Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohneigentumsförderung nach § 10e EStG bei Erwerb einer Wohnung im Wege der Erbauseinandersetzung
Leitsatz (NV)
Erhält ein Miterbe im Wege der Erbauseinandersetzung gegen Ausgleichszahlung das Alleineigentum an einer eigengenutzten Wohnung, erwirbt er nur einen Anteil im Sinne des § 10e Abs. 1 Satz 6 EStG entgeltlich. Der Abzugshöchstbetrag nach § 10e Abs. 1 Satz 1 EStG steht ihm daher nur anteilig zu.
Normenkette
EStG § 10e
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger erbte im Jahr 1989 zusammen mit seinen beiden Geschwistern von der Mutter ein Einfamilienhaus. Im Rahmen der Erbauseinandersetzung erwarb der Kläger das Grundstück zu Alleineigentum gegen Zahlung von jeweils 180 000 DM an seine beiden Geschwister. Es entstanden Anschaffungsnebenkosten in Höhe von 2 562,49 DM. Nach Angaben des Klägers entfielen die Anschaffungskosten zu 15 v.H. (= 54 384 DM) auf den Grund und Boden. Vor dem Einzug im Jahr 1990 ließ er das Gebäude für 187 798 DM renovieren.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1993 machten die Kläger einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 15 000 DM geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) gewährte --anders als in den Vorjahren-- den Abzugsbetrag nur in Höhe von 10 000 DM, da der Kläger das Haus zu einem Drittel unentgeltlich erworben habe und ihm deshalb der Abzugshöchstbetrag von 15 000 DM nur zu 2/3 zustehe. Der Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid für 1993 war erfolglos.
Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 14 veröffentlicht ist, gab der Klage statt. Nach seiner Entscheidung erwirbt der Miterbe, der im Wege der Erbauseinandersetzung eine Wohnung gegen Ausgleichszahlung zu Alleineigentum übertragen erhält, nicht verschiedene Anteile, sondern ein Objekt, so daß der Abzugshöchstbetrag nach § 10e Abs. 1 Satz 1 EStG nicht gemäß § 10e Abs. 1 Satz 6 EStG zu kürzen sei.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10e EStG. Es vertritt die Auffassung, der Miterbe erwerbe einen Anteil an der Wohnung unentgeltlich im Wege der Erbfolge und einen Anteil entgeltlich von den Miterben. Für den entgeltlichen Anteilserwerb stehe dem Miterben der Abzugshöchstbetrag nur anteilig zu.
Das FA beantragt, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger haben keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Zu Unrecht hat das FG den Abzugshöchstbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG in Höhe von 15 000 DM gewährt.
a) Nach § 10e Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige bei Anschaffung einer eigengenutzten Wohnung im eigenen Haus --unter weiteren Voraussetzungen-- im Jahr der Anschaffung und in den folgenden sieben Jahren 5 v.H. der Anschaffungskosten, höchstens jeweils 15 000 DM wie Sonderausgaben abziehen. "Bei einem Anteil an der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung" kann er "nur den entsprechenden Teil der Abzugsbeträge nach Satz 1" abziehen (§ 10e Abs. 1 Satz 6 EStG).
b) Nach der zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidung des Senats vom 28. Juli 1999 X R 66/95 erwirbt der Miterbe, der im Wege der Erbauseinandersetzung das Alleineigentum an einer eigengenutzten Wohnung gegen Ausgleichszahlung an den anderen Miterben übertragen erhält, nur einen Anteil an der Wohnung entgeltlich. Der Senat hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
aa) Nach dem Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Juli 1990 GrS 2/89 (BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837) bilden Erbfall und Erbauseinandersetzung für die Einkommensbesteuerung keine rechtliche Einheit; die Auseinandersetzung ist weder zivilrechtlich noch einkommensteuerrechtlich Bestandteil des Erbfalls.
Wird durch die Aufteilung des Nachlasses im Wege der Auseinandersetzung lediglich der erbrechtliche Auseinandersetzungsanspruch erfüllt, liegt kein Anschaffungs- oder Veräußerungsgeschäft vor (BFHE 161, 332, 347, BStBl II 1990, 837, unter C. II. 2. a). Mit der Übertragung des Vermögens auf die Miterben genügt die Erbengemeinschaft deren erbrechtlichem Auseinandersetzungsanspruch, welcher durch die Auseinandersetzungsvereinbarung konkretisiert wird. Die einkommensteuerrechtlichen Folgen entsprechen denjenigen der Liquidation einer Personengesellschaft. In der Erfüllung des --konkretisierten-- Auseinandersetzungsanspruchs liegt nach den Grundsätzen der BFH-Entscheidung vom 19. Januar 1982 VIII R 21/77 (BFHE 135, 282, BStBl II 1982, 456) weder ein Tausch von Miteigentumsrechten zwischen den Gesellschaftern noch ein Tausch eines untergehenden Gesellschaftsanteils gegen einzelne Vermögensgüter zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft; ein derartiger Tausch kann deshalb auch nicht zwischen der Erbengemeinschaft und den Miterben angenommen werden (BFHE 161, 332, 347, BStBl II 1990, 837, unter C. II. 1. d). Bei der Realteilung des Nachlasses ohne Abfindungszahlungen liegt somit insgesamt ein unentgeltlicher Erwerb vor.
