Leitsatz (amtlich)
1. Rückstellungen für Beitragsrückerstattung in der Lebensversicherung können Dauerschulden sein.
2. Rückstellungen für Beitragsrückerstattung sind nicht als Dauerschulden zu erfassen, soweit sie an dem für die zugrunde liegende Einheitsbewertung des Betriebsvermögens maßgebenden Stichtag mit Gegenwerten bedeckt sind, die ähnlichen Verfügungsbeschränkungen wie die Bestände des Dekkungsstocks unterliegen, oder - wenn dies nach dem Geschäftsplan zugelassen ist - durch eine Überdeckung des Deckungsstocks bedeckt sind.
2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Begründung der Dauerschuld ist der jeweilige Bilanzstichtag, zu dem die überhobenen Beitragsteile der Rückstellung zugeführt werden.
2. Dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs sind - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - 90 v. H. des nichtbedeckten Teils der Rückstellung als Dauerschuld hinzuzurechnen.
2. Die Höhe der Bedeckung der Rückstellung für Beitragsrückerstattung ist nach versicherungsaufsichtsrechtlichen Maßtäben zu beurteilen.
Normenkette
GewStG § 12 Abs. 2 Nr. 1, § 8 Nr. 1; BewG 1934 § 62 Abs. 2; BewDV § 53 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Aktiengesellschaft; sie betreibt das Lebensversicherungsgeschäft.
Streitig ist, ob die von ihr gebildeten Rückstellungen für Beitragsrückerstattung als Verbindlichkeiten (Dauerschulden) i. S. von § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) anzusehen sind.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß die von der Klägerin gebildeten Rückstellungen für Beitragsrückerstattung nicht in vollem Umfang durch entsprechende aktive Vermögenswerte bedeckt gewesen seien. In Höhe dieser Differenz erfaßte das FA die Rückstellungen für Beitragsrückerstattung als Dauerschulden und rechnete sie in berichtigten Gewerbesteuermeßbescheiden den Einheitswerten des gewerblichen Betriebs hinzu.
Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im wesentlichen statt.
Gegen diese Entscheidung wendet sich das FA mit der Revision und rügt Verletzung formellen und sachlichen Rechts.
Die Ansicht des FG, daß die innerhalb von 12 Monaten nach dem Bilanzstichtag zurückgezahlten oder verrechneten Beiträge nicht in die Berechnung der Dauerschuld einzubeziehen seien, stehe in Widerspruch zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 8 Nr. 1 GewStG.
Da das FG das zeitliche Moment für die Annahme einer Dauerschuld nicht festgelegt habe, habe es seine Aufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) verletzt. Es habe nicht berücksichtigt, daß nach den Ausführungen der Klägerin im Klageverfahren bei Feststellung der Bilanz, etwa im Mai des auf den Bilanzstichtag folgenden Jahres, auch über die Beteiligung der Versicherten am Gewinn beschlossen werde, der aber erst im nächsten Versicherungsjahr ausgeschüttet oder verrechnet werde.
Das FG habe seine Aufklärungspflicht auch dadurch verletzt, daß es aus "Vereinfachungsgründen" den Betrag der Rückstellung für Beitragsrückerstattung nicht als Dauerschuld angesehen habe, der im Jahr nach dem Stichtag aufgelöst worden sei; aus dem Akteninhalt hätte dem FG bekannt sein müssen, daß es sich hierbei zum weitaus überwiegenden Teil um Rückstellungsbeträge gehandelt habe, die bereits zum vorletzten Bilanzstichtag gebildet worden seien.
Ferner verstoße die aus Vereinfachungsgründen getroffene Entscheidung gegen § 366 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches; mangels weiterer Anhaltspunkte sei davon auszugehen, daß die jeweils älteste Schuld habe getilgt werden sollen, um die ertragsteuerlich günstigste Lösung zu erreichen.
Das FG habe nicht geklärt, in welcher Weise die Rückstellungen für Beitragsrückerstattung in Höhe der auszuschüttenden Beträge an dem der Auszahlung vorangehenden Bilanzstichtag durch Werte im Deckungs- oder Vermögensstock bedeckt gewesen seien.
