Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung des FG-Urteils wegen unzureichender Darstellung des Tatbestandes
Leitsatz (NV)
Der Tatbestand des Urteils des FG muß ein klares und vollständiges Bild des Streitstoffes enthalten. Fehlt es daran, muß das Revisionsgericht diesen Mangel - auch ohne ausdrückliche Rüge - berücksichtigen (Anschluß an BFH-Urteil vom 5. September 1989 VII R 61/87).
Normenkette
FGO § 105 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Beigeladene zu 2. war - so das Finanzgericht (FG) - im Streitjahr 1976 Geschäftsführer der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer Personengesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, und habe 10 000 DM von dieser zu fordern gehabt, deren Begleichung von der Liquiditätslage der Klägerin abhängig sein sollte. Er habe der Klägerin in den Jahren vor dem streitigen Zeitraum errichtete Räumlichkeiten vermietet, dieser Darlehen gewährt und sich in nennenswertem Umfang für sie verbürgt. Bedeutung sei seitens des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) auch einer Generalvollmacht beigemessen worden, die ihm (dem Beigeladenen zu 2.) die Beigeladene zu 1. im Jahre 1971 erteilt habe und die ihm im Verlaufe der Auseinandersetzungen mit dem FA wieder entzogen worden sei. Aus dem Tatbestand des FG-Urteils ergibt sich ferner, daß das FA im Anschluß an eine Betriebsprüfung den Beigeladenen zu 2. in den Streitjahren als Mitunternehmer der Klägerin betrachtet und behandelt hat und daß der Einspruch dagegen keinen Erfolg hatte. Zwischen den Parteien sei es insoweit zu umfangreichem Schriftverkehr und Verhandlungen gekommen. In diesem Zusammenhang erwähnt das FG einen Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin an das FA vom 4. Juni 1981, den Anstellungsvertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 2. und weitere Schriftsätze der Beteiligten im Vorverfahren. Das FG erwähnt ferner, die Klägerin sei 1968 gegründet worden und hänge sowohl hinsichtlich ihrer bei Gründung gegebenen Geschäftsführungs- und Beteiligungsverhältnisse und deren Veränderung als auch hinsichtlich ihres tatsächlichen Geschäftsbetriebs eng mit der Klägerin in dem mit Urteil vom gleichen Tag entschiedenen Rechtsstreit, der Firma X-GmbH & Co. KG, zusammen. Insbesondere habe die Klägerin den Einkauf und die Anlagenfinanzierung für die X-GmbH & Co. KG übernommen.
Die Klage gegen die Einspruchsentscheidung des FA wurde abgewiesen.
Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit der Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Der Beigeladene zu 2. rügt außer einer Verletzung materiellen Rechts auch Verletzung der Vorschrift des § 105 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Das Urteil des FG entspricht nicht den Mindestanforderungen, die an den Inhalt eines Urteils gestellt werden müssen. Es fehlt an der hinreichenden Darstellung des Tatbestandes (§ 105 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 FGO). Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. September 1989 VII R 61/87 (BFHE 158, 13, BStBl II 1989, 979, m. w. N.) muß der Tatbestand eines Urteils in sich verständlich sein. Die Darstellung muß ein knapp gehaltenes, klares, vollständiges und in sich abgeschlossenes Bild des Streitstoffes in logischer Folge und unter Hervorhebung der Anträge der Beteiligten enthalten. Gibt der Tatbestand eines angefochtenen Urteils einschließlich der in Bezug genommenen Schriftstücke den zum Verständnis seines Inhalts erforderlichen Sach- und Streitstand nicht hinreichend wieder, so bildet die Entscheidung keine Grundlage für deren sachliche Nachprüfung durch das Revisionsgericht (BFH-Urteil vom 21. Januar 1981 I R 153/77, BFHE 133, 33, 35, BStBl II 1981, 517, 518). Zwar sind Verweisungen auf Schriftstücke zulässig, aber nur wegen der Einzelheiten (§ 105 Abs. 3 Satz 2 FGO). Entscheidungserhebliche tatsächliche Feststellungen können durch die Bezugnahme nicht ersetzt werden (Gräber / von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 105 Rz. 20).
Der Tatbestand des FG-Urteils erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Das FG-Urteil enthält keine tatsächlichen Feststellungen zur Mitunternehmerinitiative des Beigeladenen zu 2. Soweit das Urteil Angaben zum Mitunternehmerrisiko des Beigeladenen zu 2. enthält, reichen diese nicht aus, um die Entscheidung des FG zu begründen; insoweit tragen die tatsächlichen Feststellungen die Entscheidung nicht. Daran kann auch die Verweisung auf das Urteil in dem Verfahren der Firma X-GmbH & Co. KG nichts ändern. Denn in diesem anderen Verfahren wurde die Tätigkeit des Beigeladenen zu 2. bei der Klägerin des anderen Verfahrens festgestellt, nicht aber die Tätigkeit bei der Klägerin im Streitfall. Deshalb ist auch nicht die Rechtsprechung einschlägig (vgl. BFH-Urteile vom 21. Januar 1977 III R 125/73, BFHE 121, 284, BStBl II 1977, 396, und vom 28. März 1984 I R 117/83, BFHE 141, 206, BStBl II 1984, 666), nach der Bezugnahmen auf gleichzeitig verkündete Entscheidungen desselben Spruchkörpers zwischen denselben Beteiligten unschädlich sind.
Aufgrund der mangelhaften Darstellung des Tatbestandes des angefochtenen Urteils ist die Begründung nicht nachvollziehbar und nicht überprüfbar. Das FG-Urteil mußte deshalb aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 417691 |
BFH/NV 1992, 47 |