Leitsatz (amtlich)
Nur der Eigentümer kann einen Kleinbetrieb im Sinne des niedersächsischen Strukturgesetzes aufstocken.
Unter einem Erwerb im Sinne des niedersächsischen Strukturgesetzes ist dasselbe wie unter einem Erwerb im Sinne des GrEStG zu verstehen.
Niedersächsisches Gesetz über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Grundstücken zur Verbesserung der Struktur land- und forstwirtschaftlicher Betriebe vom 25. März
Normenkette
GrEAgrarGND 1/1/3
Tatbestand
Streitig ist, zu welchem Zeitpunkt der Erwerber eines Grundstücks, das der Aufstockung eines Kleinbetriebes dient, Eigentümer dieses Kleinbetriebes sein muß, um die Voraussetzungen für die Ausnahme von der Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 des niedersächsischen Gesetzes über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Grundstücken zur Verbesserung der Struktur land- und forstwirtschaftlicher Betriebe vom 25. März 1959 - Strukturgesetz - (Niedersächsisches GVBl 1959 S. 57, BStBl 1959 II S. 50) zu erfüllen.
Der Bf. ist nachgeborener Bauernsohn. Er heiratete am 16. Juni 1960 die jüngere von zwei Töchtern eines Bauern, die hinsichtlich des elterlichen Hofes nicht erbberechtigt war. Vor der Hochzeit des Bf. bemühten sich die Verwandten der damaligen Brautleute, dem Paar einen Ehegattenhof zu verschaffen. Zu diesem Zweck wurden kurz vor der Hochzeit, nämlich am 31. Mai 1960, drei notarielle Kaufverträge abgeschlossen. Durch Vertrag UR Nr. 394/60 erhielt der Bf. zunächst von seinem 86 Jahre alten Großonkel einen 9,9533 ha großen Hof übertragen. Anschließend übertrug ein Onkel des Bf. an diesen durch Vertrag UR Nr. 395/60 einen 1,6865 ha großen Grundbesitz, "um dessen soeben erworbenen Grundbesitz ... durch den Hinzuerwerb zu einem Familienbetrieb aufzustocken". Der Bf. seinerseits veräußerte durch den gleichen Vertrag an seinen Onkel ein 57,33 a großes Grundstück, das er durch den Vertrag UR 394/60 von seinem Großonkel erhalten hatte. In einem dritten Vertrag vom gleichen Tage übertrug die Schwester der damaligen Braut und heutigen Ehefrau des Bf. an diese zwei Grundstücke von zusammen rund 2,34 ha. Der von dem Großonkel und der von dem Onkel erworbene Grundbesitz waren zur Zeit des Erwerbs wirtschaftlich verbunden und an einen heimatvertriebenen Landwirt bis zum 28. Februar 1969 verpachtet.
Die Steuerpflicht des Vertrages UR Nr. 394/60 ist nicht streitig. Das Finanzamt hat auch den zweiten Erwerbsvorgang (UR Nr. 395/60) zur Grunderwerbsteuer herangezogen, da der erworbene Grundbesitz insgesamt eine wirtschaftliche Einheit darstelle, so daß es sich bei beiden Erwerben um den ersten Erwerb von landwirtschaftlichem Grundbesitz handele, der den Grundstock zu einem landwirtschaftlichen Betrieb bilden solle (Abschn. III Nr. 1 Buchstabe a Abs. 2 des Gemeinsamen Runderlasses des Niedersächsischen Ministers der Finanzen und des Niedersächsischen Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 16. März 1960 zum Strukturgesetz, BStBl 1960 II S. 75/76) und weil der Bf. den Hof nicht selbst bewirtschafte.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht vertrat die Ansicht, daß die Steuerbefreiung für einen Grunderwerb, der der Aufstockung eines Kleinbetriebes diene, nur dann nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Strukturgesetzes von der Grunderwerbsteuer befreit sei, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbs Eigentümer des zu vergrößernden Kleinbetriebes sei. Da im Streitfall der Kaufvertrag UR Nr. 395/60 am 29. Juni 1960 genehmigt worden sei, die Eintragung im Grundbuch für den Eigentumswechsel auf Grund des Kaufvertrages UR Nr. 394/60 aber erst nach dem 24. August 1960, dem Tage der Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung seitens des Finanzamts, erfolgt sein könne, lägen die Voraussetzungen für die Befreiung von der Grunderwerbsteuer nicht vor.
