Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Vergütung, die bei der Veräußerung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs neben dem Kaufpreis für den Grund und Boden für einen optimalen Bodenzustand ("Geil und Gare") gezahlt wird, ist ein Teil der Vergütung für den Grund und Boden.

 

Normenkette

EStG § 4/1/5, § 14

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1961, ob ein Betrag, der bei der Veräußerung eines landwirtschaftlichen Betriebs neben dem Kaufpreis für den Grund und Boden für einen optimalen Bodenzustand (im Streitfall als "Geil und Gare" bezeichnet) gezahlt worden ist, bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 14 EStG als Teil des Kaufpreises für den Grund und Boden anzusehen ist.

Die Steuerpflichtige ist buchführende Landwirtin. Ihr Ehemann ist am 5. April 1961 verstorben. Im Kaufvertrag vom 7. November 1961 veräußerte sie den von ihrem Ehemann geerbten landwirtschaftlichen Betrieb unter überführung der ihr verbliebenen Grundstücke in das Privatvermögen. Nach dem Kaufvertrag betrug der Kaufpreis 630.000 DM; davon entfielen nach dem Vertrag auf

Grund und Boden -------------- 585.000 DM Inventar --------------------- 15.000 DM, Geil und Gare ---------------- 30.000 DM.Der vom Finanzamt bei der Einkommensteuerveranlagung 1961 angesetzte Veräußerungsgewinn ist in der Höhe unstreitig, soweit er sich auf Gebäude sowie lebendes und totes Inventar bezieht. Das Finanzamt bezog in den steuerpflichtigen Veräußerungserlös auch die Vergütung für Geil und Gare ein. Der Einspruch blieb erfolglos.

Die Vorinstanz hob den Einspruch und den Steuerbescheid ersatzlos auf. In der Vorentscheidung wurde ausgeführt, mit dem Begriffspaar "Geil und Gare" werde die Qualität landwirtschaftlicher Nutzflächen bezeichnet. Unter Geil und Gare sei der durch die Bodenbearbeitung bewirkte, für die Feldbestellung optimale Bodenzustand zu verstehen. Geil und Gare seien kein vom Grund und Boden getrenntes Wirtschaftsgut. Selbst wenn der durch den Begriff Geil und Gare ausgedrückte Zustand des Bodens durch eine besonders intensive und fachgerechte Behandlung der landwirtschaftlichen Nutzfläche entstehe, ließen sich etwaige Mehrkosten nicht hinreichend genau - auch nicht schätzungsweise - von den Kosten einer durchschnittlichen Bodenbearbeitung abgrenzen. Werde für den durch den Begriff Geil und Gare ausgedrückten besonderen Gütezustand des Bodens ein zusätzlicher Kaufpreis vereinbart, so sei hierin nur eine Erhöhung des für den Grund und Boden im durchschnittlichen Zustand angemessenen Kaufpreises zu sehen. Daß mit dem Betrag von 30.000 DM besondere Bodenbestellungskosten abgegolten worden seien, die die Steuerpflichtige im Hinblick auf die künftige Ernte aufgewendet habe, könne nicht festgestellt werden. Nur auf diesen Fall sei aber das Urteil des Bundesfinanzhofs I 331/56 U vom 16. Juli 1957 (BStBl 1957 III S. 323, Slg. Bd. 65 S. 231) anwendbar, nach dem Ersatzleistungen des Eigentümers an den abziehenden Pächter für Bodenbestellungskosten keine Aufwendungen für den Grund und Boden seien.

Zur Begründung seiner Rb. trägt der Vorsteher des Finanzamts vor, was nach dem angeführten Urteil I 331/56 U für Bodenbestellungskosten gelte, müsse auch für Geil und Gare Anwendung finden; denn die Aufwendungen, durch die dieser Bodenzustand herbeigeführt worden sei, hätten wie die Bodenbestellungskosten den laufenden Gewinn gemindert. Eine Entschädigung hierfür müsse deshalb ebenso wie die Ersatzleistung für Bodenbestellungskosten eine Betriebseinnahme sein.

