Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Ist der Verkauf eines Grundstücks beschlossene Sache, so entspricht es der Sachlage, daß die Vertragsparteien einen (einheitlichen) Kaufvertrag abschließen, nicht aber, ihm einen Vorvertrag über die Einräumung eines Ankaufsrechts vorschalten. Unter der Voraussetzung des beschlossenen Grundstücksverkaufs bedeutet der Vertrag über die Einräumung eines Ankaufsrechts einen Mißbrauch bürgerlichrechtlicher Gestaltungsmöglichkeit im Sinne von § 6 Abs. 1 StAnpG.
Bereits der mißbräuchlich vorgeschaltete Vorvertrag über die Einräumung des Ankaufsrechts ist als Verpflichtungsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG anzusehen.
§ 14 Abs. 3 GewG gilt nicht für Forderungen, bei denen ein fester Zahlungstermin nicht vereinbart ist. Forderungen dieser Art sind nach § 14 Abs. 1 BewG zu bewerten, gegebenenfalls ist ihr Wert zu schätzen.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 1; StAnpG § 6 Abs. 1; BewG § 14 Abs. 1, § 12/1, § 14 Abs. 3, § 12/3
Tatbestand
Der im Grundbuch eingetragene Eigentümer eines Grundstücks räumte dem Bf. in notariellem Vertrag vom 4. November 1959 das vererbliche Ankaufsrecht ein. Der Ankaufspreis beträgt 23.000 DM und ist bei Ausübung des Ankaufsrechts bar zu bezahlen. Die übergabe des Grundstücks erfolgt sofort nach Ausübung des Ankaufsrechts, frühestens auf den 31. Dezember 1960. Das Ankaufsrecht erlischt, wenn es nicht bis spätestens 1. November 1964 ausgeübt wird; falls der Grundstückseigentümer das Grundstück vor dem 1. November 1964 räumt, ist der Ankaufsberechtigte (Bf.) zur Ausübung des Ankaufsrechts verpflichtet. Der Ankaufsberechtigte (Bf.) hat nach dem Vertrag dem Grundstückseigentümer für die Einräumung des Ankaufsrechts den Betrag von 8.000 DM bis spätestens 20. Dezember 1959 zu bezahlen. Der Grundstückseigentümer bewilligt und beantragt zugunsten des Ankaufsberechtigten die Eintragung einer Auflassungsvormerkung. Bei der späteren Ausübung des Ankaufsrechts trägt der Ankaufsberechtigte (Bf.) die Grunderwerbsteuer.
Das Finanzamt sah die in der notariellen Urkunde vom 4. November 1959 getroffenen Vereinbarungen als im sachlichen Ergebnis einem beide Teile bindenden Verpflichtungsgeschäft gleichkommend an, so daß bereits die Einräumung des Ankaufsrechts nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs II A 121/33 vom 11. August 1933 (Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz, § 23 Abs. 1 zu a, Nr. 3, Rechtssprüche 30 und 31 = Steuer und Wirtschaft 1934 Nr. 310 - auszugsweise -) der Besteuerung unterliege. Das Finanzamt setzte die Grunderwerbsteuer nach einer Gegenleistung von 31.000 DM (8.000 DM Bindungsentgelt + 23.000 DM Ankaufspreis) auf 2.170 DM fest.
Einspruch und Berufung des Bf., mit denen er die Grunderwerbsteuerpflicht des Vertrages vom 4. November 1950 bestritt, blieben erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidungen führen.
Allerdings kann den Ausführungen der Rb. in mehrfacher Beziehung nicht beigetreten werden.
