Leitsatz (amtlich)

1. Erwirbt ein gemeinnütziger Bauträger ein Grundstück mit der Absicht, das Grundstück unter Bestellung eines Erbbaurechts für sich weiterzuveräußern und sodann den Grund und Boden aufgrund des bestellten Erbbaurechts mit Kleinwohnungen zu bebauen, so steht dies der Steuerfreiheit gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GrEStG Hessen nicht entgegen. Es bedeutet auch keine Aufgabe des begünstigten Zwecks, wenn der Bauträger die Absicht, die Bebauung erst nach Weiterveräußerung unter Bestellung eines Erbbaurechts für sich vorzunehmen, nach dem Erwerb des Grundstücks faßt.

2. Dies gilt auch dann, wenn das Grundstück vor der Bestellung eines Erbbaurechts weiterverkauft wird, im unmittelbaren Anschluß daran jedoch aufgrund der vorher getroffenen Abreden ein Erbbaurecht für den gemeinnützigen Bauträger bestellt wird.

 

Normenkette

GrEStG Hessen § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a; GrEStG Hessen § 4 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin kaufte von einer Gemeinde zwei unbebaute Grundstücke. Der Kaufvertrag enthielt u. a. folgende Abmachungen:

"6. Die Käuferin verpflichtet sich, die beiden Bauplätze nach den Festlegungen des rechtskräftigen Bebauungsplanes im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues mit den vorgesehenen Wohnungen zu bebauen.

7. Die Käuferin kann aufgrund eines besonderen Finanzierungssystems die Grundstücke veräußern und sich gleichzeitig ein Erbbaurecht bestellen lassen.

Ein Verkauf kann unter Zugrundelegung des hier vereinbarten Kaufpreises zuzüglich entstandener und noch entstehender Nebenkosten erfolgen."

Die Klägerin beantragte Grunderwerbsteuerfreiheit wegen beabsichtigter Schaffung von Kleinwohnungen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GrEStG Hessen. Das beklagte FA stellte den Erwerbsvorgang intern von der Grunderwerbsteuer frei und erteilte eine Unbedenklichkeitsbescheinigung.

1968 verkaufte die Klägerin das eine, 1969 das andere Grundstück an eine Versicherungsgesellschaft, welche jeweils am gleichen Tage an dem betreffenden Grundstück ein Erbbaurecht zugunsten der Klägerin auf 99 Jahre bestellte. Die von der Klägerin gegenüber der Gemeinde eingegangene Bebauungsverpflichtung wurde von der Versicherungsgesellschaft nicht übernommen. Die Klägerin verpflichtete sich in dem jeweiligen Erbbaurechtsvertrag vielmehr, innerhalb von zwei Jahren auf dem jeweiligen Erbbaugrundstück Wohnhäuser nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz zu bauen. Sie hat im Laufe des Verfahrens darauf hingewiesen, daß die mit der Versicherungsgesellschaft geschlossenen Verträge auf ein besonderes Finanzierungskonzept zurückzuführen seien, das mit dem Land Hessen abgesprochen worden sei.

Durch Steuerbescheid setzte das FA für den Erwerb der beiden Grundstücke durch die Klägerin wegen deren Weiterveräußerung Grunderwerbsteuer gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 GrEStG Hessen fest.

Einspruch und Klage sind erfolglos geblieben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Der Erwerb der Grundstücke durch die Klägerin war auch dann ein Erwerb zur Schaffung von Kleinwohnungen i. S. des § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GrEStG Hessen, wenn die Klägerin von vornherein die Absicht hatte, die Grundstücke bei gleichzeitiger Bestellung von Erbbaurechten für sich weiterzuveräußern und erst aufgrund dieser Erbbaurechte die Bebauung durchzuführen. Sollte sie die Weiterveräußerungsabsicht erst später gefaßt haben, so ist dadurch der begünstigte Zweck nicht aufgegeben, der Tatbestand des § 4 Abs. 2 Satz 2 GrEStG Hessen nicht verwirklicht worden.

Begünstigt wird durch § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GrEStG Hessen der Erwerb eines Grundstücks zur Schaffung von Kleinwohnungen durch einen gemeinnützigen Bauträger, der den begünstigten Zweck, die Schaffung von Kleinwohnungen, selbst erfüllt (vgl. das Urteil vom 21. März 1973 II R 150/66, BFHE 109, 384, BStBl II 1973, 691). Der Zweck ist erfüllt mit der bezugsfertigen Herstellung der Kleinwohnungen (Urteil vom 10. Oktober 1962 II 5/61 U, BFHE 76, 41, BStBl III 1963, 16).

Die Zweckerfüllung wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß die Bebauung durch den gemeinnützigen Bauträger, wie im vorliegenden Fall, nicht aufgrund des Grundstückseigentums, sondern aufgrund eines Erbbaurechts durchgeführt wird, das im Zusammenhang mit der Weiterveräußerung des Grundstücks für den gemeinnützigen Bauträger bestellt wird. Auch in diesem Falle dient der Erwerb des Grundstücks der Schaffung von Kleinwohnungen, mag auch von vornherein beabsichtigt sein, das Grundstück unter Belastung mit einem Erbbaurecht aus Finanzierungsgründen weiterzuveräußern. Die Kleinwohnungen werden auf dem erworbenen Grundstück als Teil der Erdoberfläche aufgrund des Rechts zur Bebauung errichtet, das zunächst Ausfluß des Grundeigentums war, jedoch mit der Bestellung des Erbbaurechts nunmehr allein dem Erbbauberechtigten zusteht (§ 1 Abs. 1 der Erbbaurechtsverordnung - ErbbauVO -), der mit dem weiterveräußernden Grundstückseigentümer identisch ist.