Weiterhin könne der vom FG vorgenommenen Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG i. V. m. § 53 Abs. 4 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV) vom 2. Februar 1935 (RGBl I 1935, 81, RStBl 1935, 189) nicht gefolgt werden.
Hilfsweise hätte das FG im Rahmen seiner Aufklärungspflicht auch zugunsten des FA feststellen müssen, daß nach dem Akteninhalt unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des FG eine wesentlich geringere Überdeckung des Deckungsstocks bestanden habe und sich damit der nicht bedeckte Teil der Rückstellung für Beitragsrückerstattung erhöht hätte. Insoweit hätte das FG eine Kompensation mit den Streitpunkten vornehmen müssen, in denen es die Rechtsauffassung des FA nicht geteilt habe.
Für die Bewertung der im Deckungs- bzw. Vermögensstock ausgegliederten Werte bezüglich des Ansatzes von Dauerschulden müßten die Bestimmungen zur Bildung des Deckungsstocks herangezogen werden.
Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Er vertritt im wesentlichen die Auffassung, daß die nichtbedeckten Teile der Rückstellung für Beitragsrückerstattung ihrer Natur nach Dauerschulden seien; der Umfang der Rückstellung für Beitragsrückerstattung sei nicht abwicklungstechnisch bedingt, sondern hänge von der Geschäftspolitik der Klägerin ab. Bei der Frage, ob und in welchem Umfang die Rückstellungen für Beitragsrückerstattung Dauerschuld seien, sei von den versicherungsaufsichtsrechtlichen Werten auszugehen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet; unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. ...
2. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG werden dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs die Verbindlichkeiten, die den Schuldzinsen i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG entsprechen, hinzugerechnet, soweit sie bei der Feststellung des Einheitswerts abgezogen worden sind. Verbindlichkeiten, die den Schuldzinsen i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG entsprechen, sind u. a. solche, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals (Dauerschulden) dienen.
Im Lebensversicherungsgeschäft werden Rückstellungen für Beitragsrückerstattung gebildet, soweit ein nach Abschluß einer Rechnungsperiode sich ergebender Überschuß an die Versicherungsnehmer verteilt werden soll. Sie dienen der Ansammlung nicht ausgeschütteter Gewinne, die später nach Maßgabe bestimmter Verteilungsschlüssel an die Versicherten ausgekehrt werden sollen. Rechtlich gesehen tragen sie einer am Bilanzstichtag dem Grunde nach bereits bestehenden Verpflichtung gegenüber der Gesamtzahl der berechtigten Versicherungsnehmer Rechnung (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. April 1960 I 177/58 U, BFHE 71, 168, BStBl III 1960, 311, und vom 16. Juni 1971 I R 85/69, BFHE 102, 512).
a) Diese Rückstellungen sind, sofern auch die weitere Voraussetzung der langfristigen Verpflichtung erfüllt ist, grundsätzlich als Dauerschulden zu behandeln, da ihr Gegenwert das Betriebskapital objektiv verstärkt (BFHE 71, 168, BStBl III 1960, 311).
Die Rückstellung für Beitragsrückerstattung als typische versicherungstechnische Rückstellung unterscheidet sich von anderen Rückstellungen dadurch, daß sie ihrer Entstehung und ihrem Verwendungszweck entsprechend dem Grunde und der Höhe nach feststehende Verbindlichkeiten enthält, die zunächst als "Globalverbindlichkeiten" gegenüber der Gesamtheit der überschußberechtigten Versicherungsnehmer bezeichnet werden können und erst im weiteren Verlauf der Abwicklung den Charakter individualisierbarer Einzelverbindlichkeiten annehmen (vgl. Sasse/Boetius, Wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der versicherungstechnischen Rückstellungen, in: Die versicherungstechnischen Rückstellungen im Steuerrecht, herausgegeben von Prölss, von der Thüsen und Ziegler, 1973 S. 14, 36, und Jäger/Weihmüller, Wesen und Prüfung der versicherungstechnischen Posten des Jahresabschlusses, in: Rechnungslegung und Prüfung der Versicherungsunternehmen, herausgegeben vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V., 1959 S. 79, 96, 97). Der Inhalt des in diesem Zusammenhang verwendeten Begriffs "Abwicklung" (Umrechnung der Global- in Einzelverbindlichkeiten) weicht ab von dem, wie er z. B. bei der Abwicklung von Verbindlichkeiten, die durch Verpflichtung zum Schadenersatz entstanden sind, gebraucht wird (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 1968 I 51/65, BFHE 94, 574, 577, BStBl II 1969, 266, 267). In den letztgenannten Fällen bedeutet der Begriff "Abwicklung" die Beseitigung der Unsicherheiten über die Berechtigung der Ansprüche bzw. Verbindlichkeiten. In diesem Sinne sind die Verbindlichkeiten, die der Rückstellung für Beitragsrückerstattung zugrunde liegen, bereits abgewickelt.
