Leitsatz (amtlich)
1. Der Kommanditist hat nach Leistung der Kommanditeinlage einen Anspruch auf Auszahlung des ihm zustehenden Gewinnanteils, sofern sich nicht aus dem Gesellschaftsvertrag etwas anderes ergibt. Die Gutschrift des Gewinnanteils führt folglich nicht zur Erhöhung seines Kapitalanteils, sondern zum Ausweis eines Auszahlungsanspruchs, der vorbehaltlich abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag nicht mit späteren Verlusten zu verrechnen ist.
2. Die Verbuchung eines späteren Verlustanteils auf dem Konto, auf dem ein Gewinnauszahlungsanspruch ausgewiesen worden ist, ist für sich allein kein Indiz dafür, daß der Kommanditist kraft Gesellschaftsvertrages zur Rückzahlung bezogener Gewinne wegen späterer Verluste verpflichtet ist und daß die Verbuchung des Verlustanteils diese Rückzahlung bewirkt hat.
2. Der freiwillige Verzicht des Kommanditisten auf einen Gewinnauszahlungsanspruch wegen späterer Verluste unterlag vor dem 1. Januar 1972 nicht der Gesellschaftsteuer.
Normenkette
KVStG 1959 § 2 Nr. 2; BGB § 707; HGB § 120 Abs. 2, §§ 122, 167 Abs. 2-3, § 169
Tatbestand
Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), ist persönlich haftende Gesellschafterin einer GmbH & Co. KG. An der Kommanditgesellschaft sind außerdem noch zwei Kommanditisten beteiligt, die ihre Einlagen voll eingezahlt haben.
Nach § 3 des Gesellschaftsvertrages werden die Kapitalkonten der Gesellschafter als Festkonten in gleichbleibender Höhe geführt. Die Gutschrift von Gewinnen und Einlagen und die Belastung von Verlusten und Entnahmen erfolgt auf besonderen Privatkonten der Gesellschafter, "die gegenüber der Gesellschaft den Charakter von Forderungen bzw. Verbindlichkeiten haben". Entnahmen zu Lasten des Gewinnanteils sind nach § 8 des Gesellschaftsvertrages ohne Beschluß der Gesellschafterversammlung nur bis zur Höhe der Hälfte des jeweiligen Gewinnanteils zulässig. Weitere Entnahmen bedürfen der Genehmigung der Gesellschafterversammlung.
Die Kommanditgesellschaft wies 1960 und 1963 Verluste aus. Die die Kommanditisten treffenden Verlustanteile 1960 wurden buchmäßig durch Gewinnanteile 1961 und 1962 ausgeglichen, die Verlustanteile 1963 in Höhe von je 2 516,26 DM durch die vorhandenen buchmäßigen Guthaben der Kommanditisten in Höhe von je 1 456,28 DM und in Höhe von je 1 059,98 DM durch deren spätere Gewinnanteile für 1964.
Das beklagte FA sah in dem buchmäßigen Ausgleich der Verluste steuerpflichtige Leistungen der Kommanditisten zunächst i. S. des § 2 Nr. 4 Buchst. a i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 kVStG 1959 und erließ wegen des Verlustausgleichs für 1960 und wegen des Verlustausgleichs für 1963 je einen Steuerbescheid (Steuerbescheid I und II), in denen es jeweils gem. § 9 Abs. 2 KVStG 1959 den ermäßigten Steuersatz von 1 v. H. anwandte.
Die Einsprüche der Klägerin hatten keinen Erfolg. Das Finanzamt stützte die Steuerpflicht in der Einspruchsentscheidung auf § 2 Nr. 2 KVStG 1969.
Die Klage führte hinsichtlich des Steuerbescheides I (Verlustausgleich 1960) zur Aufhebung des Steuerbescheides. Hinsichtlich des Steuerbescheides II (Verlustausgleich 1963) hat das Finanzgericht die Klage als unbegründet abgewiesen.
Es hat die Auffassung vertreten, eine steuerpflichtige Leistung i. S. des § 2 Nr. 2 KVStG 1959 liege insoweit vor, als die Verlustanteile 1963 der Kommanditisten durch zu ihren Gunsten bestehende Guthaben auf den jeweiligen Privatkonten in H§ohe von je 1 456,28 DM ausgeglichen worden sind. Da das FG jedoch statt des vom FA angewandten Steuersatzes von 1 v. H. den Normalsteuersatz von 2,5 v. H. für gegeben angesehen hat, ist die Klage gegen den Steuerbescheid II trotz Ermäßigung der Steuerbemessungsgrundlage ohne Erfolg geblieben.
