Leitsatz (amtlich)
Die "Beteiligung" des Mitglieds einer Arbeitsgemeinschaft (Arge) an dieser im Sinne des § 50a Abs. 2 UStDB 1951 bemißt sich nicht nach dem auf das Mitglied entfallenden Gewinn (bzw. Verlust), sondern nach der Summe sämtlicher an das Mitglied seitens der Arge im Zusammenhang mit dem Arge-Verhältnis gezahlten Beträge einschließlich der Entgelte für Sonderleistungen.
Normenkette
UStDB 1951 § 50a
Tatbestand
Streitig ist für das Jahr 1958, ob sich die "Beteiligung" eines Arbeitsgemeinschafts-(Arge)Mitglieds an der Arge im Sinne des § 50a Abs. 2 UStDB 1951 nach dem an das Mitglied ausgeschütteten Gewinn (bzw. nach dem auf das Mitglied entfallenden Verlust) oder nach der Summe sämtlicher an das Mitglied seitens der Arge im Zusammenhang mit dem Arge-Verhältnis gezahlten Beträge - einschließlich der Entgelte für Sonderleistungen - bemißt.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) betreibt ein Baugeschäft. Sie war im Jahre 1958 federführend u. a. an zwei Argen beteiligt, von denen die eine im August 1957, die andere im Juni 1958 errichtet worden war. Durch im wesentlichen gleichlautende Arge-Verträge hatten sich die Arge-Partner verpflichtet, den Gesellschaftszweck durch entgeltliche Sonderleistungen (Leistungsaustausch) und (oder) durch Beiträge im Verhältnis ihrer Beteiligung an der Gesellschaft (Leistungsvereinigung) zu fördern. Die jeweiligen Arge-Partner waren nach den Arge-Verträgen an allen Rechten und Pflichten - insbesondere am Gewinn und Verlust, an Bürgschaften, Haftungen und Gewährleistungen - zu 50 v. H. beteiligt. Die Baumaterialien waren durch Kauf von Dritten und (oder) von den Gesellschaftern zu beschaffen, und zwar zur Erzielung des günstigsten Preises nach Abstimmung mit den Einkaufsabteilungen der Gesellschafter. Die Baugeräte waren entweder gegen Berechnung der Gerätevorhaltungskosten oder kostenlos als Gesellschafterbeitrag zur Verfügung zu stellen. Die Steuerpflichtige hat in den Kalenderjahren, die der Errichtung der beiden Argen vorangingen (1956 und 1957), Gesamtumsätze von jeweils mehr als 5 Mill. DM erzielt. Den Vereinbarungen entsprechend ist der von der einen Arge erzielte Gewinn ebenso wie der von der anderen Arge erlittene Verlust zwischen den Arge-Partnern im Verhältnis von 50 : 50 aufgeteilt worden.
Die Steuerpflichtige hatte in ihrer Umsatzsteuererklärung für 1958 ihre Beteiligung an den Argen nicht erwähnt und ihre entgeltlichen Sonderleistungen an die Argen (Lieferungen von Baumaterial, Gerätemieten, Federführungskosten, Gestellung von Polieren, Fuhrkosten, Verladekosten für Maschinen und Geräte und dergleichen) nicht mit angegeben, weil sie der Meinung war, insoweit sei die Umsatzsteuerbefreiungsvorschrift des § 50a UStDB 1951 anzuwenden. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) hatte die Steuerpflichtige für 1958 entsprechend ihrer Steuererklärung zur Umsatzsteuer veranlagt.