Im vorliegenden Fall kommt der prinzipielle Dauerschuldcharakter der Rückstellung für Beitragsrückerstattung auch darin zum Ausdruck, daß ihr Bestand von 1957 bis 1964 ständig anwuchs. Ebenso wie Kontokorrentkredite als Dauerschulden behandelt werden, wenn trotz der äußeren Form des Kontokorrentkredits ein bestimmter Mindestkredit dem Unternehmen dauernd zur Verfügung steht (vgl. BFH-Urteile vom 4. August 1977 IV R 57/74, BFHE 123, 50, BStBl II 1977, 843; vom 5. November 1980 I R 132/77, BFHE 132, 87, BStBl II 1981, 219, und vom 20. November 1980 IV R 81/77, BFHE 132, 89, BStBl II 1981, 223), muß - von anderen Fällen abgesehen - eine Rückstellung für Beitragsrückerstattung jedenfalls dann grundsätzlich als Dauerschuld erfaßt werden, wenn ihr Bestand über Jahre hinweg steigt.
b) Dagegen kommt eine Erfassung der Rückstellung für Beitragsrückerstattung als Dauerschuld nicht in Betracht, wenn die entsprechenden Gegenwerte am Bewertungsstichtag ähnlichen Verfügungsbeschränkungen wie die Bestände des Deckungsstocks unterliegen und damit eine Art "Sondervermögen" bilden (BFHE 71, 168, BStBl III 1960, 311).
aa) Das setzte nach der für die Streitjahre geltenden Rechtslage (vgl. Geschäftsbericht des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen - BAV - 1961 S. 24, 1964 S. 20 und 23) voraus, daß ein dem Deckungsstock vergleichbarer Vermögensstock gebildet war, der der Sicherung der Rückstellung für Beitragsrückerstattung dienen sollte und der den sich aus den Vorschriften des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen vom 6. Juni 1931 - VAG - (RGBl I 1931, 315) mit den einschließlich des Gesetzes vom 28. Februar 1955 (BGBl I 1955, 85) durchgeführten Änderungen, insbesondere den §§ 66, 70, 72 VAG, ergebenden Verfügungsbeschränkungen (Vermögenssperre mit Eintragung in das Vermögensstock-Verzeichnis, Unterstellung unter einen Treuhänder, Abgabe und Genehmigung der geschäftsplanmäßigen Erklärung) unterworfen war (Gutachten des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 26. November 1943 I D 1/43, RFHE 54, 29, RStBl 1944, 171; BFH-Urteile in BFHE 71, 168, BStBl III 1960, 311; vom 4. April 1963 I 3/62 U, BFHE 76, 723, BStBl III 1963, 264).
Reichten die Werte des Vermögensstocks zur vollständigen Sicherung nicht aus, so konnte die Rückstellung für Beitragsrückerstattung durch Werte des Deckungsstocks, die die Deckungsrückstellung überstiegen, gesichert werden, wenn zu den jeweiligen Stichtagen eine wirksame Erklärung vorlag, derzufolge diese Überdeckung gerade der Sicherung der Rückstellung für Beitragsrückerstattung dienen sollte (BFHE 71, 168, BStBl III 1960, 311; Geschäftsbericht des BAV 1964, S. 23, 24).
