Entscheidungsstichwort (Thema)
GrESt-Recht Berlin weiterhin revisibel -- schädliche Weiterveräußerung i. S. v. § 19 Abs. 2 GrEStG 1969 Berlin
Leitsatz (NV)
1. Das frühere Grunderwerbsteuerrecht Berlin ist auch nach Aufhebung des § 160 Abs. 2 FGO durch das FGOÄndG vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2109) revisibles Recht, das der Überprüfung durch den BFH unterliegt.
2. Die Nachversteuerung des zunächst befreiten Rettungserwerbs kommt nach § 19 Abs. 2 GrEStG 1969 Berlin nur für den Fall in Betracht, daß der frühere Grundpfandgläubiger das zur Rettung seines Rechts erworbene Grundstück zu einem Preis verkauft, der ihm nicht nur den Wert seines objektiv gedeckten Grundpfandrechts, sondern darüber hinaus noch einen Mehrerlös einbringt. Prinzipiell nicht zur Nachversteuerung führt der Umstand, daß der tatsächliche Wert des Grundstücks höher ist als das Meistgebot einschließlich der Rechte, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben, und zwar so lange, wie nicht im Rahmen eines Weiterverkaufs des Grundstücks innerhalb von fünf Jahren eine Wertrealisierung durch Vermögensumschichtung erfolgt, d. h. gegen Hingabe des Eigentums an dem ersteigerten Grundstück ein Erlös (Kaufpreis) erzielt wird.
3. Eine Weiterveräußerung mit tatsächlicher Realisierung des Grundstückswerts liegt bei Einbringung des ersteigerten Grundstücks in eine Gesamthand nicht vor, weil der grundstückseinbringende Gesellschafter mit der Übertragung des Grundstücks auf die Gesamthand seine eigentumsmäßige Bindung zum Grundstück nicht aufgibt, sondern sie nur qualitativ verändert.
Normenkette
FGO § 118 Abs. 1, § 160 Abs. 2 a. F; GrEStG 1969 Berlin § 19 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine beiden Brüder erwarben im Zwangsversteigerungsverfahren ein in Berlin gelegenes Grundstück zu je 1/3 Miteigentumsanteil. Die Summe aus Meistgebot und dem Wert bestehenbleibender Rechte betrug ... DM. Antragsgemäß stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die Grunderwerbe nach § 19 Abs. 1 des früheren Grunderwerbsteuergesetzes -- GrEStG -- (1969 Berlin) von der Grunderwerbsteuer frei, weil diese der Rettung eines Grundpfandrechts dienten.
Der Kläger sowie seine Brüder übertrugen ihre Miteigentumsanteile 1 1/2 Jahre später auf eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an der sie zu je 1/3 beteiligt waren.
Die Einbringung des Grundstücks in die GbR nahm das FA zum Anlaß, die Steuer für den Erwerb im Zwangsversteigerungsverfahren nachzuerheben und setzte -- ausgehend von einem Verkehrswert des Grundstücks in Höhe von ... DM -- Grunderwerbsteuer gegen den Kläger fest.
Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos. Mit seiner anschließenden Klage vertrat der Kläger die Auffassung, der Steueranspruch sei verwirkt. Im übrigen liege in der Einbringung des Grundstücks in die GbR keine Weiterveräußerung i. S. von § 19 Abs. 2 GrEStG (1969 Berlin). Hilfsweise machte der Kläger geltend, die Anschaffungskosten hätten ... DM abzüglich einer Abfindung für Inventar in Höhe von ... DM betragen. Unter Berücksichtigung von wertverbessernden Maßnahmen zwischen dem Erwerbszeitpunkt und dem 15. Dezember 1975 sei der Verkehrswert mit dem gleichen Wert wie im Zeitpunkt der Zwangsversteigerung anzusetzen.
Das Finanzgericht (FG) hat durch Zwischenurteil nach § 99 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorab wie folgt entschieden:
"1. Ein etwaiger Nachversteuerungsanspruch des Beklagten gemäß § 19 Abs. 2 Grunderwerbsteuergesetz -- GrEStG -- 1969 ist nicht verwirkt.
2. Die Einbringung des Grundstücks ... in die zwischen dem Kläger und seinen Brüdern gegründete GbR stellt eine Weiterveräußerung im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1969 dar.
