Entscheidungsstichwort (Thema)

Laufender Grunderwerb von Einzelpersonen nicht nach § 1 Nr. 6 GrEStWoBauG/NW steuerfrei; Voraussetzungen einer verbindlichen Zusage

 

Leitsatz (NV)

1. Die Vorschrift des § 1 Nr. 6 GrEStWoBauG / NW ist auch auf den laufenden Grunderwerb durch eine Einzelperson (Bauunternehmer) zur Weiterveräußerung nach Bebauung oder nach Baufertigstellung nicht anwendbar (Fortführung des Urteils vom 4. August 1982 II R 32/81, BFHE 136, 431, BStBl II 1982, 743).

2. Eine bindende Zusage setzt voraus, daß sich diese klar und unmißverständlich auf einen bestimmten, in Frage stehenden Steuerfall bzw. mehrere gleichgelagerte Fälle objektiv bezieht. Nicht entscheidend ist, was der Steuerpflichtige gemeint hat, aus dem Verhalten des FA für zukünftige Fälle herleiten zu können, sondern was das FA objektiv erklärt hat.

3. Wird ein Grundstück, dessen Erwerb nach § 1 Nr. 4 GrEStWoBauG / NW vorläufig von der GrESt freigestellt war, weiterveräußert, ist es für das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerbefreiung entscheidend, in welchem Zustand das Grundstück zum Gegenstand des Veräußerungsvertrages gemacht, d. h. übereignet werden sollte, insbesondere, ob sich der Steuerpflichtige gegenüber dem Erwerber des Grundstücks verpflichtet hatte, das Grundstück mit fertiggestelltem Gebäude zu übereignen. Dabei sind die vom Senat aufgestellten Grundsätze zum sog. ,,einheitlichen Vertrag" zu beachten.

 

Normenkette

GrEStWoBauG / NW § 1 Nrn. 6, 4

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) blieb am 7. Dezember 1977 im Verfahren zur Zwangsversteigerung eines aus mehreren Teilparzellen bestehenden Grundstücks mit einem Gebot von 1 300 010 DM Meistbietender. Nach den Versteigerungsbedingungen sollten Rechte nicht bestehenbleiben. Auf dem Grundstück befand sich ein erst teilweise fertiggestelltes größeres Wohngebäude. Antragsgemäß stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) den Grunderwerb des Klägers nach § 1 Nr. 4 des Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau (GrEStWoBauG (NW)) vorläufig von der Grunderwerbsteuer frei, da der Kläger versichert hatte, das Gebäude mit . . . Wohneinheiten fertigzustellen.

Durch Vertrag vom 8. Dezember 1978 veräußerte der Kläger die Grundstücke weiter. Daraufhin setzte das FA Grunderwerbsteuer einschließlich eines Zuschlags fest.

Der Kläger befaßte sich entweder in eigenem Namen und für eigene Rechnung oder als alleiniger Gesellschafter / Geschäftsführer zweier Wohnungsbaugesellschaften mit dem Erwerb und der Weiterveräußerung von unbebauten und bebauten Grundstücken. Er beantragte mit dem Einspruch zusätzlich Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 1 Nr. 6 GrEStWoBauG (NW), und zwar mit der Begründung, er habe das streitige Grundstück als Ersatzland für Grundstücke erworben, die er selbst bzw. eine seiner Grundstücksgesellschaften am 12. Mai bzw. 5. Juli 1977 veräußert habe. Darüber hinaus widerspreche die Steuerfestsetzung dem Grundsatz von Treu und Glauben. Hierzu verwies der Kläger auf ein Schreiben des FA an ihn vom 17. März 1976, in dem das FA für Grundstückserwerbe des Klägers aus den Jahren 1969 und 1970 mitgeteilt hatte, daß die im Rahmen des Geschäftsbetriebs des Klägers getätigten Grundstückserwerbe nach § 1 Nr. 6 GrEStWoBauG (NW) von der Grunderwerbsteuer befreit seien. Er, der Kläger, habe den Inhalt dieses Schreibens auch auf zukünftige Erwerbsvorgänge bezogen und dementsprechend disponiert.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat unter Hinweis auf die Senatsentscheidung vom 4. August 1982 II R 32/81 (BFHE 136, 431, BStBl II 1982, 743) die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 1 Nr. 6 GrEStWoBauG (NW) für nicht gegeben erachtet, weil diese Befreiungsvorschrift auf den laufenden Grundstückserwerb von Wohnungsbauunternehmen nicht anwendbar sei. Was für Wohnungsbauunternehmen gelte, müsse sinngemäß auch auf Bauunternehmer anwendbar sein, die gewerblich unbebautes Land erwerben und bebaute Grundstücke veräußern. Im übrigen könne sich der Kläger nicht mit Erfolg auf das Schreiben des FA vom 17. März 1976 berufen.

