Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuervergünstigung beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere
Leitsatz (NV)
1. Die Steuerbefreiung gemäß § 5 GrEStG 1983 kann nach Sinn und Zweck des Gesetzes nur dann gewährt werden, wenn sich das bisherige Alleineigentum auch tatsächlich am Gesamthandseigentum fortsetzen soll.
2. Dies gilt entsprechend auch für die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG 1983, denn die Begünstigung des Erwerbs von Grundstücken beim Übergang von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand beruht -- wie die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 -- auf der Erwägung, daß trotz des Rechtsträgerwechsels eine Besteuerung in dem Umfang unterbleiben soll, in dem sich die Berechtigung an dem Grundstück fortsetzt, weil die Änderung der Rechtszuständigkeit wirtschaftlich zu keiner Veränderung führt, soweit die bisherigen Gesamthänder über ihre Gesamthandsberechtigung auch weiterhin am Grundstückswert beteiligt bleiben.
3. Dementsprechend liegen im Fall des § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG 1983 die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigung u. a. dann nicht vor, wenn entsprechend einem vorgefaßten Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand die Gesamthänder ihre gesamthänderische Beteiligung völlig oder teilweise (durch Verminderung der Beteiligung) aufgegeben oder sich ihre Beteiligung durch Hinzutritt weiterer Gesamthänder verringern soll.
Normenkette
GrEStG 1983 § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 3, 1
Tatbestand
Am Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) "NN" (Altgesellschaft) waren insgesamt 18 Gesellschafter beteiligt.
Im Gesellschaftsvermögen der Altgesellschaft befand sich umfangreicher, aus insgesamt 14 Grundstücken bestehender Grundbesitz.
Im Rahmen einer Aufteilung des Vermögens der Altgesellschaft gründeten die Gesellschafter der Altgesellschaft drei neue Gesellschaften, u. a. die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), ebenfalls eine GbR. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 18. Februar 1987 waren an der Klägerin zunächst alle Gesellschafter der Altgesellschaft mit denselben Anteilen wie an der Altgesellschaft beteiligt. Gegenstand der Geschäfte der Klägerin sollte die Verwaltung u. a. der o. g. Grundstücke sein.
Durch Teilungsvertrag vom 18. Februar 1987 vereinbarten die Gesellschafter die Übertragung (Einbringung) von vier Grundstücken auf die Klägerin. Verrechnungszeitpunkt sollte der 31. Dezember 1986, 24.00 Uhr sein.
Dem "Teilungsvertrag" vom 18. Februar 1987 folgte noch am selben Tage ein Vertrag über die Abtretung von Gesellschaftsanteilen an der Klägerin. Durch diesen Abtretungsvertrag und durch einen weiteren vom 24. Februar 1987 übertrugen 15 der insgesamt 18 Gesellschafter ihre Anteile auf den Gesellschafter A, der danach 11/15 Anteile am Vermögen der Klägerin hielt, sowie auf die Gesellschafter B und C, die beide danach jeweils 2/15 Anteile am Vermögen der Klägerin hielten. Am 25. März 1987 traten D und E mit Wirkung vom 1. Januar 1987 als neue Gesellschafter der Klägerin bei. Hierdurch verringerte sich die Beteiligung des A auf 52,2 v. H., die des B auf 8,3 v. H. und die des C auf 6 v. H.
Wegen der Übertragung der o. g. Grundstücke, die in Bezirken verschiedener Finanzämter gelegen sind, stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer durch Bescheid vom 16. Mai 1990 entsprechend den Wertangaben der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin gesondert fest.
Wegen der fortbestehenden Beteiligung der Gesellschafter A, B und C an der Klägerin stellte das FA fest, daß die festgestellte Steuer in Höhe von insgesamt 29,1 v. H. nach § 6 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 unerhoben bleibe. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit dem Einspruch machte die Klägerin geltend, die Übertragung der Grundstücke sei insgesamt nach § 6 Abs. 3 GrEStG 1983 von der Grunderwerbsteuer auszunehmen. Mit Einspruchsentscheidung, die der Klägerin am 14. Mai 1991 bekanntgegeben wurde, wies das FA den Einspruch unter Erhöhung des steuerfreien Anteils von 29,1 v. H. auf 29,134 v. H. als unbegründet zurück und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Mit der nachfolgenden Klage verfolgte die Klägerin ihr Befreiungsbegehren weiter. Entgegen der Auffassung des FA verlange das Gesetz nicht, daß die jeweilige Beteiligung an der erwerbenden Gesamthand "auf Dauer" fortbestehen müsse. Die zu § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 entwickelten einschränkenden Rechtsprechungsgrundsätze seien jedenfalls auf § 6 Abs. 3 GrEStG 1983 nicht übertragbar.