Das FG hat die Revision für beide Beteiligten wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Die Klägerin hat gegen das Urteil des FG insoweit Revision eingelegt, als ihre Klage abgewiesen worden ist. Das FA hat insoweit Revision eingelegt, als die Klage vor dem FG Erfolg hatte. Es hat seine Revision jedoch später wieder zurückgenommen. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung insoweit, als das FG die Klage abgewiesen hatte.
Die vom FG vertretene Auffassung, die Kommanditisten hätten Leistungen i. S. des § 2 Nr. 2 KVStG 1959 dadurch erbracht, daß die am 31. Dezember 1962 zu ihren Gunsten auf ihren Privatkonten vorhandenen Guthaben durch die Buchung der Verlustanteile 1963 "aufgezehrt" worden seien, ist nicht frei von Rechtsirrtum. Diese Auffassung wäre nur dann richtig, wenn mit der Gutschrift der Gewinnanteile auf den Privatkonten Auszahlungsansprüche der Kommanditisten entstanden wären, auf die diese aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung wegen der 1963 entstandenen Verluste verzichten mußten. Eine solche Schlußfolgerung läßt der bisher festgestellte Sachverhalt nicht zu.
Nach der gesetzlichen Regelung nehmen Kommanditisten an einem Verlust nur bis zu dem Betrage ihres Kapitalanteils und ihrer noch rückständigen Einlage teil (§ 167 Abs. 3 HGB). Zur Ergänzung der durch Verlust geminderten Einlage sind sie nicht verpflichtet (§ 161 Abs. 2, § 105 Abs. 2 HGB, § 707 BGB), auch nicht zur Rückzahlung bezogener Gewinne, zu denen auch die noch nicht erfüllten Gewinnauszahlungsansprüche (§ 169 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 HGB) gehören, wegen späterer Verluste (§ 169 Abs. 2 HGB). Das bedeutet, daß spätere Verluste die Forderungen der Kommanditisten grundsätzlich nicht beeinträchtigen, die diesen gegen die Kommanditgesellschaft zustehen. Die Verlustanteile sind vielmehr ausschließlich mit Hilfe späterer Gewinne auszugleichen (vgl. § 167 Abs. 2, § 169 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 HGB).
Daß ein derartiger Ausgleich mit Hilfe späterer Gewinne keine gesellschaftsteuerpflichtigen Leistungen der Kommanditisten beinhaltet, hat der Senat bereits entschieden (vgl. Urteile vom 29. Januar 1975 II R 90/73, BFHE 115, 142, BStBl II 1975, 414; vom 23. Juli 1975 II R 101/73, BFHE 116, 566, BStBl II 1976, 23). Da die Kommanditisten gesetzlich nicht zur Rückzahlung bezogener Gewinne verpflichtet sind (vgl. § 169 Abs. 2 HGB), beinhaltet ein (freiwilliger) Verzicht der Kommanditisten auf noch nicht erfüllte Gewinnauszahlungsansprüche aus früheren Jahren keine Leistung gem. § 2 Nr. 2 KVStG 1959 (Urteil vom 23. Juli 1975 II R 101/73). Er war vor dem 1. Januar 1972 auch nicht gem. § 2 Nr. 4 KVStG 1959 gesellschaftsteuerpflichtig. Daß § 707 BGB und § 169 Abs. 2 HGB abbedungen worden sind, wird nicht ohne weiteres anzunehmen sein.
