Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuerbefreiung bei Erwerb von Grundstücken zur Schaffung von Wasserstraßen

 

Leitsatz (NV)

§ 5 Abs. 1 GrEStG Rheinland-Pfalz betraf nicht den Erwerb von Grundstücken zur Schaffung von Wasserstraßen, sondern nur den von Landstraßen.

 

Normenkette

GrEStG 1970 Rheinland-Pfalz § 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb durch notariell beurkundeten Vertrag vom . . . ein Grundstück in Größe von . . . Ar zur Erweiterung eines als sog. Stichhafen ausgebildeten Binnenhafens.

Die Beteiligten streiten darüber, ob dieser Erwerbsvorgang als ,,Erwerb eines Grundstücks zur Schaffung und Erweiterung von öffentlichen Straßen" gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 des damals in Rheinland-Pfalz geltenden Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) von der Besteuerung ausgenommen ist.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) hat die Auffassung vertreten, ,,öffentliche Straßen" im Sinne dieser Vorschrift seien nur die dem allgemeinen Verkehr auf dem festen Land dienenden Wege.

Das Finanzgericht (FG) hat nach erfolglos gebliebenem Einspruchsverfahren die Steuerfestsetzung aufgehoben und die Voraussetzungen für die Befreiungsvorschrift für gegeben angesehen. Der Begriff der ,,öffentlichen Straße" umfasse auch die ,,Wasserstraßen", da diese gleichartige und gleichwertige wirtschaftliche Aufgaben zu erfüllen hätten. Auch wenn hinter der Uferlinie künstlich angelegte sog. Stichhäfen nach den Regelungen des Bundeswasserstraßengesetzes (BWaStrG) kein Teil der Wasserstraßen seien, reiche es für die Hinzurechnung zur begünstigten Verkehrsfläche aus, daß in diesen Häfen ein ,,allgemeiner" und damit ,,öffentlicher" Verkehr herrsche.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1970 RP. Bei der Hafenanlage handle es sich weder um eine ,,Straße" im Sinne dieser Vorschrift noch sei dieser Hafen ,,öffentlich", weil nur bestimmte Schiffe in den Hafen einlaufen dürften. Schließlich fehle es auch an der unmittelbaren Verwendung des Grundstücks zu dem steuerbegünstigten Zweck, da der Stichhafen nicht zur ,,Bundeswasserstraße" gehöre.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung des § 5 Abs. 1 GrEStG 1970 RP.

Ob der neugeschaffene Stichhafen eine öffentliche Wasserstraße ist, kann offenbleiben. Denn die genannte Vorschrift betraf jedenfalls nicht den Erwerb von Grundstücken zur Schaffung von Wasserstraßen, sondern nur den von Landstraßen.

Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes. Die öffentlichen Straßen werden in der genannten Vorschrift im Zusammenhang mit öffentlichen Plätzen, öffentlichen Erholungs-, Wald- und sonstigen Grünanlagen genannt. Unter Plätzen und Grünanlagen sowie Waldanlagen sind nur Einrichtungen auf dem festen Land zu verstehen.

Aus der Begründung des Gesetzes ergibt sich nichts anderes. Die schon in § 8 Nr. 10 GrEStG 1919/1927 enthaltene Steuerbefreiung für den Grunderwerb zur Schaffung öffentlicher Straßen sollte die Gemeinden bei der Anlegung von Landverkehrswegen steuerlich entlasten, wie der Reichsfinanzhof (RFH) aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift geschlossen hat (vgl. das Urteil vom 30. September 1921 II A 327/21, RFHE 7, 9). Das GrEStG 1940 und GrEStG RP haben diese Steuerbefreiung übernommen, ohne daß aus den Begründungen dieser Gesetze eine Ausdehnung auf den Grunderwerb für Wasserstraßen ersichtlich wäre. Diese Ausdehnung ergibt sich entgegen dem Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung auch nicht zwanglos dadurch, daß man - wie der Kläger meint - unter Straßen jetzt auch Wasserstraßen verstehe. Denn die gesetzgeberischen Motive, welche für die Steuerbefreiung des Grunderwerbs für Landverkehrswege maßgebend waren, gelten nicht zwanglos auch für den Grunderwerb zur Schaffung und Erweiterung von Wasserstraßen und Häfen. Letztere sind weit seltener als Landverkehrswege, so daß ihre Anlegung auch weniger mit Grunderwerbsteuer belastet ist als die Schaffung von Landverkehrswegen. Schon diese geringere steuerliche Belastung rechtfertigt eine unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung. Dementsprechend begünstigte das GrEStG RP nicht unterschiedslos und allgemein den Erwerb sämtlicher Grundstücke, die für öffentliche Zwecke benötigt wurden.

2. Da die Revision begründet ist, war das angefochtene FG-Urteil einschließlich der Kostenentscheidung aufzuheben (vgl. § 155 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 564 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung). Die Rechtssache ist im übrigen spruchreif, so daß der Senat in der Sache selbst entscheiden konnte.

Die Klage ist abzuweisen. Sie ist unbegründet.

Das FA hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1970 RP verneint und die Steuer für den streitigen Erwerbsvorgang nach der zutreffend ermittelten und im übrigen vom Kläger auch nicht beanstandeten Gegenleistung von . . . DM festgesetzt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415779

BFH/NV 1989, 391

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