Auf Grund einer im Sommer 1960 bei der Steuerpflichtigen und bei den beiden Argen durchgeführten Betriebsprüfung, bei der der oben dargestellte Sachverhalt festgestellt worden war, berichtigte das FA die Umsatzsteuerveranlagungen der Steuerpflichtigen für 1955 bis 1958, indem es u. a. entsprechend den Erlassen des BdF IV A/2 - S 4015 - 9/58 vom 30. April 1958, Abschn. B 2 Abs. 3 (BStBl I 1958, 347), und IV A/2 - S 4311 - 17/59 vom 27. August 1959 (UStR 1959, 151) die von den beiden Argen an die Steuerpflichtige für ihre Sonderleistungen gezahlten Beträge dem steuerpflichtigen Umsatz hinzurechnete. Der hiergegen von der Steuerpflichtigen erhobene Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen hatte die Steuerpflichtige mit der Klage hinsichtlich der im Revisionsverfahren allein noch streitigen Rechtsfrage betreffend die Auslegung des Begriffs "Beteiligung" in § 50a Abs. 2 UStDB 1951 Erfolg. In der Vorentscheidung wird ausgeführt, nach dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift habe die "Beteiligung" der Steuerpflichtigen an den Argen jeweils nicht mehr als 50 v. H. betragen. Der Ansicht des FA, daß zur Feststellung der Beteiligung alle an die Arge-Mitglieder ausgezahlten Beträge zu berücksichtigen und in ein Verhältnis zueinander zu setzen seien, könne nicht gefolgt werden, weil eine solche Auslegung dem Begriff "Beteiligung" nicht gerecht werde. Da regelmäßig ungewiß sei, in welchem Umfange ein Arge-Mitglied Sonderleistungen an die Arge bewirken werde, sprächen auch Zweckmäßigkeitserwägungen, nämlich die Notwendigkeit fester Kalkulationsgrundlagen, gegen diese Ansicht. Unter "Beteiligung" im Sinne des § 50a Abs. 2 UStDB 1951 sei vielmehr die Beteiligung der Arge-Partner am Gewinn und Verlust der Arge zu verstehen. Diese habe unabhängig vom Ausmaß der Sonderleistungen der Arge-Partner jeweils 50 v. H. betragen. Die Rechtsprechung des Senats über den sogenannten Spitzenausgleich und über Entgelte für Sonderleistungen, die als Gewinne getarnt seien, komme im Streitfalle nicht in Betracht, weil der vorliegende Sachverhalt zur Anwendung dieser Rechtsprechung keinen Anlaß biete. Im Streitfalle hätten die Argen ihren Mitgliedern lediglich die Lieferungen und sonstigen Leistungen wie Umsätze Dritter vergütet, während der sich unter Berücksichtigung dieses Aufwandes ergebende Gewinn nach dem von vornherein bestimmten Verteilungsschlüssel 50 : 50 an jeweils beide Arge-Partner nach Beendigung der Arge ausgezahlt worden sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die Mitglieder einer Arge zur Durchführung eines von der Arge übernommenen Auftrags an diese ausführen, sind nach § 50a UStDB 1951 unter den dort genannten Voraussetzungen umsatzsteuerfrei, wenn der Arge nur Unternehmer angehören, deren Gesamtumsatz (§ 13 UStDB 1951) je 2 Mill. DM in dem dem Jahre der Errichtung der Arge vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten hat. Ist - wie im Streitfalle - an einer Arge nicht mehr als ein Unternehmer beteiligt, bei dem die zuletzt genannte Voraussetzung nicht vorliegt, so wird hierdurch die Steuerfreiheit nicht ausgeschlossen, "wenn seine Beteiligung höchstens 50 v. H. beträgt".
Der Ansicht des FG, die 50 v. H.-Grenze hinsichtlich der Beteiligung der Steuerpflichtigen an jeder der beiden Argen sei nicht überschritten worden, weil die Arge-Verträge eine Beteiligung der jeweils zwei Arge-Partner am Gewinn und Verlust der Arge von 50 v. H. vorgeschrieben hätten und dieses Verhältnis der Abrechnung der Argen mit ihren Mitgliedern zugrunde gelegt worden sei, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Annahme der Vorinstanz, unter "Beteiligung" im Sinne des § 50a Abs. 2 UStDB 1951 sei die "Beteiligung am Gewinn und Verlust" zu verstehen, hält einer Prüfung nicht stand.
Das FG hat seine Ansicht, die Berücksichtigung aller von der Arge an ihre Mitglieder ausgezahlten Beträge bei der Prüfung der 50 v. H.-Grenze werde dem Begriff "Beteiligung" nicht gerecht, nicht begründet. Seiner diesbezüglichen Ausführung fehlt daher die Überzeugungskraft. Es geht auch nicht an, die Auslegung eines im Gesetz bzw. in einer Rechtsverordnung gebrauchten Begriffes in einem bestimmten Sinne - wie es das FG tut - allein auf Zweckmäßigkeitserwägungen zu stützen.
