Leitsatz (amtlich)

Der Sonderausgabenpauschbetrag nach § 10c Nr. 1 EStG steht einem Arbeitnehmer auch dann zu, wenn seine Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit nach Berücksichtigung des Weihnachtsfreibetrags niedriger sind als der Arbeitnehmerfreibetrag.

 

Normenkette

EStG § 10c Nr. 1, § 19 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der Arbeitnehmer ist, wurde im Streitjahr mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Dabei erklärten die Eheleute Einnahmen der Ehefrau aus einer Aushilfstätigkeit während fünf Tagen bei der Firma V. in A. von 162 DM. Als Sonderausgaben nahmen sie den doppelten Pauschbetrag nach § 10c Nr. 1 EStG in Anspruch. Bei der Veranlagung behandelte der Beklagte und Revisionskläger (FA) die Einnahmen der Ehefrau als sonstige Einkünfte im Sinne von § 22 Nr. 3 EStG, weil die gelegentliche Aushilfe für einzelne Tage oder Stunden nicht als ernsthaftes Arbeitsverhältnis, sondern als Gefälligkeit anzusehen sei. Die Ehefrau habe keine steuerpflichtigen Einnahmen erzielt; denn die Vergütung von 162 DM liege unter dem Freibetrag des § 22 Nr. 3 EStG. Entsprechend setzte das FA als Sonderausgaben nur den einfachen Pauschbetrag von 936 DM gemäß § 10c Nr. 1 EStG an. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.

Das FG entsprach dem Klageantrag und setzte die Einkommensteuer 1968 unter Gewährung eines zweiten Sonderausgabenpauschbetrags von 936 DM fest. Die Aushilfstätigkeit der Ehefrau des Klägers sei als nichtselbständige Tätigkeit im Sinne von § 19 EStG anzusehen. Sie sei in den Betrieb eingegliedert und weisungsgebunden gewesen. Auch eine kurzfristige Tätigkeit könne nichtselbständig sein. In diesen Fällen komme es vorwiegend auf die Art der Beschäftigung an. Die Ehefrau des Klägers sei nach der Auskunft des Betriebsinhabers ausschließlich in den Geschäftsräumen tätig gewesen. Sie habe ihren Arbeitseinsatz nicht frei bestimmen können. Wenn sie als erfahrene Kraft auch ohne Einzelanweisungen habe tätig sein können, so berühre das nicht ihre grundsätzliche Bindung an die Anordnungen des Herrn V. Das gelte auch für die Zeit, in der sie allein im Geschäft gearbeitet habe. Sie habe kein Unternehmerrisiko getragen, sondern allenfalls eine Vertrauensstellung innegehabt. Dem stände auch nicht entgegen, daß die Ehefrau des Klägers die Aushilfstätigkeit wegen ihrer Verbundenheit mit dem Betrieb übernommen habe. Für die Gewährung des doppelten Pauschbetrags sei nicht die Höhe der Einkünfte entscheidend. Es könne dahinstehen, ob der Pauschbetrag auch dann gewährt werden könne, wenn die Einnahmen aus einem Arbeitsverhältnis durch den Weihnachtsfreibetrag nach § 3 Nr. 17 EStG aufgezehrt würden; denn die Ehefrau des Klägers habe höhere Einnahmen gehabt. Es sei unerheblich, ob auch der Arbeitnehmerfreibetrag zu steuerfreien Einkünften führe oder ob es sich bei § 19 Abs. 2 EStG um eine Tarifvergünstigung handele. Die §§ 19 Abs. 2, 10c Nr. 1 EStG ließen nach ihrem Wortlaut die Auslegung zu, daß die Verdoppelung des Sonderausgabenpauschales gewährt werden könne, weil die Minderung der Einnahmen durch den Arbeitnehmerfreibetrag zunächst Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit voraussetze. Nur diese Auslegung entspreche im übrigen § 7a Abs. 2 Nr. 4 und 5 JAV.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung der §§ 10 c, 19 Abs. 2 EStG. Auch bis zur Höhe des Arbeitnehmerfreibetrags seien steuerfreie Bezüge des Arbeitnehmers anzunehmen. § 19 Abs. 2 EStG bilde neben § 3 EStG die gesetzliche Grundlage für steuerfreie Einnahmen. § 7a Abs. 2 Nr. 4 und § 5 JAV ständen daher im Widerspruch zu der gesetzlichen Regelung. Nach dem Wortlaut des § 10c Nr. 1 EStG müßten in den Einkünften des Steuerpflichtigen Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit enthalten sein. Es genüge danach nicht, wenn die Ehefrau des Klägers steuerfreie Einnahmen gehabt habe. Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat die von ihm festgestellten Tatsachen zutreffend dahin gewürdigt, daß die Ehefrau des Klägers Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit im Streitjahr erzielt hat. Unabhängig von der Dauer des Vertragsverhältnisses war es dabei vor allem von Bedeutung, ob die Ehefrau des Klägers während der Beschäftigung in dem Betrieb V. "als frei oder als unfrei anzusehen" war (Urteil des BFH vom 6. November 1970 VI 385/65, BFHE 100, 320, BStBl II 1971, 22). Das hat das FG bei seiner Entscheidung zutreffend gewürdigt.

