Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Nutzungsvorbehalt bei vorweggenommener Erbfolge
Leitsatz (NV)
Behält sich bei vorweggenommener Erbfolgeregelung der Übertragende einen Teil des übertragenen Vermögens zur Nutzung zurück, so stellt dies keine Gegenleistung dar, auch wenn die Einräumung des Nutzungsrechts durch den Übernehmer als Gegenleistung bezeichnet wird. Dies gilt auch dann, wenn die zur Nutzung überlassenen Räume erst zu Wohnzwecken umgestaltet werden müssen.
Normenkette
EStG §§ 7b, 21 Abs. 2; FGO §§ 123, 68
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1984 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin erhielt mit notariell beurkundetem Übertragungsvertrag vom 15. November 1983 von ihrem Vater ein Einfamilienhausgrundstück übertragen. Die Beteiligten vereinbarten folgende Gegenleistungen der Klägerin: Sie gewährte ihren Eltern als Gesamtberechtigten ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsrecht an allen Räumen im Obergeschoß des übertragenen Hauses, bestehend aus Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche und Bad. Das Wohnungsrecht sollte dinglich gesichert werden. Außerdem verpflichtete sie sich, am Grundstück hypothekarisch gesicherte Forderungen von noch . . . DM mit Zinsen und Nebenleistungen zu befriedigen und übernahm eine Grundschuld in dinglicher Haftung. Zins und Tilgungsleistungen für diese Grundschuld hatten die Eltern der Klägerin zu tragen. Die Klägerin hatte schließlich an ihre beiden Geschwister unter Anrechnung auf deren spätere Erb- und Pflichtteilsansprüche jeweils . . . DM bis 31. Dezember 1991 zu zahlen. Diese Beträge sollten nicht verzinst werden. Besitz, Nutzungen, Gefahr und Lasten gingen am 15. Dezember 1983 auf die Klägerin über.
Die Kläger nutzten das Haus selbst. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1984 machten sie bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ging von einem unentgeltlichen Erwerb durch die Klägerin aus und gewährte bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 a EStG die geltend gemachten Absetzungen nach § 7 b EStG nicht. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit der Klage gaben die Kläger die Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks mit . . . DM an (Wohnrecht, Darlehensübernahme, Auszahlung an Geschwister abgezinst, Herstellungskosten 1984 und 1985). Sie trugen dazu vor, die im Obergeschoß befindlichen Räumlichkeiten hätten völlig umgestaltet werden müssen; Bad und Küche seien erst installiert worden. Auch das Dachobergeschoß sei im Zuge der Umbaumaßnahmen zu Wohnraum umgestaltet worden. Für diese Baumaßnahmen seien 1984 und 1985 erhebliche Aufwendungen entstanden.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage teilweise stattgegeben. Es führt im wesentlichen aus, der Erwerb des Grundstücks im Rahmen der vorweggenommenen Erbregelung habe zu Anschaffungskosten geführt. Hierzu rechneten die Übernahme der Verbindlichkeiten und - abgezinst - die Zahlungen an die Geschwister der Klägerin, außerdem die Notar- und die Amtsgerichtsgebühren. Die Einräumung des Wohnrechts zugunsten der Eltern sei kein Entgelt; denn dieses Recht sei zurückbehalten worden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378). Von den Anschaffungskosten von . . . DM entfielen . . . DM auf das Gebäude; hinzu kämen Herstellungskosten in 1984 von . . . DM. Die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG betrügen 5 % von . . . DM.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Das FA hat zunächst die Auffassung vertreten, daß die Übertragung des Grundstücks im Rahmen der vorweggenommenen Erbregelung als Auflagenschenkung ein unentgeltlicher Vorgang sei. Nach Ergehen des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) trägt es vor, zutreffend habe das FG zwar Anschaffungskosten der Klägerin für das Grundstück von . . . DM zugrunde gelegt. Zu Unrecht habe es jedoch die Einräumung des Wohnungsrechts nicht als Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks beurteilt. Die Grundsätze des Vorbehaltsnießbrauchs im Urteil des BFH in BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378 könnten hier keine Anwendung finden, weil das Gebäude die Wohnräume, an denen das Wohnungsrecht bestehen sollte, noch gar nicht enthalten habe, mithin auch die Eltern gar nichts hätten vorbehalten können. Die Einräumung des Wohnungsrechts sei selbständig neben der Übertragung des Grundstücks zu sehen. In Höhe des Kapitalwerts des Wohnungsrechts hätten die Kläger im Jahr des Zuflusses, welches hier mit dem Jahr der Eigentumsumschreibung im Grundbuch am 2. Februar 1984 gleichzusetzen sei, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gehabt. Auch der Einbeziehung der Aufwendungen für die im Streitjahr vorgenommenen Bauaufwendungen könne nicht gefolgt werden, denn diese Kosten seien entstanden, um die Wohnung für die Eltern der Klägerin zu schaffen. Sie könnten nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden, weil insoweit nicht die Klägerin den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erfülle. Die der Klägerin im Hinblick auf die Wohnungsrechtsbestellung zuzurechnenden Einnahmen überstiegen die ihr zustehenden erhöhten Absetzungen bei weitem.
Das FA hat am 21. Juni 1991 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1984 erlassen. In ihm sind die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung - wie im ursprünglichen Bescheid - mit null DM angesetzt.