Laut geschäftsplanmäßiger Erklärung der Klägerin sollte die Überdeckung des Deckungsstocks mit zur Deckung der Rückstellung für Beitragsrückerstattung dienen und den gebildeten Sondervermögensstock ergänzen.
Nach Anrechnung dieser Überdeckung waren die Rückstellungen für Beitragsrückerstattung gemäß den Ermittlungen der Betriebsprüfung in folgender - vom FG jedoch nicht festgestellter - Höhe nicht bedeckt:
1. Januar 1957 18 Mill. DM
1. Januar 1962 45 Mill. DM
1. Januar 1963 60 Mill. DM
1. Januar 1964 75 Mill. DM
bb) Diese Beträge - ihre Richtigkeit unterstellt - konnten nicht durch eine nachträgliche Verminderung des Deckungsstock-Solls und eine nachträgliche Übertragung anderer gebundener Vermögenswerte weiter gemindert werden.
(1.) Zwar hat das BAV der Klägerin bescheinigt, daß sie in den Jahren 1957 bis 1964 die rückständigen Beiträge mit ihrem Sparanteil vom Deckungsstock-Soll hätte absetzen können und daß sie nicht verpflichtet war, die Rückstellung für Spätschäden, die Stornorückstellung, das riskierte Kapital bei der Rückstellung für Versicherungsleistungen zu Todes- und Heiratsfällen, die im Bruttobeitragsübertrag (abzüglich technisch gestundeter Beiträge) enthaltenen Verwaltungskostenaufschläge und Risikobeiträge und den verbleibenden Bruttobeitragsübertrag im Deckungsstock zu bedekken.
Aus dieser Erklärung folgt aber lediglich, daß die Klägerin nachträglich betrachtet nicht verpflichtet gewesen wäre, diese Posten im Deckungsstock zu bedecken. Tatsächlich jedoch war die Rückstellung für Beitragsrückerstattung zu den einzelnen Stichtagen durch Vermögensgegenstände in Höhe dieser Beträge nicht gesichert. Eine zu diesen Zeitpunkten wirksame Erklärung, daß diese Gegenstände gerade die Rückstellung für Beitragsrückerstattung sichern sollten, fehlte.
(2.) Das FA hat in den geänderten Gewerbesteuermeßbescheiden eine der Klägerin insoweit günstigere Auffassung vertreten, als es die beantragte Übertragung der Deckungswerte mit Ausnahme der Werte, die den Sparanteil der Bruttobeitragsüberträge (abzüglich technisch gestundeter Beiträge und abzüglich rückständiger Sparbeiträge) betrafen, zugelassen hat. Dies kann den Senat nicht hindern, die Zulässigkeit einer nachträglichen Minderung des Deckungsstock-Solls hinsichtlich aller in Frage kommenden Einzelposten zu untersuchen. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide ist unter allen in Betracht zu ziehenden Gesichtspunkten zu prüfen. Der Senat kann daher im Rahmen der streitigen Steuermeßbeträge einzelne Besteuerungsgrundlagen anders feststellen; er ist allerdings nicht befugt, die angegriffene Entscheidung zum Nachteil des Steuerpflichtigen zu ändern (vgl. BFH-Urteil vom 27. Januar 1971 I R 169/69, BFHE 101, 498, BStBl II 1971, 424; Gräber, Finanzgerichtsordnung, 1977, § 96, Rdnr. 8 B).
c) Die Ansicht des FG, daß der nichtbedeckte Teil der Rückstellung für Beitragsrückerstattung nur insoweit als Dauerschuld anzusehen sei, als in ihm nicht Beträge enthalten seien, die innerhalb von 12 Monaten nach dem Bilanzstichtag ausgezahlt oder die mit fälligen Beitragszahlungen innerhalb von 12 Monaten nach dem Bilanzstichtag verrechnet worden seien, ist abzulehnen.
aa) Wie bereits ausgeführt, umfaßt die Rückstellung für Beitragsrückerstattung die Zuweisungen aus dem Überschuß des Geschäftsjahres und die noch nicht verbrauchten Teile aus Zuweisungen in früheren Jahren. Die Ausschüttung aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung beschließen die zuständigen Organe in Übereinstimmung mit dem Dividendenplan, und zwar in Form der Barauszahlung, der Verrechnung mit Folgebeiträgen, der verzinslichen Ansammlung und der Schlußdividende oder Bonusleistung (Baer, Die Rückstellungen und die Beitragsrückerstattung in der Lebensversicherung, in: Die versicherungstechnischen Rückstellungen im Steuerrecht, a. a. O., S. 162, 172).