3. Zu dem Entgelt (§ 19 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1969) aufgrund der Einbringung gehören die Einräumung der Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen der GbR (Gewährung des Gesellschaftsrechts) und gegebenenfalls auch die Übernahme von Verbindlichkeiten (Grundstücksbelastungen). Dasselbe gilt bei der Berechnung des Mehrerlöses (§ 19 Abs. 2 Satz 4 GrEStG 1969). Als Bemessungsgrundlage für die Weiterveräußerung ist daher nicht vom Einheitswert auszugehen.
4. Bei der Berechnung des ,Entgelts` bzw. des ,Mehrerlöses` ist auf den Zeitpunkt der Einbringung (15. Dezember 1975) abzustellen."
Die Entscheidung durch Zwischenurteil sei hier sachdienlich, um einige Fragen zwischen den Beteiligten verbindlich zu entscheiden; denn die entschiedenen Fragen seien zwischen den Beteiligten immer noch streitig und im bisherigen Verfahrensverlauf teilweise auch vom Gericht unterschiedlich beurteilt worden. Eine zeit- und kostenaufwendige Verkehrswertermittlung durch einen Sachverständigen wäre entbehrlich, wenn die Klage auch nur in einem der entschiedenen Punkte begründet wäre.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen, weil -- soweit die Sache grundsätzliche Bedeutung habe -- eine Verletzung der Vorschriften des GrEStG (1969 Berlin) wegen Wegfalls des § 160 Abs. 2 FGO a. F. nicht mehr gerügt werden könne.
Mit seiner -- vom Senat durch Beschluß vom 13. August 1996 zugelassenen -- Revision macht der Kläger Verfahrensmängel sowie Verletzung materiellen Rechts geltend.
Nach seiner Auffassung lägen die Voraussetzungen für den Erlaß eines Zwischenurteils nach § 99 Abs. 2 FGO im Streitfall nicht vor.
Im übrigen habe das FG § 19 Abs. 2 GrEStG (1969 Berlin) hinsichtlich der Begriffe "Weiterveräußerung" und "Entgelt" fehlerhaft ausgelegt. Der Kläger habe durch die Einbringung in die Gesamthand das streitige Grundstück nicht weiterveräußert oder einen Mehrerlös erzielt. Daß durch eine spätere Abtretung der gesamthänderischen Mitberechtigung eine zusätzliche Wertschöpfung habe erreicht werden können, spiele keine Rolle.
Der Kläger beantragt, das Zwischenurteil des FG vom 11. Mai 1995 sowie den Grunderwerbsteuerbescheid vom 26. September 1979 i. d. F. der Einspruchsentscheidung vom 19. August 1989 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Steuerfestsetzung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
1. Das FG hat § 19 Abs. 2 GrEStG (1969 Berlin) fehlerhaft angewandt.
a) Entgegen der Auffassung des FG handelt es sich -- auch nach Wegfall des § 160 Abs. 2 FGO a. F. zum 1. Januar 1993 -- bei den landesrechtlichen Vorschriften des GrEStG (1969 Berlin) um revisibles Recht i. S. von § 118 Abs. 1 FGO. Mit der Aufhebung des § 160 Abs. 2 FGO a. F. ist lediglich die bundesgesetzliche Anordnung der Revisibilität des früheren GrEStG (1969 Berlin) entfallen, nicht jedoch die landesgesetzliche Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes über den Anwendungsbereich der Abgabenordnung (AOAnwG) i. d. F. vom 21. Juni 1977 (GVBl 1977, 1394), geändert durch Gesetz vom 28. November 1978 (GVBl 1978, 2208), wonach die FGO -- und damit auch die Vorschriften der FGO über die Revision -- auf alle Steuern anzuwenden ist, soweit diese durch Berliner Finanzbehörden verwaltet werden und nicht durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Gemeinschaften geregelt sind (vgl. hierzu Sack in Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1995 S. 1615, 1617). Der Senat ist somit nicht gehindert, die Anwendung des § 19 Abs. 2 GrEStG (1969 Berlin) durch das FG in materieller Hinsicht zu überprüfen.