Die gerügten Verstöße gegen den klaren Inhalt der Akten liegen nicht vor. Der Bf. macht in dieser Beziehung zunächst geltend, daß das angefochtene Urteil in tatsächlicher Hinsicht festgestellt habe, es liege ein "Angebot" vor. Der Satz des Urteils, in dem sich das Wort "Angebot" findet, ist wörtlich aus dem Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz von Boruttau-Klein (5. Aufl., 1957, Bem. 10 Abs. 2 zu § 1 auf S. 40, jetzt vgl. 6. Aufl., 1960, Textziff. 44 zu § 1 auf S. 47) entnommen. Aus dem Zusammenhang der Kommentarstelle ergibt sich, daß mit der Bezeichnung "Angebot" auch der weitere Fall der Einräumung einer Option (eines Ankaufsrechts) mitumfaßt sein soll. Hiernach handelt es sich bei dem von der Rb. beanstandeten Ausdruck "Angebot" nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine rechtliche Würdigung. Im übrigen könnte das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung keinesfalls durch die vereinfachte Bezeichnung "Angebot" für "Einräumung eines Ankaufsrechts" beeinflußt sein, m. a. W. auf ihr beruhen, wie dies § 288 Ziff. 1 AO erfordert, weil für das Gebiet der Grunderwerbsteuer ein Vertragsangebot und eine Optionseinräumung die gleiche rechtliche Wirkung haben. Der weiter von der Rb. als Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten angesehene Satz im Urteil des Finanzgerichts, es sei dem Bf. darauf angekommen, unbedingte und sichere Rechtsansprüche zu erwerben, enthält ebenfalls keine tatsächliche Feststellung, sondern eine rechtliche Würdigung. Eine rechtliche Würdigung, die sich mit der vom Bf. vertretenen Auffassung nicht deckt, bedeutet aber für sich allein keinen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten.
Dem Finanzgericht fällt schließlich entgegen der Auffassung des Bf. keine unrichtige Rechtsanwendung insofern zu Last, als es das Vorliegen einer Steuerumgehung im Sinne des § 6 Abs. 1 StAnpG bejaht hat. Zwar führt das angefochtene Urteil diese gesetzliche Bestimmung nicht ausdrücklich an. Das Finanzgericht hat aber die Rechtsauffassung des Finanzamts gebilligt, das im Steuerbescheid ausdrücklich das oben erwähnte Urteil des Reichsfinanzhofs vom 11. August 1933 angeführt und in der Einspruchsentscheidung die Rechtsgrundsätze dieses Urteils auf den vorliegenden Fall angewandt hat, und hat seinerseits ebenfalls die Bedeutung des Bindungsentgelts für die Annahme eines Verpflichtungsgeschäfts im Sinne des § 1 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG betont. Hieraus folgt mittelbar, daß das angefochtene Urteil auf § 6 StAnpG gestützt ist, weil das Urteil des Reichsfinanzhofs vom 11. August 1933 die Bejahung der Grunderwerbsteuerpflicht im Falle der Entrichtung eines hohen Bindungsentgelts für ein Kaufangebot aus dem früheren § 10 AO hergeleitet hat, dem mit Wirkung vom 1. Januar 1935 der § 6 StAnpG vom 16. Oktober 1934 entspricht.
Der Bf. meint, die angefochtene Entscheidung werde nicht dadurch getragen, daß das Finanzgericht die beachtliche Höhe des Bindungsentgelts als Indiz angesehen hat. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Auch der Reichsfinanzhof hat in dem Urteil vom 11. August 1933 aus der Höhe des Bindungsentgelts den Schluß gezogen, daß es dem Empfänger des Angebots auf einen Grundstückskaufvertrag wirtschaftlich unmöglich ist, von der Annahme des Angebots abzusehen, und er infolgedessen wie ein Käufer gebunden ist. Das Bindungsentgelt beträgt im vorliegenden Fall 8.000 DM, also mehr als 1/3 des eigentlichen "Ankaufspreises" von 23.000 DM, und ist um mehr als 50 % höher als der Einheitswert des Grundstücks von 5.100 DM.
