Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Ein Grundstück gehört nicht mehr zum Nachlaß (ß 3 Ziffer 3 GrEStG), wenn es von einer aus Miterben gebildeten Gesellschaft des bürgerlichen Rechts übernommen worden ist. Die nachfolgende Auflösung der Gesamthand kann deshalb nicht mehr Nachlaßteilung sein.
Der Anteil, zu dem der Erwerber des Grundstücks am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist (ß 6 GrEStG), ist nicht die wertmäßige (summenmäßige), sondern die verhältnismäßige (prozentuale) Beteiligung.
Normenkette
GrEStG § 3 Ziff. 3, § 6
Tatbestand
Die acht Erben des Vaters der beiden Pflichtigen (Beschwerdegegner - Bg. -) schlossen "zum Zwecke der endgültigen Auseinandersetzung über den Nachlaß ihres Erblassers" am 11. Dezember 1934 einen "Auseinandersetzungsvertrag". Sie übertrugen den ganzen Nachlaß mit Ausnahme von Hypotheken, über die anders verfügt wurde, auf vier Miterben (Brüder) "zu gleichen Rechten und Anteilen". Zu dem so übertragenen Nachlaß gehörten sechs auf den Namen der sämtlichen Erben in ungeteilter Erbengemeinschaft eingetragene Grundstücke. Eintragungsbewilligung und Antrag lauteten dahin, daß die vier Miterben zu gleichen Rechten und Anteilen im Grundbuch eingetragen werden sollen. Abschließend erklärten alle Beteiligten in § 7 des Vertrages:
Durch diese Auseinandersetzung sind sämtliche Ansprüche der Erben an dem Nachlaß ... ein für allemal abgefunden. Die Miterben verzichten gegenseitig auf alle Einwendungen und Anfechtungen, welcher Art sie auch sein mögen, gegenüber dieser Auseinandersetzung.
1938 wurden zwei Grundstücke verkauft und schied ein Bruder aus der Gemeinschaft aus. Ein weiterer Bruder ist 1940 verstorben.
Durch Vertrag vom 11. April 1947 lösten die beiden verbliebenen Brüder die Gesamthand auf. Sie übernahmen ein Grundstück in Bruchteilseigentum. Außerdem übernahmen der eine Bruder ein Grundstück und der andere Bruder die beiden letzten Grundstücke in Alleineigentum. Um die Grunderwerbsteuer für die übertragung dieser drei Grundstücke zu Alleineigentum geht der Streit.
Das Finanzamt erhob Grunderwerbsteuer unter Freilassung der Hundertteile, zu denen die Erwerber am Gesamthandeigentum beteiligt waren (ß 6 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG -). Der eine der beiden Brüder ist der Bg. zu 1; an die Stelle des anderen, inzwischen für tot erklärten Bruders ist die Bgin. zu 2 getreten.
Der Oberfinanzpräsident wies die Anfechtung als unbegründet zurück. Auf die nach § 25 Abs. 3 der Verordnung Nr. 175 der Militärregierung eingelegte Berufung erkannte das Finanzgericht auf Freistellung. Es versagte die Anwendung der Befreiungsvorschrift für Erbauseinandersetzungen (ß 3 Ziff. 3 GrEStG), weil der Nachlaß schon durch den Vertrag von 1934 geteilt gewesen sei, gewährte aber auf Grund des § 6 Abs. 2 GrEStG volle Steuerfreiheit, weil kein Erwerber wertmäßig mehr erworben habe, als ihm an der Gesamthand zuvor schon zugestanden habe.
Der Vorsteher des Finanzamts hat Rechtsbeschwerde (Rb.) erhoben. Er verbleibt bei seiner Auffassung, daß § 6 Abs. 2 GrEStG nur die Freilassung eines prozentualen Anteils zulasse. Die Bg. bitten um überprüfung der Entscheidung des Finanzgerichts, die Erbengemeinschaft sei bereits durch den Vertrag von 1934 aufgehoben worden, und treten in der Frage der Auslegung des § 6 Abs. 2 dem Finanzgericht bei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Hinsichtlich der Aufhebung der Erbengemeinschaft fragt es sich, ob die vier Brüder, die die Grundstücke übernommen haben, die Erbengemeinschaft fortgesetzt haben. Das Finanzgericht verneint dies auf Grund der Erwägung, der Nachlaß sei durch den Vertrag von 1934 restlos verteilt worden und die Grundstücke seien dabei auf die vier Brüder als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts übergegangen. Diese Gesellschaft sei ein ganz anderes Rechtsgebilde als die ursprüngliche Erbengemeinschaft. Bei einer Erbengemeinschaft könne jeder Miterbe über seinen Anteil frei verfügen (ß 2033 BGB) und jederzeit die Teilung des gemeinschaftlichen Vermögens verlangen (ß 2042 BGB); bei der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts sei beides nicht möglich (ß 719 BGB). Wie § 7 des Vertrages ergebe, hätten auch die Beteiligten die Auseinandersetzung als endgültig vollzogen angesehen.