Der Begriff "Beteiligung" ohne jeglichen Zusatz ist - entgegen der Annahme des FG - mehrdeutig und farblos. Er gehört nicht zu den speziellen Begriffen des Umsatzsteuerrechts und kommt weder im UStG 1951 noch an anderen Stellen der UStDB 1951 (außer in § 50a daselbst) vor, so daß Vergleichsmöglichkeiten mit anderen umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften fehlen. Erst in Verbindung mit anderen Begriffen, die im Steuerrecht vorkommen, (z. B. Vermögen, Gewinn und Verlust) gewinnt das Wort "Beteiligung" eine bestimmte Bedeutung. Allein schon der Umstand, daß in § 50a Abs. 2 UStDB 1951 der Ausdruck "Beteiligung am Gewinn und Verlust" nicht gewählt worden ist, was ohne weiteres möglich gewesen wäre, läßt darauf schließen, daß der Verordnungsgeber unter "Beteiligung" etwas anderes, weitergehendes versteht.
Der Begriff der "Beteiligung" spielt in der Rechtsprechung des Senats über die Unternehmereinheit eine wichtige Rolle. Das Bestehen einer Unternehmereinheit zwischen mehreren Gesellschaften setzt danach u. a. voraus, daß an jeder der Gesellschaften die Gesellschafter im gleichen Verhältnis beteiligt sind. Hier ist unter "Beteiligung" außer der Gewinn(Verlust)-beteiligung grundsätzlich auch die Kapitalbeteiligung zu verstehen (vgl. das Urteil des Senats V 162/52 S vom 8. Februar 1955, BFH 60, 294, BStBl III 1955, 113). Das FG hat sich nicht dazu geäußert, warum es bei der Frage nach dem Ausmaß der Beteiligung der Steuerpflichtigen an den Argen nicht oder nicht auch auf die Kapitalbeteiligung abgestellt hat, obwohl die Argen zu Beginn ihrer Tätigkeit, um eine Arbeitsgrundlage zu schaffen, von ihren Mitgliedern mit Kapital in der Form von Einlagen ausgestattet worden sind. Wenn das FG den Gewinn(Verlust)-verteilungsschlüssel als entscheidendes Kriterium für das Beteiligungsverhältnis ansieht, obwohl § 50a UStDB 1951 Anhaltspunkte hierfür nicht enthält, ist nicht einzusehen, warum das Kapitalbeteiligungsverhältnis ohne Bedeutung sein soll.
Die Entscheidung des Umfangs der Beteiligung eines Arge-Partners an der Arge nach dem Gewinn(Verlust)-beteiligungsverhältnis birgt die Gefahr von Manipulationen in sich. Die Arge-Partner haben es in der Hand, trotz Vereinbarung eines gleichhohen Gewinn(Verlust)-anteils einem zur Durchführung eines größeren Bauvorhabens unentbehrlichen Großunternehmer dadurch einen Anreiz zur Teilnahme an der Arge zu bieten, daß die Arge von ihm die Baumaterialien kauft und die erforderlichen Baugeräte (Kräne, Bagger, Lastfahrzeuge, Maschinen und dergleichen) mietet. Auf diese Weise kann trotz Vereinbarung eines nominellen Gewinnanteils von nicht mehr als 50 v. H. ein wesentlich höherer Teil des Gesamtgewinns auf den Großunternehmer verlagert und der Zweck der einschränkenden Bestimmungen in § 50a UStDB 1951 vereitelt werden. Die Behauptung der Steuerpflichtigen, der Arge-Partner, der an die Arge Baumaterial verkaufe und Baugeräte vermiete, tue dies nur, um der Arge zu helfen, den Nutzen aus diesen Geschäften habe nicht das Mitglied, sondern die Arge, widerspricht der Lebenserfahrung. Kaufleute schließen Geschäfte ab, um an ihnen zu verdienen, auch wenn der Vertragsgegner eine Gelegenheitsgesellschaft ist, der sie selbst angehören. Der Arge-Partner, der der Arge Baumaterial liefert und Baugeräte zur Verfügung stellt, wird in aller Regel aus diesen Geschäften auch dann einen Gewinn erzielen, wenn er keine überhöhten, sondern normale Preise verlangt.