Indessen bedarf es im vorliegenden Fall gar keines Zurückgehens auf das Urteil des Reichsfinanzhofs vom 11. August 1933. Mit Recht weist die angefochtene Entscheidung darauf hin, daß nach der eigenen Angabe des Bf. in seiner Berufungsbegründung vom 25. März 1960 der Verkauf des Grundstücks eine beschlossene Sache war. Dann entsprach es aber der Sachlage, einen (einheitlichen) Kaufvertrag abzuschließen und ihm nicht einen Vorvertrag über die Einräumung eines Ankaufsrechts vorzuschalten. Dabei konnte das etwaige Interesse des Veräußerers an länger dauernder Weiterbenutzung des Grundstücks durchaus gesichert werden, wie dies ja auch in dem Vertrag über das Ankaufsrecht vorgesehen ist. Das gleiche gilt hinsichtlich des Interesses des Bf. an einer teilweisen Stundung des Kaufpreises. Die tatsächlich getroffene Regelung bedeutet also einen Mißbrauch der gegebenen bürgerlich-rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit. Zu Unrecht stellt der Bf. in Abrede, daß es sowohl auf seiner Seite wie auf seiten des Grundstückseigentümers an der Absicht zur Minderung der Grunderwerbsteuer gefehlt habe. Der Grundstückseigentümer hat anläßlich einer Vorsprache beim Finanzamt zum Ausdruck gebracht, daß der eingeschlagene Weg gewählt worden sei, um die (einkommen-) steuerliche Auswirkung des sich ergebenden wesentlichen Veräußerungsgewinns durch Verteilung auf zwei Jahre zu mildern. Mag aber auch für den Grundstückseigentümer der Gedanke der Minderung von Einkommensteuer im Vordergrund gestanden haben, so hat dies doch zur Folge, daß durch die mißbräuchliche Rechtsgestaltung auch die Grunderwerbsteuer gemindert und dieses Ziel vom Grundstückseigentümer notwendigerweise mit verfolgt wird. Unzutreffend ist die Auffassung des Bf., der Grundstückseigentümer habe zur Minderung der Grunderwerbsteuer keinen Anlaß gehabt, weil nach dem Vertrage vom 4. November 1959 der Bf. (Ankaufsberechtigte) die Grunderwerbsteuer zu tragen habe. Diese vertragliche Vereinbarung wirkt nur unter den Parteien. Steuerschuldner bleiben aber gemäß § 15 Ziff. 1 GrEStG die an dem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen als Gesamtschuldner (ß 7 Abs. 1 StAnpG), also im vorliegenden Fall auch der Grundstückseigentümer. Der Bf. kann die Absicht der Steuerminderung für seine Person nicht mit der Begründung von sich weisen, er habe sich der von dem Grundstückseigentümer gewünschten Vertragsgestaltung fügen müssen. Wenn er an der mißbräuchlichen Vertragsgestaltung mitgewirkt hat, treffen ihn auch deren steuerliche Folgen.
Hiernach hat die Vorentscheidung im Ergebnis zu Recht bejaht, daß bereits der Vertrag vom 4. November 1959 ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG darstellt.
Das Finanzgericht hat auch zutreffend ausgeführt, daß der als "Ankaufspreis" bezeichnete Teil des Gesamtkaufpreises als Restkaufgeld erst später fällig werde. Mit Recht weist nun der Bf. darauf hin, daß in dieser späteren Fälligkeit eine zinslose Stundung zu erblicken ist, und begehrt Ansatz des durch Abzinsung nach den Vorschriften des BewG ermittelten tatsächlichen Wertes des Kaufpreises. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil II 55/58 U vom 9. September 1959 (BStBl 1960 III S. 200, Slg. Bd. 70 S. 537) ausgesprochen, daß nach § 14 Abs. 3 BewG Zwischenzinsen abzuziehen sind, wenn der auf Grund eines Grundstückskaufvertrags zu zahlende Kaufpreis längerfristig zinslos gestundet wird. § 14 Abs. 3 BewG gilt nun nur für unverzinsliche befristete Forderungen oder Schulden; ist für sie ein fester Zahlungstermin nicht bestimmt, so fallen sie nicht unter § 14 Abs. 3 BewG. Aus den Akten läßt sich kein Anhalt dafür gewinnen, ob etwa von einem festen Zahlungstermin für den Restkaufpreis ausgegangen werden kann. Die insoweit nicht spruchreife Sache wird unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Einspruchsentscheidung an das Finanzamt zurückverwiesen, das insoweit die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen haben wird. Sollte ein fester Zahlungstermin für den Restkaufpreis angenommen werden können, dann wäre nach den Grundsätzen des Urteils vom 9. September 1959 zu verfahren. Sollte dagegen ein fester Zahlungstermin nicht zugrunde gelegt werden können, dann wäre der Wert der gestundeten Restkaufpreisforderung nach § 14 Abs. 1 BewG zu schätzen.
Fundstellen
Haufe-Index 410661 |
BStBl III 1963, 46 |
BFHE 1963, 127 |
BFHE 76, 127 |