Entscheidungsgründe
Die Rb., mit der der Bf. sich gegen diese Auffassung der Vorinstanz wendet, ist nicht begründet.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Strukturgesetzes ist der Erwerb eines Grundstücks von der Besteuerung nach dem GrEStG auf Antrag ausgenommen, wenn er der Aufstockung eines landwirtschaftlichen Kleinbetriebes bis zur Größe eines Familienbetriebes dient. Zu Recht folgert das Finanzgericht aus Sinn und Wortlaut des Gesetzes, daß nur dann ein landwirtschaftlicher Betrieb "aufgestockt" werden kann, wenn dessen Eigentümer weiteren Grund und Boden hinzuerwirbt. Entscheidungserheblich ist somit, ob der Bf. im Zeitpunkt des "Erwerbs" des Grundstücks seines Onkels schon Eigentümer eines Kleinbetriebes war. Das könnte nur dann der Fall sein, wenn der Eigentumswechsel über den Hof des Großonkels des Bf. bis zu diesem Zeitpunkt in das Grundbuch eingetragen worden ist. Nach den eigenen Angaben des Bf. ist diese Grundbucheintragung am 29. September 1960 erfolgt. Es kommt also allein darauf an, ob der "Erwerb" des Grundstücks vor oder nach diesem Zeitpunkt eingetreten ist. Bürgerlich-rechtlich ist unter einem Erwerb, darin ist dem Bf. zuzustimmen, der Eigentumserwerb, also der Zeitpunkt der Eintragung im Grundbuch, zu verstehen. Wie der erkennende Senat im Urteil II 146/61 U vom 21. Dezember 1961 (BStBl 1962 III S. 162, Slg. Bd. 74 S. 431), auf dessen Gründe insoweit verwiesen wird, unter Bezugnahme auf seine frühere Rechtsprechung entschieden hat, gelten aber diese bürgerlich-rechtlichen Grundsätze nicht ohne weiteres für die Grunderwerbsteuer. Unter einem "Erwerb" ist grunderwerbsteuerrechtlich vielmehr der Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld zu verstehen, wenn ein Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 GrEStG der Genehmigung einer Behörde bedarf. Sie entsteht in einem derartigen Fall nach § 3 Abs. 5 Ziff. 5 Buchst. b des StAnpG mit der Genehmigung.
Diese für das GrEStG vom 29. März 1940 (RGBl 1940 I S. 585, RStBl 1940 S. 377) geltenden Grundsätze sind auch für das niedersächsische Strukturgesetz maßgebend, denn seine Befreiungsvorschriften sind an die Wortfassung des GrEStG, insbesondere an die seiner Begriffsbestimmungen, angelehnt worden. Deshalb ist unter einem "Erwerb" im Sinne des bezeichneten Gesetzes der Erwerb im Sinne des GrEStG zu verstehen.
Da die behördliche Genehmigung zu dem Kaufvertrag UR Nr. 395/60 unstreitig am 29. Juni 1960 erteilt worden war, ist der Erwerb im Sinne des Strukturgesetzes eingetreten, ehe der Bf. Eigentümer des aufzustockenden Kleinbetriebes geworden war. Hat aber am Stichtag nicht der Eigentümer, sondern der künftige Eigentümer des Kleinbetriebes Grund und Boden hinzuerworben, so kann die Steuerbefreiung nicht gewährt werden.
Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410859 |
BStBl III 1963, 407 |
BFHE 1964, 243 |
BFHE 77, 243 |
StRK, GrEStG:1 R 114 |