Das Finanzgericht (FG) hat den Feststellungsbescheid des FA vom 16. Mai 1990 i. d. F. der Einspruchsentscheidung aufgehoben und sich der Rechtsauffassung der Klägerin angeschlossen. Seine Entscheidung ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1994, 53 veröffentlicht.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung von § 6 Abs. 3 GrEStG 1983.
Das FA beantragt, das Urteil des FG vom 25. März 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (vgl. § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Der Senat vermag der Auffassung des FG nicht zu folgen, der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer unterliegende Erwerb des Grundstücks durch die Klägerin aufgrund des Teilungsvertrages vom 18. Februar 1987 sei insgesamt gemäß § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG 1983 von der Grunderwerbsteuer ausgenommen.
Der erkennende Senat hat für die Gewährung der Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 beim Übergang eines Grundstücks von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand entschieden, daß die Steuerbefreiung nach Sinn und Zweck des Gesetzes nur dann gewährt werden könne, wenn sich das bisherige Alleineigentum auch tatsächlich am Gesamthandseigentum fortsetze, insbesondere die mit dem Eigentum am Grundstück verbundenen Chancen und Risiken, die Wertveränderungen, Erträge oder Aufwendungen den einbringenden Gesellschafter -- wenn auch nur anteilig -- als Gesamthandsberechtigten treffen. Begünstigungsfähig ist danach der Erwerb durch die Gesamthand nur in dem Ausmaß, in dem der Einbringende (Veräußerer) am Wert des Grundstücks beteiligt bleibt. Dies ist dann nicht der Fall, wenn und soweit der einbringende Gesellschafter entsprechend einem vorgefaßten Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung auf die Gesamthand seine Gesellschafterstellung auf einen anderen überträgt (vgl. Senatsurteile vom 6. Oktober 1982 II R 92/80, BFHE 137, 87, BStBl II 1983, 138; vom 20. November 1982 II R 38/78, BFHE 138, 97, BStBl II 1983, 429, und vom 16. Januar 1991 II R 38/87, BFHE 163, 246, BStBl II 1991, 374).
Diese Grundsätze gelten entsprechend für die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG 1983, denn die Begünstigung des Erwerbs von Grundstücken beim Übergang von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand, soweit die Berechtigung der Gesamthänder am gesamthänderisch gebundenen Vermögen in beiden Gesamthandsgemeinschaften übereinstimmt, beruht -- wie die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 -- auf der Erwägung, daß trotz des Rechtsträgerwechsels eine Besteuerung in dem Umfang unterbleiben soll, in dem sich die Berechtigung an dem Grundstück fortsetzt, weil die Änderung der Rechtszuständigkeit wirtschaftlich zu keiner Veränderung führt, soweit die bisherigen Gesamthänder über ihre Gesamthandsberechtigung auch weiterhin am Grundstückswert beteiligt bleiben (vgl. Senatsurteil vom 24. April 1996 II R 52/93, BFHE 180, 472, BStBl II 1996, 458).
Dementsprechend liegen im Fall des § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG 1983 die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigung u. a. dann nicht vor, wenn entsprechend einem vorgefaßten Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand die Gesamthänder ihre gesamthänderische Beteiligung völlig oder teilweise (durch Verminderung der Beteiligung) aufgeben oder sich ihre Beteiligung durch Hinzutritt weiterer Gesamthänder verringert.
Das auf anderen rechtlichen Überlegungen beruhende Urteil des FG ist aufzuheben.
2. Die Sache ist nicht spruchreif.
Das FG, welches den hier streitigen Erwerbsvorgang der Klägerin insgesamt nach § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG 1983 von der Grunderwerbsteuer ausgenommen hat, hat keine Feststellungen getroffen, die es dem Senat ermöglichten, die Höhe des vom FA angenommenen, nach § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG 1983 steuerbefreiten Anteils zu überprüfen. Der Hinweis im finanzgerichtlichen Urteil, das FA habe bei der Ermittlung des steuerfrei zu stellenden Anteils auch berücksichtigt, daß Anteile an Verwandte in gerader Linie übertragen worden seien, reicht nicht aus. Das FG wird die Verwandtschaftverhältnisse im einzelnen zu klären und ferner zu prüfen haben, inwieweit die Aufnahme der beiden weiteren Gesellschafter D und E durch Vertrag vom 25. März 1987 Einfluß auf die Beteiligungsverhältnisse und damit auf den steuerfrei zu stellenden Anteil gehabt haben. Hierzu sind auch Feststellungen dazu zu treffen, ob die Aufnahme der Neugesellschafter D und E einem bereits bei der Übertragung der Grundstücke auf die Klägerin (18. Februar 1987) bestehenden Plan der Beteiligten entsprach.
Das FG-Urteil enthält ferner keine Feststellungen, die eine Überprüfung erlaubten, ob die vom FA gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen der Höhe nach zutreffend sind. Auch dies wird das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 421560 |
BFH/NV 1996, 930 |