Im allgemeinen wird die Rückstellung für Beitragsrückerstattung nach dem sog. First-in-first-out-Prinzip aufgelöst (vgl. Schmitz, Sonderfragen der Besteuerung von Versicherungsunternehmen, in: Rechnungslegung und Prüfung der Versicherungsunternehmen, a. a. O., 1978 S. 381, 412, "ständig revolvierende Abwicklung"; Heubaum/Neubeck, Die versicherungstechnischen Posten des Rechnungsabschlusses der Lebensversicherungsunternehmen, in: wie zuvor, S. 89, 118, 119; Baer, a. a. O., S. 172). Dies geschieht insbesondere im Hinblick auf die ertragsteuerrechtliche Behandlung der Rückstellung für Beitragsrückerstattung. Bereits der RFH hatte in dem Urteil vom 23. März 1943 I 145/42 (RStBl 1943, 680) entschieden, daß die Rückstellung zur Vermögensansammlung wird, wenn ein (Kranken-) Versicherungsunternehmen auch nach Jahren keine Anstalten trifft, die Gewinnrücklage den Versicherten tatsächlich zuzuführen. Schon aufgrund dieses Urteils kann für die Streitjahre davon ausgegangen werden, daß die Versicherungsunternehmen stets die ältesten Teile der Rückstellung für Beitragsrückerstattung an die Versicherten auskehrten, um zu verhindern, daß die Rückstellung zur Vermögensansammlung wurde und dem Einkommen außerhalb der Bilanz hinzuzurechnen war.
Präzisiert wurde dieser Tatbestand durch den allerdings für die Streitjahre nicht maßgeblichen Erlaß des BMF vom 18. Dezember 1972 IV B/5 - S 2750 - 46/72 (abgedruckt in: Handbuch zur Körperschaftsteuerveranlagung 1975 S. 144), demzufolge die in der Rückstellung für Beitragsrückerstattung angesammelten Überschüsse des Unternehmens in der Lebens- und Krankenversicherung innerhalb von fünf Jahren nach dem Ende des Geschäftsjahres, in dem der Überschuß jeweils entstanden sei, zugunsten der Versicherten verwendet werden müßten. Würden die angesammelten Beiträge längere Zeit behalten, so werde die Rückstellung zur Vermögensansammlung und sei dem Einkommen außerhalb der Bilanz hinzuzurechnen (vgl. auch § 21 Abs. 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - 1977).
Im Ergebnis folgt daher bereits aus der ertragsteuerrechtlichen Interessenlage der Klägerin, daß sie die Teile der Rückstellung für Beitragsrückerstattung, die als erste der Rückstellung zugewiesen wurden, auch als erste wieder auskehrte.
bb) Allerdings hat der erkennende Senat im Urteil in BFHE 102, 512 ausgeführt, es sei denkbar, daß die Rückerstattungsbeträge innerhalb von 12 Monaten nach dem Bilanzstichtag ausgezahlt würden, soweit zu diesem Zeitpunkt in der Rückstellung für Beitragsrückerstattung des Steuerpflichtigen Beträge enthalten seien, die auf Todesfall- und Auslaufleistungen sowie auf Schlußgewinnanteile entfielen; dasselbe gelte, soweit Rückstellungsbeträge mit fälligen Beitragszahlungen innerhalb von 12 Monaten nach dem Bilanzstichtag verrechnet würden.
