für die vergleichende Bewertung auch der Hauptbewertungsstützpunkt Rastdorf herangezogen werden müssen, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen in der Revisionsinstanz, das der Senat nicht berücksichtigen kann (§ 118 Abs. 2 FGO). Im übrigen hätte eine Korrektur bei Landesbewertungsstützpunkten keine allgemein verbindliche Wirkung, so daß zu überprüfen wäre, ob sie im Hinblick auf die verbindlich festgelegten Vergleichszahlen der Hauptbewertungsstützpunkte überhaupt anerkannt werden könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 71472 |
BStBl II 1975, 687 |
BFHE 116, 183 |
BFHE 1976, 183 |