Die Steuerpflichtige trägt vor, es seien im Zeitpunkt der Veräußerung keine Feldbestellungskosten aufgewendet gewesen. Der Boden der veräußerten Grundstücke habe sich in einem unterdurchschnittlich schlechten Zustand befunden. Geil und Gare seien nicht, jedenfalls nicht im für die Gegend üblichen Umfang vorhanden gewesen. Geil und Gare seien zudem im Gegensatz zum Feldinventar und zur stehenden Ernte nicht als besonderes Wirtschaftsgut anzusehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.

Zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören nach § 14 Abs. 1 EStG auch Gewinne, die bei der Veräußerung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs oder Teilbetriebs erzielt werden. Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten des Wert des Betriebsvermögens übersteigt, der nach § 4 Abs. 1 EStG für den Zeitpunkt der Veräußerung ermittelt wird. Da bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG der Wert des Grund und Bodens, der zum Anlagevermögen gehört, außer Ansatz bleibt, wird auch bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 14 EStG die Vergütung für den veräußerten Grund und Boden in dem Veräußerungserlös nicht einbezogen.

Mit dem Begriff "Grund und Boden" hat sich der Bundesfinanzhof in den letzten Jahren in mehreren Urteilen befaßt. Im Urteil I 17/60 S vom 14. März 1961 (BStBl 1961 III S. 398, Slg. Bd. 73 S. 359) hat er entschieden, daß dieser Begriff nicht nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, sondern nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten und den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Gewinnermittlung abzugrenzen und unter "Grund und Boden" nur der nackte Grund und Boden zu verstehen ist; besondere Anlagen auf oder in dem Grund und Boden, die zum beweglichen Anlagevermögen gehören, sind grundsätzlich als eigene Wirtschaftsgüter aktivierungspflichtig. Im Urteil I 331/56 U wurde in Abweichung von einem Urteil des Reichsfinanzhofs entschieden, daß Ersatzleistungen des Eigentümers an den abziehenden Pächter für Bodenbestellungskosten keine Aufwendungen auf den Grund und Boden, sondern abzugsfähige Betriebsausgaben sind. Im Urteil IV 153/63 S vom 7. November 1963 (BStBl 1964 III S. 62, Slg. Bd. 78 S. 159) stimmte der erkennende Senat den Grundsätzen dieses Urteils zu und wandte sie auch auf Ersatzleistungen des Eigentümers an den abziehenden Pächter für die stehende Ernte auf Grund einer sog. Halmtaxe an. Entsprechendes gilt für den Fall der Veräußerung eines landwirtschaftlichen Betriebs (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 341/64 U vom 28. Januar 1965, BStBl 1965 III S. 255).

Unter "Gare" oder "Bodengare" wird in der Pflanzenbaukunde die "Summe der Wirkungen aller kolloidchemischen und mikrobiologischen Einzelvorgänge" verstanden (Roemer-Scheibe-Schmidt-Woermann, Handbuch der Landwirtschaft, 1952 Bd. I S. 247). Nach Klapp, Lehrbuch des Acker- und Pflanzenbaus, 5. Aufl., S. 211, ist Gare "der Gesamterfolg von Bodenfruchtbarkeit, Bodenleben, Pflanzendecke, Witterungsverlauf, Düngung und Bearbeitung nie aber ein Erfolg der Bearbeitung allein". Unter "Geile" oder "Geilung" wird im allgemeinen Sprachgebrauch ein üppiger Allgemeinzustand der Feldfrüchte durch reiche Düngung, besonders an Stellen (Geilstellen), wo vorher Dünger angehäuft war, verstanden (Der Große Brockhaus, 16. Aufl.). In diesem allgemeinen Sinn ist der Begriff von den Vertragschließenden offenbar nicht verstanden worden. Es kann mit den Prozeßparteien davon ausgegangen werden, daß der Begriff "Geile", wenn er in Verbindung mit dem Begriff "Gare" verwendet wird, nach dem Sprachgebrauch der Landschaft, in der die veräußerten Grundstücke belegen sind, einen Bodenzustand bezeichnet, der zu einem üppigen Pflanzenwuchs führt.

Hiernach bezeichnen "Geil und Gare" einen besonderen Bodenzustand. Auch bei der engen Auslegung des Begriffs "Grund und Boden" im Urteil I 17/60 S, der der Senat zustimmt, ist der Wert von Geil und Gare zum Wert des Grund und Bodens zu rechnen. Es handelt sich nicht um ein unabhängig vom Grund und Boden bestehendes und zu bewertendes Wirtschaftsgut, sondern nur um ein Merkmal der Beschaffenheit des Bodens.