Im vorliegenden Fall scheidet nach dem Vortrag der Klägerin diese Möglichkeit jedoch aus. Bei der von der Klägerin gehandhabten Abwicklung der Rückstellung für Beitragsrückerstattung ist es nicht denkbar, daß die Auszahlung bzw. anderweitige Verwendung der Rückerstattungsbeträge innerhalb von 12 Monaten nach dem Bilanzstichtag vorgenommen wird. Nach dem von der Klägerin gebildeten Beispiel wird im Jahresabschluß zum 31. Dezember 1956 der Gesamtüberschuß des Jahres 1956 der Rückstellung für Beitragsrückerstattung zugeführt. Im April/Mai 1957 wird der Gewinnverwendungsbeschluß bekanntgemacht; zu diesem Zeitpunkt erwirbt der einzelne Versicherte einen auch ziffernmäßig genau bestimmten Einzelanspruch auf die ihm nach dem Gewinnverwendungsbeschluß zustehende Beitragsrückerstattung. Dieser Anspruch wird aber - nach Darstellung der Klägerin - entsprechend dem jeweiligen Beginndatum des Versicherungsvertrags frühestens fällig - und damit auch frühestens ausgezahlt oder verrechnet - nach dem 1. Januar 1958, also in jedem Fall nach Ablauf eines Zeitraumes von 12 Monaten nach dem maßgeblichen Bilanzstichtag. Daher verstärken bei dieser Auszahlungs- und Verrechnungsweise auch die der Rückstellung zum 31. Dezember 1956 zugeführten Beträge das Betriebskapital der Klägerin nicht nur vorübergehend.
d) Der Auffassung der Klägerin, daß die Jahresfrist erst mit der Fälligkeit des einzelnen Anspruches zu laufen beginne, und die sie mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Behandlung von Steuerschulden als Dauerschulden begründen will, kann nicht gefolgt werden.
Maßgeblicher Zeitpunkt der Dauerschuldbegründung ist vielmehr der jeweilige Bilanzstichtag, zu dem die überhobenen Beitragsteile der Rückstellung zugeführt werden. Von diesem Zeitpunkt an wird das Betriebskapital objektiv verstärkt. Der Zeitpunkt der Fälligkeit der Ansprüche auf Beitragsrückerstattung hat im vorliegenden Fall nur insofern Bedeutung, als den Versicherungsnehmern die Gewinnanteile zu diesem Zeitpunkt gutgebracht werden, mithin die durch Rückstellungsbildung begründete Dauerschuld erlischt. Daß Steuerschulden nicht bereits mit ihrer Entstehung zu Dauerschulden werden, sondern erst, wenn sie nicht binnen Jahresfrist nach Festsetzung getilgt worden sind, hat seine Ursache darin, daß der der Schuldaufnahme vergleichbare Zeitpunkt in diesem Falle nicht der kraft Gesetzes festgelegte Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld ist; maßgeblich ist vielmehr der Zeitpunkt, zu dem die Steuerschuld festgesetzt und damit die Zahlungsverpflichtung begründet wird (vgl. BFH-Urteile vom 11. August 1959 I 197/57 S, BFHE 69, 447, BStBl III 1959, 428; vom 23. Januar 1962 I 159/60 S, BFHE 74, 601, BStBl III 1962, 222, und Birkholz, Rückstellungen als Dauerschulden, Finanz-Rundschau - FR - 1958, 275, 278).
e) Auch die Beiträge, die zu früheren Stichtagen der Rückstellung zugeführt worden sind und binnen Jahresfrist nach dem Bilanzstichtag ausgekehrt werden, sind, soweit sie nicht bedeckt sind, entgegen der Auffassung des FG auch noch zu den der Auskehrung vorausgehenden Stichtagen als Dauerschulden zu behandeln. Eine Schuld, die einmal die Eigenschaft als Dauerschuld angenommen hat, bleibt Dauerschuld bis zum Erlöschen des Schuldverhältnisses; sie wird nicht im Jahr der Fälligkeit oder der Rückzahlung zu einer kurzfristigen Schuld (vgl. Urteil des RFH vom 17. August 1938 VI 509/38, RStBl 1938, 940; Lenski/Steinberg/Stäuber, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 5. Aufl., Lieferung 41 - November 1980 -, § 8 Nr. 1, Anm. 20).
f) Den Ausführungen des FG kann auch in bezug auf die rechnerische Ermittlung der dem Einheitswert hinzuzurechnenden Dauerschulden nicht gefolgt werden. Das Ergebnis des FG (nichtbedeckter Teil der Rückstellung minus im folgenden Jahr ausgezahlter bzw. verrechneter Beitragserstattungen minus 10 v. H. der gesamten Rückstellung für Beitragsrückerstattung) steht in Widerspruch zu den Regelungen des § 53 Abs. 4 BewDV und des § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG.