Entscheidungsgründe
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auf Grund der Erklärung der Kläger gemäß §§ 68, 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) der Einkommensteuerbescheid vom 21. Juni 1991 geworden. Der Senat hält es nicht für geboten, ohne Sachprüfung nach § 127 FGO das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen; denn die tatsächlichen Grundlagen hinsichtlich des Streitpunkts werden durch den neuen Bescheid nicht berührt (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juni 1986 IX R 2/79, BFHE 146, 442, BStBl II 1986, 674).
Die Revision des FA ist unbegründet.
Rechtsfehlerfrei hat das FG die Übertragung des Grundstücks auf die Klägerin als teilentgeltliches Rechtsgeschäft beurteilt sowie die Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG ermittelt. Nach der Entscheidung des Großen Senats in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 bilden bei der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge die Zahlung von Gleichstellungsgeldern an Angehörige und die Übernahme von Verbindlichkeiten Anschaffungskosten. Dagegen führt der Vorbehalt eines Nutzungsrechts nicht zu Anschaffungskosten. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im genannten Beschluß des Großen Senats unter C II.
Entgegen der Auffassung des FA hat das FG zu Recht die Einräumung des Wohnungsrechts zugunsten der Eltern nicht als Gegenleistung der Klägerin für die Übertragung des Grundstücks, sondern als Vorbehalt eines Nutzungsrechts beurteilt, das den Wert des übertragenen Grundstücks von vornherein mindert. Der Übertragungsvertrag enthält - wie insbesondere die Gleichstellung der Geschwister zeigt - eine vorweggenommene Erbfolgeregelung. In Verträgen dieser Art behält sich der Übertragende häufig einen Teil des übertragenen Vermögens zur Nutzung zurück. Zurückbehalten hat - trotz der Bezeichnung als Gegenleistung im Übertragungsvertrag - auch der Vater der Klägerin das Wohnungsrecht für sich und seine Ehefrau (vgl. Senatsurteil vom 10. April 1991 XI R 7, 8/84, BFHE 164, 343, BStBl II 1991, 791). Daß sich das Recht auch auf Räume erstreckte, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht installiert waren, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Wohnungsrecht der Eltern des Klägers umfaßte die Nutzung des Obergeschosses des Einfamilienhauses als Wohnung. Dieses Recht konnte und hat sich der Vater als Teil seines bisherigen Vollrechts Eigentum zurückbehalten. Die für die entsprechende tatsächliche Nutzung erforderliche Umgestaltung der Räume bewirkt nicht, daß sich das Wohnungsrecht in ein von der Klägerin als neuer Eigentümerin zugewendetes Recht umwandelt.
Da die Einräumung des Wohnungsrechts keine Gegenleistung der Klägerin für die Übertragung des Grundstücks ist, kommt bei ihr auch keine Zurechnung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung wegen entgeltlicher Nutzungsüberlassung in Betracht.
Zutreffend hat das FG außer den von der Klägerin übernommenen Verbindlichkeiten und den abgezinsten Gleichstellungsgeldern (vgl. Senatsurteil in BFHE 164, 343, BStBl II 1991, 791) auch die Notarund Gerichtsgebühren den Anschaffungskosten des Grundstücks zugerechnet (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 1990 XI R 2/85, BFH/NV 1991, 383). Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat es die im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Räume im Obergeschoß angefallenen Herstellungskosten in die Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG einbezogen; denn es handelt sich um Herstellungsaufwand für das im Eigentum der Klägerin stehende Gebäude.
Die Klägerin kann die erhöhten Absetzungen von den Anschaffungs- und Herstellungskosten des Gebäudes allerdings nur in dem Umfang als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen, in dem sie den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwirklicht (BFH-Urteile vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390 und vom 30. Januar 1991 XI R 5/83, BFH/NV 1991, 522). Dafür, daß dies im Streitjahr 1984 nicht in vollem Umfang der Fall gewesen sein sollte, liegen keine Anhaltspunkte vor. Die Zurechnung eines Nutzungswerts gemäß § 21 Abs. 2 EStG beim unentgeltlich Nutzungsberechtigten setzt voraus, daß er eine Wohnung, d. h. eine Zusammenfassung von Räumen, die eine selbständige Haushaltsführung ermöglichen, nutzt. Außerdem müssen die Räume, zu denen grundsätzlich Küche oder Kochgelegenheit, Bad oder Dusche und Toilette gehören, bewohnbar, d. h. bezugsfertig sein (BFH-Urteil vom 7. April 1987 IX R 133-135/84, BFHE 150, 12, BStBl II 1987, 565). Da die Räume im Obergeschoß 1984 umgebaut und die Baumaßnahmen erst 1985 beendet wurden, kann davon ausgegangen werden, daß diese Voraussetzungen hinsichtlich der von den Eltern zu nutzenden Räume im Streitjahr nicht vorlagen.
Die Berechnung der Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG durch das FG erweist sich auch im übrigen als rechtsfehlerfrei. Die Revision des FA war mithin zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Dies hatte wegen der Klageänderung im Revisionsverfahren (§§ 123, 68 FGO) mit der Maßgabe zu geschehen, daß das FA den Bescheid vom 21. Juni 1991 entsprechend den Ausführungen des FG zu ändern hat.
Fundstellen
Haufe-Index 418192 |
BFH/NV 1992, 383 |