Mit der Revision rügt der Kläger unrichtige Anwendung des § 1 Nr. 6 GrEStWoBauG (NW). Das FG habe ferner rechtsfehlerhaft den Aussagegehalt des Schreibens des FA vom 17. März 1976 auf die Grundstückserwerbe aus den Jahren 1969 und 1970 begrenzt. Aus seinem Inhalt sowie den Umständen des Zustandekommens dieses Schreibens sei aber zu schließen, daß der Inhalt dieses Schreibens generell auch für zukünftige Fälle gelten sollte. Die Zusage sei hinsichtlich eines Dauertatbestandes erteilt worden und könne daher nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Das plötzliche Abrücken des FA vom Inhalt des Schreibens vom 17. März 1976 verstoße gegen das Willkürverbot. Die Vorinstanz habe auch ihre Aufklärungspflicht verletzt, da sie sich bei der Auslegung des Schreibens des FA vom 17. März 1976 auf einen reduzierten Sachverhalt gestützt habe und ,,etwaig gebotene weitere Tatsachenfeststellungen durch die Vernehmung der seinerzeitigen Sachgebietsleiterin des Finanzamts, seines (des Klägers) Prozeßbevollmächtigten und seiner eigenen Person" als Zeugen unterlassen habe.

Der Kläger beantragt, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 16. Januar 1979, die Einspruchsentscheidung vom 17. November 1983 sowie das Urteil des FG Köln vom . . . aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), weil der vom FG festgestellte Sachverhalt eine abschließende Beurteilung des Streitfalls in rechtlicher Hinsicht nicht zuläßt.

1. Dem FG ist darin zuzustimmen, daß der nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG - (NW) steuerbare Erwerbsvorgang des Klägers nicht nach § 1 Nr. 6 GrEStWoBauG (NW) von der Grunderwerbsteuer auszunehmen ist. Denn diese Vorschrift ist auf den laufenden Erwerb von Grundstücken durch ein Wohnungsbauunternehmen zur Weiterveräußerung nach Bebauung oder nach Baufertigstellung nicht anwendbar (vgl. BFHE 136, 431, BStBl II 1982, 743 - dieser Fall betraf einen Grunderwerb einer der Wohnungsbaugesellschaften des Klägers -). An dieser in der genannten Senatsentscheidung näher begründeten Rechtsauffassung wird unabhängig davon festgehalten, ob es sich um einen laufenden Erwerb von Grundstücken durch ein Wohnungsbauunternehmen oder - wie im Streitfall - durch eine Einzelperson (Bauunternehmer) handelt.

2. Dem FG ist ferner darin zuzustimmen, daß die Freistellung des Grunderwerbs des Klägers von der Grunderwerbsteuer auch nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützt werden kann.

Finanzbehörden sind ausnahmsweise nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, einen nach dem Gesetz entstandenen Steueranspruch geltend zu machen, wenn sie einem Steuerpflichtigen zugesagt haben, einen Sachverhalt bei der Besteuerung in einem bestimmten Sinne zu beurteilen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. März 1983 IV R 36/79, BFHE 138, 223, BStBl II 1983, 459, 462, und vom 19. März 1981 IV R 49/77, BFHE 133, 144, BStBl II 1981, 538, 541 f.). Voraussetzung für eine solche bindende Zusage ist nach den von der Rechtsprechung erarbeiteten allgemeinen Grundsätzen, daß der Steuerpflichtige einen Antrag stellt und dem FA einen bestimmten Sachverhalt unterbreitet. Die Auskunft muß von einem zuständigen Beamten erteilt werden, das FA muß die Absicht haben, sich durch die Zusage zu binden, und die Zusicherung muß für eine spätere geschäftliche Maßnahme des Steuerpflichtigen ursächlich gewesen sein (vgl. BFH-Urteil vom 4. August 1961 VI 269/60 S, BFHE 73, 813, BStBl III 1961, 562; vom 24. Januar 1979 I R 202/75, BFHE 128, 33, BStBl II 1979, 581, und vom 13. Januar 1970 I R 122/67, BFHE 98, 41, BStBl II 1970, 352). Unter diesen Voraussetzungen kann weder in dem Schreiben des FA an den Kläger vom 17. März 1976 noch aus dem sonstigen Verhalten des FA eine verbindliche Zusage in bezug auf die Beurteilung des vorliegenden Steuerfalls hergeleitet werden. Denn das Schreiben vom 17. März 1976 betrifft seinem Inhalt nach vom Kläger bereits in den Jahren 1969 und 1970 getätigte Grundstückserwerbe. Für diesen ,,speziellen Fall" sollte die ursprüngliche Rechtsauffassung des FA, die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 1 Nr. 6 GrEStWoBauG (NW) lägen nicht vor, aufgegeben werden. Dieses Schreiben enthält jedoch keinen Hinweis darauf, daß das FA auch bei zukünftigen vergleichbaren Erwerbsvorgängen des Klägers dieser Rechtsansicht folgt. Jedenfalls ist auch aus dem Tatsachenvortrag des Klägers nicht erkennbar, daß sich das FA auch für zukünftige Fälle binden wollte.