Abweichend von § 169 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 HGB kann vereinbart werden, daß die Gewinnanteile in entsprechender Anwendung des § 120 Abs. 2 HGB dem Kapitalanteil der Kommanditisten gutgeschrieben werden. Auf diese Weise erhöht sich zwar der Kapitalanteil, nicht jedoch die Hafteinlage der Kommanditisten. Es kann weiter vereinbart werden, daß die Kommanditisten allgemein oder nur unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt sind, den Gewinnanteil, der dem Kapital gutgeschrieben wird, ganz oder teilweise zu entnehmen (in analoger Anwendung des § 122 Abs. 1 HGB). In diesem Falle entsteht ein individualisierter Auszahlungsanspruch des jeweiligen Kommanditisten erst in dem Augenblick, in dem er die Entnahme tätigt, frühestens jedoch mit der Geltendmachung eines entsprechenden Entnahmeanspruches. Denkbar ist schließlich auch eine Vereinbarung, wonach ein Teil des Gewinnanteils dem Kapitalanteil zugeschrieben wird, ein anderer Teil aber auszuzahlen und demgemäß einem Schuldkonto der Kommanditgesellschaft gutzuschreiben ist.
Soweit hiernach Gewinnanteile der Kommanditisten ihrem Kapitalanteil - wenn auch auf einem besonderen Kapitalkonto - zuzuschreiben sind, bleiben die Gewinnanteile im gesamthänderischen Bereich. Sie führen zu keinen Forderungen der Kommanditisten, auf die diese aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung oder freiwillig verzichten könnten.
Werden die vorstehenden Ausführungen auf den vorliegenden Fall bezogen, so spricht trotz des scheinbar eindeutigen Wortlauts des § 3 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages, wonach die auf den Privatkonten gebuchten Gewinne, Verluste, Einlagen und Entnahmen gegenüber der Gesellschaft den Charakter von Forderungen und Verpflichtungen haben, wenig für die Annahme, daß die Gesellschafter verpflichtet sein sollten, etwaige Verlustanteile durch zusätzliche Einlagen auszugleichen. Eine solche Verpflichtung würde bedeuten, daß die Gesellschafter jeden Verlust (möge er auch noch so hoch sein) auszugleichen hätten. Es bliebe unerfindlich, warum die Gesellschafter sich in einem solchen Falle der Gesellschaftsform einer Kommanditgesellschaft bedienten.
Möglicherweise trifft die Überlegung des FG zu, daß durch § 3 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages zum Ausdruck gebracht werden sollte, beim Ausscheiden eines Gesellschafters oder bei der Auflösung der Gesellschaft seien zunächst die Privatkonten auszugleichen, bevor auf der Grundlage der festen Kapitalkonten unter Berücksichtigung etwaiger stiller Reserven die Abfindung bzw. das Auseinandersetzungsguthaben zu ermitteln sei. Hierfür scheint auch § 15 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages zu sprechen, in dem die Aufrechnung eines Abfindungsguthabens mit einem negativen Privatkonto geregelt wird.
Läßt § 3 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages trotz seines Wortlautes nicht die Annahme zu, daß durch die Buchung von Verlusten auf den Privatkonten Forderungen der Kommanditgesellschaft entstehen, kann auch nicht ohne weiteres angenommen werden, daß die Buchung von Gewinnen Forderungen der Gesellschafter entstehen läßt. Das FG meint, daß insoweit die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Behandlung der Gewinnanteile nicht abbedungen worden seien. Dabei hat es übersehen, daß § 3 Nr. 3 für alle Gesellschafter - auch für die Klägerin als persönlich haftende Gesellschafterin - gilt. Die Gewinnanteile der persönlich haftenden Gesellschafterin aber sind nach dem Gesetz ihrem Kapitalanteil zuzuschreiben (§ 120 Abs. 2 HGB). Sollten die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs, wie das FG meint, insoweit nicht abbedungen worden sein, müßte der auf dem Privatkonto der Klägerin gutgeschriebene Gewinn ihren Kapitalanteil erhöhen, der den Kommanditisten gutgeschriebene Gewinn aber zu einem Auszahlungsanspruch führen und dies bei einer übereinstimmenden Regelung über die Führung der Privatkonten aller Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag.