Diesen Ausführungen tritt der Senat bei. Es ist nicht rechtsirrtümlich, daß das Finanzgericht in der übernahme der Grundstücke durch die vier Brüder zu gleichen Rechten und Anteilen die Begründung einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts erblickt hat. Wenn die Bg. aus der Bezeichnung der Beteiligten in dem Vertrage 1934 als Erben und Miterben Gegenteiliges herleiten, so kann dem nicht gefolgt werden. Die Bezeichnungen ergeben sich zwanglos aus der Tatsache, daß die Beteiligten den Auseinandersetzungsvertrag in ihrer Eigenschaft als Erben und Miterben schlossen. Die Bg. haben in der Rechtsbeschwerdeinstanz noch vorgebracht, Anfang 1935 sei ein Abänderungsvertrag geschlossen worden, inhalts dessen überall dort, wo im Vertrage von 1934 die Worte "zu gleichen Rechten und Anteilen" gebraucht worden seien, die Worte "zur gesamten Hand" zu treten hätten, und haben auch daraus das Fortbestehen der früheren Rechtsstellung der vier Brüder als Miterben gefolgert. Das Vorbringen der Bg. hat der Finanzvorsteher dahin ergänzt, daß die Bestimmung des § 1 des Vertrages, die Grundstücke sollten auf die vier Brüder zu gleichen Rechten und Anteilen übergehen, durch den Abänderungsvertrag aufgehoben und durch die Bestimmung ersetzt worden sei: "Die übereignung erfolgt an ... (folgen die Namen der Brüder), die eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts bilden, zur gesamten Hand." Das Finanzamt hat auch nachträglich festgestellt, daß die vier Brüder im Grundbuch als Eigentümer "in Gesellschaft" eingetragen worden sind. Wenn die Auffassung des Finanzgerichts schon auf Grund der ihm vorliegenden Unterlagen nicht zu beanstanden war, so ist nunmehr jeder Zweifel ausgeräumt. Das neue Vorbringen darf berücksichtigt werden, weil das Urteil des Finanzgerichts, wie unter 2. dargelegt, aufzuheben war.
Sind die Grundstücke von der Erbengemeinschaft auf die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts übergegangen, so ist damit aus den Gründen der Vorentscheidung die Erbengemeinschaft bereits 1934 aufgehoben worden. § 3 Ziffer 3 GrEStG ist deshalb auf die übertragungen vom Jahre 1947 nicht anzuwenden.
Was den Streit über die Auslegung des § 6 Absatz 2 GrEStG betrifft, so kann der Auffassung des Finanzgerichts, der dem Wert der Beteiligung des Erwerbers am Vermögen der Gesamthand entsprechende Wert oder Wertteil des Grundstücks habe für die Besteuerung auszuscheiden, nicht beigepflichtet werden. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift. Der Anteil, zu dem der Erwerber am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist, ist die verhältnismäßige, d. h. in einem Vomhundertsatz (z. B. 46,25 v. H.) oder in einem Bruchteil (z. B. 3/5) ausgedrückte Beteiligung. Das erhellt noch besonders aus dem Satz 2 des § 6 Absatz 2 GrEStG, nach dem beim übergang des Grundstücks in das Alleineigentum eines Gesamthänders anläßlich der Auflösung der Gesamthand die etwa vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote maßgebend ist. Das stellt auch die Begründung des Gesetzes klar. Nach der Begründung zu § 6 (Reichssteuerblatt 1940 S. 399 linke Spalte oben) ist beim übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf die an der Gesamthand beteiligten Personen grundsätzlich das Verhältnis maßgebend, in dem die Gesamthänder zur Zeit des Grundstücksübergangs am Vermögen der Gesamthand berechtigt sind, und enthält § 6 Absatz 2 für den übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand in das Alleineigentum eines Gesamthänders die dem Absatz 1 entsprechende Regelung. Ebenso ist im letzten Absatz der Begründung zu § 5 (S. 398 rechte Spalte) für § 5 und § 6 allgemein gesagt, daß für die Umwandlung von Bruchteilseigentum in Gesamthandeigentum und für die Umwandlung von Gesamthandeigentum in Bruchteilseigentum keine Steuer zu erheben ist, wenn die Beteiligten nach der Umwandlung im gleichen Verhältnis am Grundstück berechtigt sind wie vorher. Das gleiche ist in der Begründung zu § 3 Ziffer 3 (übergang von Grundstücken zur Teilung des Nachlasses) zum Ausdruck gekommen (S. 394 linke Spalte). Nach der dortigen Ausführung ist die Befreiungsvorschrift des § 3 Ziffer 3 GrEStG im Hinblick auf § 6 und § 7 an sich entbehrlich, soweit bei der Erbauseinandersetzung die Miterben die Nachlaßgrundstücke ihren Erbteilen entsprechend nach Bruchteilen oder flächenweise untereinander aufteilen; sie hat jedoch Bedeutung für die Fälle, in denen die Nachlaßgrundstücke abweichend von dem Verhältnis der Erbteile geteilt oder von einem Miterben ungeteilt übernommen werden. Ob es sich um ein oder mehrere Grundstücke handelt, kann dabei einen Unterschied nicht begründen.
Bei der Auslegung der Vorschrift durch das Finanzgericht würden in dem zu ermittelnden Wert des Anteils des Erwerbers am Vermögen der Gesamthand sämtliche Vermögensgegenstände der Gesamthand, gegebenenfalls z. B. auch Waren, Forderungen und Wertpapiere, mit ihren entsprechenden Anteilen enthalten sein. Das würde, worauf der Vorsteher des Finanzamts zutreffend hinweist, dahin führen, daß beim übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand in das Alleineigentum eines Gesamthänders volle Steuerfreiheit gewährt werden müßte, wenn der Anteil des Erwerbers an dem Warenbesitz usw. summenmäßig höher ist, als der Wert des erworbenen Grundstücks. Es würde also auch Steuerfreiheit eintreten, wenn eine Beteiligung an grundstücksfremden Werten durch die überlassung eines Grundstücks abgegolten wird. Das kann nicht er Wille des Gesetzgebers gewesen sein.
Die freistellende Vorentscheidung war hiernach wegen Rechtsirrtum aufzuheben und die Steuerforderung durch Zurückweisung der Berufung wiederherzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 407319 |
BStBl III 1952, 19 |
BFHE 1953, 45 |
BFHE 56, 45 |