Unerheblich ist insoweit der Vortrag des Klägers, er habe gemeint, mit dem Schreiben vom 17. März 1976 habe sich das FA auch für zukünftige Fälle binden wollen; das gleiche gilt für den Hinweis, die Frage der Steuerbefreiung nach § 1 Nr. 6 GrEStWoBauG (NW) sei wiederholt Gegenstand von Verhandlungen und Besprechungen mit dem FA gewesen, sowie für die Behauptung des Klägers, die Sachgebietsleiterin des FA habe den Steuerakten und den mit ihm geführten Verhandlungen entnehmen können, daß er an einer auch zukünftig verbindlichen behördlichen Klarstellung der Rechtsfrage interessiert gewesen sei. Denn die Annahme einer bindenden Zusage des FA setzt zunächst jedenfalls voraus, daß sich diese klar und unmißverständlich auf einen bestimmten, in Frage stehenden Steuerfall bzw. mehrere gleichgelagerte Fälle objektiv bezieht. Nicht entscheidend ist, was der Kläger gemeint hat, aus dem Verhalten des FA für zukünftige Fälle herleiten zu können, sondern was das FA objektiv erklärt hat. Eine klare und unmißverständliche Zusage des FA, für zukünftige Grundstückserwerbe des Klägers Steuerbefreiung nach § 1 Nr. 6 GrEStWoBauG (NW) zu gewähren, ist objektiv jedoch in dem Schreiben des FA an den Kläger vom 17. März 1976 nicht zu erkennen. Da weitere Erklärungen des FA, die eine verbindliche Zusage darstellen könnten, vom FG nicht festgestellt und vom Kläger auch nicht behauptet wurden, konnte das FG auf die Vernehmung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers sowie der Sachgebietsleiterin in der Grunderwerbsteuerstelle des FA verzichten. Die diesbezüglich erhobene Aufklärungsrüge des Klägers greift nicht.

Die Grunderwerbsteuerforderung ist auch nicht verwirkt. Verwirkung bedeutet, daß ein Recht nicht ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit, es geltend zu machen, längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Rechtsausübung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Zeitablauf allein führt noch nicht zur Verwirkung. Hinzukommen muß ein Vertrauenstatbestand und eine Vertrauensfolge (vgl. das Senatsurteil vom 8. Oktober 1986 II R 167/84, BFHE 147, 409, 412, BStBl II 1987, 12 mit weiteren Nachweisen).

Im Streitfall fehlt es sowohl am Zeitablauf als auch an einem Vertrauenstatbestand. Denn das FA hat nach vorangegangener vorläufiger Freistellung des Grunderwerbs nach § 1 Nr. 4 GrEStWoBauG (NW) die Steuer innerhalb eines Monats nach Bekanntwerden der Weiterveräußerung des Grundstücks, worin das FA die Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks gesehen hat, festgesetzt.

Darüber hinaus fehlt es an einem Verhalten des FA, aufgrund dessen der Kläger bei objektiver Beurteilung hätte annehmen dürfen, das FA werde den Grunderwerbsteueranspruch hinsichtlich des hier streitigen Erwerbsvorgangs vom 7. Dezember 1977 nicht mehr geltend machen. Hierzu wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

Im übrigen liegt kein Verstoß des FA gegen das Willkürverbot vor. Die Steuerfestsetzung entspricht vielmehr der Verpflichtung der Finanzbehörden, die nach dem Gesetz entstandenen Steueransprüche geltend zu machen (vgl. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -; § 85 der Abgabenordnung - AO 1977 -).

3. Der vom FG festgestellte Sachverhalt läßt es jedoch nicht zu, abschließend die Frage zu prüfen, ob im Streitfall die Voraussetzungen für die vom Kläger ebenfalls beantragte Steuerbefreiung nach § 1 Nr. 4 GrEStWoBauG (NW) vorliegen. U. a. steht nämlich nicht fest, in welchem Zustand der Kläger das Grundstück weiterveräußert hat. Dabei kommt es nicht darauf an, in welchem Bauzustand sich das Gebäude im Zeitpunkt der Weiterveräußerung des Grundstücks durch den Kläger (8. Dezember 1978) befand. Vielmehr ist entscheidend, in welchem Zustand das Grundstück zum Gegenstand des Veräußerungsvertrages gemacht, d. h. vom Kläger übereignet werden sollte, insbesondere, ob sich der Kläger gegenüber dem Erwerber des Grundstücks verpflichtet hatte, das Grundstück mit fertiggestelltem Gebäude zu übereignen. Dabei sind die vom Senat aufgestellten Grundsätze zum sog. einheitlichen Vertrag zu beachten (vgl. die Senatsentscheidungen vom 21. Dezember 1981 II R 124/79, BFHE 135, 217, BStBl II 1982, 330; vom 23. Juni 1982 II R 155/80, BFHE 136, 427, BStBl II 1982, 741, und vom 11. Juli 1985 II R 106/82, BFHE 144, 169, BStBl II 1985, 593 mit weiteren Nachweisen). Zur Nachholung dieser Tatsachenfeststellungen war unter Aufhebung des Urteils die Sache an das FG zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415727

BFH/NV 1989, 595

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