Wird bei der Veräußerung landwirtschaftlich genutzter Grundstücke für Geil und Gare eine besondere Vergütung gezahlt, so handelt es sich im Ergebnis nur um einen besonders bezeichneten Teil der Vergütung für den Grund und Boden. Auf eine solche Vergütung können die in den Urteilen I 331/56 U und IV 153/63 S niedergelegten Grundsätze nicht angewendet werden. Die Leistung einer Vergütung für Geil und Gare ist weder eine Ersatzleistung für Feldinventar noch eine Ersatzleistung für die stehende Ernte vergleichbar. Beiden Urteilen lag die überlegung zugrunde, daß wirtschaftlich gleicher Aufwand auch steuerlich gleichbehandelt werden muß. Bei unveränderten Besitzverhältnissen kommt der Ertrag der Aufwendungen für das Feldinventar (Ausgaben für Ackerbestellung, Kosten für Dünger und Saatgut) demjenigen zugute, der die Aufwendungen gemacht hat. Wird die Folge von Bodenbearbeitung, Anbau und Ernte durch einen Besitzwechsel unterbrochen und wird dem Vorbesitzer - je nach dem Zeitpunkt des Besitzwechsels - eine Ersatzleistung für Feldinventar oder für die stehende Ernte gewährt, so handelt es sich in beiden Fällen um eine Ersatzleistung dafür, daß der Vorbesitzer im letzten Wirtschaftsjahr Aufwendungen gemacht hat, deren Ertrag einem anderen zufließt. Dabei liegen der Ersatzleistung in der Regel die tatsächlichen Aufwendungen des Vorbesitzers in dem durch den Besitzwechsel unterbrochenen Wirtschaftsjahr zugrunde. Daß bei der Ersatzleistung für die stehende Ernte dabei auch der natürliche Zuwachs berücksichtigt wird, ändert an dem Charakter der Ersatzleistung nichts. Es handelt sich in beiden Fällen nicht um Aufwendungen für den Grund und Boden als solchen.

Zum Unterschied hiervon werden mit einer Vergütung für Geil und Gare nicht in einem bestimmten nahen Zeitraum tatsächlich angefallene und bestimmbare Aufwendungen des Veräußerers ersetzt. Zur Entstehung der Bodengare tragen außer der Bodenbearbeitung noch wesentliche andere Faktoren bei. Soweit die Entstehung der Bodengare auf die Bodenbearbeitung und die damit verbundenen Aufwendungen zurückzuführen ist, sind diese Aufwendungen von den normalen Bodenbearbeitungskosten nicht, auch nicht schätzungsweise, abgrenzbar. Ein als Gare (Geil und Gare) zu bezeichnender Bodenzustand entsteht jedenfalls nicht in einem Jahr; ihre Entstehung erstreckt sich regelmäßig auf einen längeren Zeitraum, dessen Länge aber im einzelnen Fall kaum bestimmbar ist. Eine Vergütung für Geil und Gare ist aus allen diesen Gründen mit einer Ersatzleistung für Feldinventar oder für die stehende Ernte nicht vergleichbar. Der Ansicht des Vorstehers des Finanzamts, sie müsse allein deshalb diesen Ersatzleistungen gleichgesetzt werden, weil die zu ihrer Entstehung führenden Bodenbestellungskosten beim Veräußerer den laufenden Gewinn gemindert hätten, kann nicht zugestimmt werden.

Da die Vergütung für Geil und Gare hiernach sowohl beim Veräußerer als auch beim Erwerber des Grund und Bodens ein Teil des Kaufpreises für den Erwerb des Grund und Bodens ist und deshalb die Höhe des Veräußerungsgewinns nach § 14 EStG nicht beeinflußt, braucht auf das Vorbringen der Steuerpflichtigen, bei dem Bodenzustand der veräußerten Grundstücke könne von einem Vorhandensein von Geil und Gare nicht die Rede sein, nicht eingegangen zu werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411668

BStBl III 1965, 446

BFHE 1965, 551

BFHE 82, 551

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