Wollte das FG annehmen, daß die Gutschrift der Gewinnanteile aller Gesellschafter zu Auszahlungsansprüchen führte, hätte es darlegen müssen, warum dies entgegen der gesetzlichen Regel des § 120 Abs. 2 HGB auch hinsichtlich des Gewinnanteils der Klägerin der Fall sein sollte. Es hätte vor allem klären müssen, warum der Gesellschaftsvertrag nicht von der Auszahlung der Gewinne (wie § 169 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 HGB), sondern von der Entnahme zu Lasten des Gewinnanteils spricht. Da das FG dem Wortlaut des § 3 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages hinsichtlich der Debetsalden keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat, hätte es die Frage prüfen müssen, ob nicht etwa die Abmachung, daß über die Privatkonten die Gewinne, Verluste, Einlagen und Entnahmen zu buchen sind, zu der Annahme führen müßte, daß auch für die Kommanditisten hinsichtlich ihrer Gewinnanteile eine dem § 120 Abs. 2 HGB entsprechende Regelung gewollt war. In diesem Falle aber führt die Gutschrift von Gewinnen zur Erhöhung des Kapitalanteils der Kommanditisten, wenn auch nicht zur Erhöhung ihrer Hafteinlage. Die Ausführungen des FG, daß im allgemeinen die Erhöhung der Kommanditeinlagen ausdrücklich beschlossen werde, trifft zwar für die Hafteinlage zu. Die bedungene Einlage aber kann beweglich gehalten werden. Dies gilt vor allem dann, wenn die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag die Regelung des § 120 Abs. 2 HGB für die Kommanditgesellschaft übernommen haben.
Sollte das FG bei erneuter Prüfung wiederum zu dem Ergebnis gelangen, daß mit der Gutschrift der Gewinne Gewinnauszahlungsansprüche der Kommanditisten entstanden sind, so könnte dieses Ergebnis ohne weiteres nur für den entnahmefähigen Teil der Gewinnanteile gelten. Nichtentnahmefähige Gewinnanteile erhöhen grundsätzlich den Kapitalanteil der Kommanditisten, solange noch keine Beschlüsse über die Auszahlung dieser Gewinnanteile gefaßt worden sind. Es liegt entgegen der Annahme des FG keine Stundung vor. Der Gewinnauszahlungsanspruch entsteht in diesem Falle regelmäßig erst mit der Genehmigung der Entnahme durch die Gesellschaft.
Nicht zu erkennen ist bisher, warum - bei Vorliegen entsprechender Auszahlungsansprüche - in der Verbuchung der Verlustanteile auf den Privatkonten mit Kreditsaldo in Höhe des Saldos die Erfüllung einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung gesehen werden soll. Daß durch die Verbuchung der Verlustanteile insoweit die Guthaben der Kommanditisten "aufgezehrt" werden, bedeutet zunächst nichts weiter, als daß das Konto ausgeglichen worden ist. Eine bloße Buchung beinhaltet aber allein noch keine Leistung (vgl. Urteil vom 25. Mai 1971 II R 38/70, BFHE 103, 355, BStBl II 1971, 786). Es muß vielmehr eine Forderung der Kommanditisten bestanden haben und diese muß in Erfüllung einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung zum Verzicht auf diese Forderung bei späteren Verlusten erloschen sein. Hierüber enthält das angefochtene Urteil jedoch keine ausreichenden Feststellungen. Das FG hätte erörtern müssen, woraus sich ergibt, daß der § 169 Abs. 2 HGB dahin abbedungen worden ist, daß die Kommanditisten verpflichtet sind, bezogene Gewinne bei späteren Verlusten insoweit zurückzuzahlen, als sie von den Kommanditisten noch nicht abgehoben worden sind.
Dafür, daß die Gesellschafterversammlung bei Genehmigung der Bilanz auf den 31. Dezember 1964 etwa einstimmig den Gesellschaftsvertrag in dieser Richtung geändert haben sollte (vgl. hierzu § 6 Nr. 3 Buchst. a des Gesellschaftsvertrages), liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Auch wenn ein auf den Privatkonten gebuchter Gewinnauszahlungsanspruch durch einen Verlustanteil buchmäßig ausgeglichen wird, kann einerseits der Gewinnauszahlungsanspruch fortbestehen, während andererseits der gebuchte Verlust den Kapitalanteil berichtigt.
Das FG wird nunmehr erneut prüfen müssen, welche konkreten Vereinbarungen die Gesellschafter hinsichtlich der Behandlung von Verlusten und Gewinnen getroffen haben. Soweit erforderlich, wird es angesichts des nicht ausreichend deutlichen Vertragstextes auch den Vertragswillen der Gesellschafter zu ermitteln haben.
Fundstellen
Haufe-Index 71975 |
BStBl II 1976, 715 |
BFHE 1977, 511 |