Das FG hat dem Wort "Beteiligung" in § 50a Abs. 2 UStDB 1951 die Bedeutung von "Beteiligung am Gewinn und Verlust" beigemessen, obwohl die Vorschrift keinerlei Hinweise in dieser Richtung enthält. Viel näher liegt es, unter "Beteiligung", wenn ein einschränkender Zusatz fehlt, mindestens für das Gebiet der Umsatzsteuer, das Teilnehmen an den Umsatzgeschäften eines anderen (hier der Arge) zu verstehen. Bei dieser Auslegung sind die Arge-Mitglieder an der Arge in dem Maße beteiligt, in dem sie an der Durchführung des gemeinschaftlich übernommenen Auftrags mitwirken. Dieses Mitwirken erschöpft sich nicht in dem Tätigwerden gegenüber dem Auftraggeber, sondern bezieht sich auf alle Handlungen, die der Durchführung des Auftrags dienen. Bei einer Arge des Baugewerbes sind die Überlassung von Baumaterial und die Zurverfügungstellung von Baugerät und Arbeitskräften wesentliche Faktoren zur Verwirklichung des Gesellschaftszwecks. In dem hierfür gezahlten Preis spiegelt sich das Ausmaß der Mitwirkung des einzelnen Arge-Partners an dem Umsatz der Arge ebenso wie in dem ausgeschütteten Gewinn. Die Summe der von der Arge an das einzelne Arge-Mitglied ausgezahlten Beträge, von der das FA unter Anwendung der o. a. BdF-Erlasse ausgegangen ist, bildet daher einen zutreffenden Maßstab für die Bestimmung des Ausmaßes der Beteiligung des Arge-Mitglieds an der Arge. Zu den "ausgezahlten Beträgen" in diesem Sinne gehören alle Beträge, die das Arge-Mitglied sowohl für nichtsteuerbare Gesellschafterleistungen als auch für innerhalb oder außerhalb des Arge-Vertrages erbrachte steuerbare Leistungen erhält. Es kann keinen Unterschied ausmachen, ob die Mitwirkung in Form von unentgeltlichen Beiträgen oder in Form von entgeltlichen Sonderleistungen erbracht wird.
Allein diese Auslegung des Begriffs "Beteiligung" wird dem Zweck des § 50a UStDB 1951 gerecht. Die Vorschrift beruht auf der durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vom 18. Oktober 1957 (BGBl I 1957 S. 1743, BStBl I 1957, 506) erteilten Ermächtigung des § 18 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1951. Danach konnte u. a. eine Steuerfreiheit angeordnet werden, wenn die Anwendung des gesetzlichen Steuersatzes zu wirtschaftlich unbilligen Ergebnissen führen würde und eine Steuerpflicht dadurch entsteht, daß sich kleine und mittlere Unternehmer untereinander oder mit einem größeren Unternehmer zur Durchführung eines einzelnen Auftrages zusammenschließen, an dem sich die kleinen und mittleren Unternehmer ohne den Zusammenschluß nicht beteiligen könnten. Durch § 50a UStDB 1951 sollte eine doppelte Besteuerung - nämlich der Arge einerseits und ihrer Mitglieder andererseits - vermieden werden, wenn die Arge aus Klein- und Mittelbetrieben besteht. Diese Beschränkung mußte jedoch durch Zulassung eines Großbetriebes als Mitglied der Arge aufgelockert werden, um den bei größeren Aufträgen erforderlichen Einsatz von Großgeräten und qualifizierten Fachkräften zu ermöglichen. Um wiederum zu verhindern, daß das Großunternehmen die Geschäfte der Arge in einem unerwünschten Ausmaß an sich zieht und dadurch die Hilfe, die § 50a UStDB 1951 den Klein- und Mittelbetrieben bringen sollte, illusorisch macht, wurde die Beteiligung des Großunternehmens an den Geschäften der Arge auf 50 v. H. begrenzt. Diese Begrenzung kann - wie dargelegt - zweckdienlich und zuverlässig nicht durch einen Vergleich der Gewinn- oder (und) Vermögensbeteiligung der Arge-Mitglieder an der Arge, sondern nur durch einen Vergleich ihrer tatsächlichen Mitwirkung an den Geschäften der Arge erfolgen.
Unter Aufhebung der Vorentscheidung war daher die Klage gegen die Einspruchsentscheidung des FA vom 15. Mai 1963 abzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1971, 213 |
BFHE 1971, 166 |