Gemäß § 62 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 - BewG 1934 - (RGBl I 1934, 1035, RStBl 1934, 1291) sind von dem Rohvermögen bei Versicherungsunternehmen versicherungstechnische Rücklagen abzuziehen, soweit sie für die Leistungen aus den laufenden Versicherungsverträgen erforderlich sind. Konkretisiert wird diese Regelung in § 53 Abs. 4 BewDV, nach dem die Rücklagen für Beitragsrückerstattungen nur mit 90 v. H. ihres Wertes abzugsfähig sind. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG sind Verbindlichkeiten dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs wieder hinzuzurechnen, soweit sie bei der Feststellung des Einheitswerts abgezogen worden sind.
Da der bedeckte Teil der Rückstellung nicht als Dauerschuld erfaßt wird, können demgemäß nur 90 v. H. des nichtbedeckten Teils der Rückstellung wieder hinzugerechnet werden. Die Auffassung des FG und der Klägerin führte hingegen dazu, daß der Hinzurechnungsbetrag (90 v. H. des nichtbedeckten Teils der Rückstellung) um 10 v. H. des bedeckten Teils der Rückstellung gemindert würde. Für eine derartige Minderung besteht jedoch kein sachlicher Grund; sie stünde insbesondere in Widerspruch zu § 53 Abs. 4 BewDV, der anordnet, daß nur 90 v. H. der gesamten Rückstellung für Beitragsrückerstattung - also des bedeckten wie auch des nichtbedeckten Teils - abzugsfähig sind. Würde man aber den Hinzurechnungsbetrag um 10 v. H. des bedeckten Teils mindern, wäre im Ergebnis der bedeckte Teil der Rückstellung in voller Höhe abgezogen worden. Besonders deutlich tritt die Unrichtigkeit dieser Ansicht hervor, wenn eine Rückstellung für Beitragsrückerstattung zu 90 v. H. bedeckt ist. In diesem Falle könnte der nichtbedeckte Teil der Rückstellung für Beitragsrückerstattung überhaupt nicht als Dauerschuld dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs hinzugerechnet werden.
g) Bei der Ermittlung der Höhe des nichtbedeckten Teils der Rückstellung für Beitragsrückerstattung ist von den sog. Anrechnungswerten auszugehen, die die Lebensversicherungsunternehmen bei der Bildung und Ergänzung des Deckungs- und Vermögensstocks anzusetzen haben (vgl. Prölss, Versicherungsaufsichtsgesetz, Kommentar, 4. Aufl., 1963, § 68 Anm. 5; vgl. auch Richtlinien zur Aufstellung und Führung des Deckungsstockverzeichnisses, I, Rundschreiben R 13/57, Veröffentlichungen des BAV 1957 S. 143, Abschn. A, abgedruckt bei Prölss, a. a. O., § 66 Anm. 6). Der Begriff der Bedeckung (Zuführung zum Deckungsstock; vgl. § 66 VAG) ist ein Begriff des Versicherungsaufsichtsrechts. Dementsprechend ist die Frage, in welcher Höhe die Rückstellung für Beitragsrückerstattung im Einzelfall durch Deckungs- und Vermögensstockwerte bedeckt ist, nach versicherungsaufsichtsrechtlichen Wertmaßstäben zu beantworten (vgl. BFHE 86, 689, BStBl III 1966, 630).
3. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da er anhand der Zahlenangaben des FG nicht beurteilen kann, in welcher Höhe die Rückstellungen für Beitragsrückerstattung bedeckt sind. Die Sache war daher an das FG zurückzuverweisen, das seiner Entscheidung - unter Beachtung des Verböserungsverbots - die unter 2. dargelegte Rechtsauffassung des Senats zugrunde zu legen haben wird (vgl. § 126 Abs. 5 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 75039 |
BStBl II 1984, 598 |
BFHE 1985, 163 |