Nach § 10c Nr. 1 EStG ist dann, wenn in den Einkünften des Steuerpflichtigen Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit enthalten sind, ein Pauschbetrag von 936 DM bei der Ermittlung des Einkommens abzuziehen, wenn nicht höhere Sonderausgaben nachgewiesen werden. Grundsätzlich ist bei zusammenveranlagten Ehegatten jedem der Pauschbetrag nach § 10c Nr. 1 EStG zu gewähren, wenn beide Ehegatten Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit haben. Für die im Streitfall zu treffende Entscheidung kommt es also darauf an, ob der Arbeitnehmerfreibetrag des § 19 Abs. 2 EStG zu steuerfreien Einnahmen bis zu 240 DM führt. Der Senat hat diese Frage bereits in seinem Urteil vom 14. Januar 1972 VI R 30/69 (BFHE 104, 345, BStBl II 1972, 341) angesprochen, mit der allerdings nur über die Versagung des Abzugs des Sonderausgabenpauschbetrags entschieden wurde, wenn die Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit im Kalenderjahr den Weihnachtsfreibetrag nicht übersteigen. Der Weihnachtsfreibetrag unterscheidet sich aber von dem Arbeitnehmerfreibetrag; denn § 19 Abs. 2 EStG läßt nicht schon die Einnahmen als solche bis zu einem Betrag von 240 DM außer Ansatz, sondern der Freibetrag ist erst "bei der Ermittlung der Einkünfte", wenn auch "vor Abzug der Werbungskosten" zu berücksichtigen. Verbleiben nach Berücksichtigung des Weihnachtsfreibetrages noch Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, so ist davon der Arbeitnehmerfreibetrag abzusetzen. Selbst wenn die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit vor Abzug des Arbeitnehmerfreibetrags nicht höher sind als 240 DM, hat der Steuerpflichtige immerhin Einnahmen im Sinne von § 19 EStG. Das reicht zur Zubilligung des Sonderausgabenpauschbetrags nach § 10c Nr. 1 EStG aus. Daß diese Einnahmen durch den Abzug des Arbeitnehmerfreibetrags aufgezehrt werden, ist dabei ohne Bedeutung.

Da es für die Gewährung des Sonderausgabenpauschbetrags nach § 10c Nr. 1 EStG gleichgültig ist, ob der Steuerpflichtige einen Überschuß bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit erzielt hat (Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 10. Aufl., § 10c Anm. 4), ist es auch nicht entscheidend, daß in den Einkünften der zusammenveranlagten Eheleute aus nichtselbständiger Arbeit keine solchen der Ehefrau enthalten sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70590

BStBl II 1973, 818

BFHE 1974, 269

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