Diese Rechtsauffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung zur Steuerfreiheit des Erwerbs von Grundstücken zum Bau von steuerbegünstigten Wohnungen. Dort wird der steuerbegünstigte Zweck nicht dadurch vereitelt, daß das Grundstück bereits vor der Bebauung weiterveräußert wird, wenn nur die Bebauung noch dem Weiterveräußernden zuzurechnen ist (vgl. u. a. das Urteil vom 28. April 1970 II 109/65, BFHE 99, 250, 254, BStBl II 1970, 600, 602).

Nun wird allerdings zu § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2 GrEStG 1940 (=GrEStG Hessen) die Auffassung vertreten, eine Nachversteuerung habe stattzufinden, wenn der gemeinnützige Bauträger das bebaute Grundstück innerhalb der Nachversteuerungsfrist an einen Erwerber verkauft, der nicht gemeinnütziger Bauträger ist (vgl. Boruttau/Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 4 Rdnr. 140 Abs. 3 Nr. 2). Mit dieser Auffassung wird in den Begünstigungszweck einbezogen, daß die Kleinwohnungen im Eigentum eines gemeinnützigen Bauträgers bleiben.

Ob diese Auffassung zutrifft, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden; denn selbst wenn diese Auffassung zutreffen sollte, würde sie auch dann nicht zur Steuerpflicht führen, wenn der ein unbebautes Grundstück erwerbende gemeinnützige Bauträger die Kleinwohnungen erst baut, nachdem er das Grundstück unter Bestellung eines Erbbaurechts für sich verkauft hat. Auch wenn der weitere Grundstückserwerber kein gemeinnütziger Bauträger ist, werden die Kleinwohnungen als Bestandteil des für den veräußernden gemeinnützigen Bauträger bestellten Erbbaurechts (vgl. § 12 Abs. 1 ErbbauVO) Eigentum des gemeinnützigen Bauträgers, der das unbebaute Grundstück erworben hat und auf diesem Grundstück als Teil der Erdoberfläche Kleinwohnungen errichtet.

Daß die Bebauung aufgrund des erworbenen Eigentums durchgeführt wird, ist nicht Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GrEStG Hessen. Es reicht aus, daß der Zweck des Grundstückserwerbs die Schaffung von Kleinwohnungen auf diesem Grundstück ist, mag auch der gemeinnützige Bauträger die Wohnungen lediglich aufgrund eines für ihn zu bestellenden Erbbaurechts errichten wollen.

Der vorliegende Fall ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Klägerin zunächst einen Kaufvertrag über das unbelastete Grundstück mit der Versicherungsgesellschaft geschlossen hat und erst zeitlich danach der Erbbaurechtsbestellungsvertrag geschlossen wurde.

Die zwischen der Klägerin und der Versicherungsgesellschaft jeweils am gleichen Tage vor dem gleichen Notar unmittelbar nacheinander geschlossenen Verträge (Kaufvertrag und Erbbaurechtsvertrag) sind ein einheitliches Vertragswerk, das grunderwerbsteuerrechtlich und auch zivilrechtlich (vgl. § 139 BGB) einheitlich zu beurteilen ist. In dem zunächst geschlossenen Kaufvertrag hieß es jeweils:

"Die Verkäuferin ... verkauft hiermit vorbezeichnetes Grundeigentum ... unter folgenden Bedingungen 1. bis

4....

5. Die im Kaufvertrag ... von der Verkäuferin gegenüber der Gemeinde X eingegangenen Verpflichtungen (Abschn. II Ziff. 6) werden von der Käuferin nicht übernommen, sondern nach wie vor von der Verkäuferin, als der späteren Erbbauberechtigten an dem ihr veräußerten Grundeigentum, erfüllt."

Damit war das Ziel deutlich gemacht: Veräußerung des nach anschließender Bestellung des Erbbaurechts im Rechtssinne nicht mehr bebauungsfähigen Grundstücks an die Versicherungsgesellschaft, Erhaltung des Rechts zur Bebauung für die Klägerin.

Nach allem war die interne Freistellung von der Steuer gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GrEStG Hessen selbst dann nicht fehlerhaft, wenn von vornherein die Absicht bestand, die Grundstücke unter Begründung eines Erbbaurechts für die Klägerin weiterzuveräußern.

Ob der steuerbegünstigte Zweck von der Klägerin in der Zwischenzeit verwirklicht worden ist oder ob etwa zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund des § 4 Abs. 2 GrEStG Hessen Steuerpflicht eingetreten sein sollte, war in diesem Verfahren nicht zu prüfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72246

BStBl II 1977, 326

BFHE 1977, 559

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