b) Nach § 19 Abs. 2 GrEStG (1969 Berlin) ist die Steuer für einen Erwerb in der Zwangsversteigerung, der der Rettung eines Grundpfandrechts i. S. des § 19 Abs. 1 GrEStG (1969 Berlin) gedient hat, nachzuerheben, wenn der Erwerber (Meistbietender) das Grundstück innerhalb von fünf Jahren seit dem Erwerbsvorgang zu einem Entgelt weiterveräußert, das die beim Erwerbsvorgang angesetzte Gegenleistung (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 und 5 GrEStG -- 1969 Berlin --) übersteigt. Der Senat vermag der Auffassung des FG nicht zu folgen, die Einbringung des zur Rettung des Grundpfandrechts erworbenen Grundstücks in eine Gesamthand, an der der Kläger entsprechend seinem Miteigentumsanteil von 1/3 beteiligt sein sollte, stelle eine Weiterveräußerung des Grundstücks i. S. von § 19 Abs. 2 GrEStG (1969 Berlin) dar.
Diese Vorschrift ordnet ihrem Sinn und Zweck nach die Nachversteuerung des zunächst befreiten Rettungserwerbs nur für den Fall an, daß der frühere Grundpfandgläubiger das zur Rettung seines Rechts erworbene Grundstück zu einem Preis verkauft, der ihm nicht nur den Wert seines objektiv gedeckten (bei der Versteigerung ausgefallenen oder nur durch das Meistgebot dieses Grundpfandgläubigers abgedeckten) Grundpfandrechts, sondern darüber hinaus noch einen Mehrerlös einbringt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 9. Februar 1972 II R 99/70, BFHE 105, 172, 176, BStBl II 1972, 503 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung zum GrEStG 1940 in Reichssteuerblatt 1940, 387, 403). Prinzipiell nicht zur Nachversteuerung soll demnach der Umstand führen, daß der tatsächliche Wert des Grundstücks höher ist als das Meistgebot einschließlich der Rechte, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben, und zwar so lange, wie nicht im Rahmen eines Weiterverkaufs des Grundstücks innerhalb von fünf Jahren eine Wertrealisierung durch Vermögensumschichtung erfolgt, d. h. gegen Hingabe des Eigentums an dem ersteigerten Grundstück ein Erlös (Kaufpreis) erzielt wird.
Von einer Weiterveräußerung mit tatsächlicher Realisierung des Grundsstückswerts kann aber bei einem Einbringungsvorgang nicht gesprochen werden. Denn der grundstückseinbringende Gesellschafter gibt mit der Übertragung des Grundstücks auf die Gesamthand seine eigentumsmäßige Bindung zum Grundstück nicht etwa auf, sondern verändert sie nur qualitativ. Aus dem bisherigen Allein- oder ideellem Miteigentum wird mit der Einbringung gesamthänderisch gebundenes Miteigentum (vgl. § 718 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Eine Umschichtung des Vermögens unter Hingabe des Eigentums an dem Grundstück gegen Gewährung einer anderen Vermögensposition (Erlös) findet durch den Einbringungsvorgang somit nicht statt. Auch das dem Gesellschafter eingeräumte Mitgliedschaftsrecht stellt keinen Erlös für die Grundstückseinbringung in diesem Sinne dar. In ihm kann sich zwar der tatsächliche Wert des eingebrachten Grundstücks widerspiegeln, es stellt aber als solches keine Vermögensposition dar, die als Entgelt im Sinne einer Wertrealisierung angesehen werden könnte. Vielmehr wird dem Grundstückseinbringenden durch die Gesellschafterstellung die gesamthänderische Mitberechtigung an dem Grundstück gerade erst vermittelt.
Das auf einer anderen rechtlichen Beurteilung beruhende Urteil des FG ist aufzuheben.
Da das FG-Urteil bereits aus materiellen Gründen aufzuheben ist, braucht der Senat nicht mehr darüber zu befinden, ob -- wofür vieles spricht -- das Zwischenurteil des FG verfahrensfehlerhaft ergangen ist.
2. Die Sache ist spruchreif.
Da im Streitfall die Voraussetzungen, unter denen nach § 19 Abs. 2 GrEStG (1969 Berlin) die Steuer nachzuerheben ist, mangels Weiterverkaufs des Grundstücks gegen Entgelt nicht vorliegen, ist der Klage in vollem Umfang stattzugeben und der Grunderwerbsteuerbescheid i. d. F. der Einspruchsentscheidung aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 422148 |
BFH/NV 1997, 615 |