Erhält der Miterbe bei der Auseinandersetzung mehr an Vermögen als ihm aufgrund seines Erbanteils zusteht und hat er deshalb die Miterben abzufinden (Realteilung mit Abfindungszahlung), liegt insoweit ein entgeltliches Geschäft vor. Die Ausgleichszahlungen sind bei ihm Anschaffungskosten und zwar grundsätzlich auch dann, wenn sie im Rahmen einer gegenständlichen Auseinandersetzung über einen Teil des Vermögens der Erbengemeinschaft erbracht werden (BFHE 161, 332, 347, 348, BStBl II 1990, 837, unter C. II. 2. a, b).
In Höhe seines Erbanteils erwirbt der Miterbe unentgeltlich. Insoweit wird der --mit dem Erbfall entstandene-- erbrechtliche Auseinandersetzungsanspruch erfüllt. Soweit der Miterbe gegen Abfindungszahlung mehr erhalten soll, als ihm aufgrund seines Erbanteils zusteht, liegt ein Anschaffungsgeschäft vor. Da sich eine derartige Abwicklung nicht aus dem erbrechtlichen Auseinandersetzungsanspruch ergibt, bedarf es hierzu einer besonderen Vereinbarung unter den Beteiligten. Es handelt sich daher bei der Realteilung mit Abfindungszahlung um zwei als rechtlich selbständig zu beurteilende Vorgänge (gl.A. z.B. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1991 VIII R 51/84, BFHE 166, 431, 436, 437, BStBl II 1992, 512, unter II. 2. a; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 11. Januar 1993 IV B 2 -S 2242- 86/92, BStBl I 1993, 62, Rz. 14, 28; Ruban, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1991, 65, 67; Groh, Der Betrieb --DB-- 1990, 2135, 2138; Stephan, DB 1991, 2051; Märkle, DStR 1994, 812, 815).
bb) Erwirbt ein Miterbe im Wege der Erbauseinandersetzung das Alleineigentum an einer eigengenutzten Wohnung, sind die dafür geleisteten Ausgleichszahlungen an die Miterben nach der vorstehenden Rechtsprechung Anschaffungskosten und als solche nach § 10e Abs. 1 EStG begünstigt. Da die Erfüllung des Auseinandersetzungsanspruchs durch Realteilung und die Abfindungsvereinbarung nicht auf einem einheitlichen Rechtsvorgang beruhen und die aufgrund der Erbauseinandersetzungsvereinbarung zu leistende Abfindung nur für das bezahlt wird, was der Miterbe mehr erhält, als ihm aufgrund seines Erbanteils zusteht, erwirbt er aufgrund der Erbauseinandersetzung nur einen Anteil an der Wohnung entgeltlich (h.M., z.B. BMF-Schreiben vom 31. Dezember 1994 IV B 3 -S 2225 a- 294/94, BStBl I 1994, 887, Rz. 66 Beispiel 3; Stephan, DB 1991, 1038, 1090; Meyer in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 10e EStG Anm. 133; Stuhrmann in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10e Rz. 41 ff.). Der Abzugshöchstbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG steht ihm daher gemäß § 10e Abs. 1 Satz 6 EStG nur anteilig im Umfang des entgeltlichen Erwerbs zu.
c) Das FA ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger einen Anteil an dem Einfamilienhaus von einem Drittel unentgeltlich im Wege der Erbfolge und einen Anteil von zwei Drittel entgeltlich von den Miterben erworben hat. Ihm steht daher der Abzugshöchstbetrag nur anteilig in Höhe von 10 000 DM zu.
d) Den Abzugshöchstbetrag kann der Kläger auch nicht aufgrund seines Alleineigentums beanspruchen. Der unentgeltlich und der entgeltlich erworbene Anteil bleiben steuerrechtlich selbständige Objekte, auch wenn der Miterbe zivilrechtlich nach der Erbauseinandersetzung Alleineigentümer der Wohnung geworden ist. Denn mehrere Anteile an einer nach § 10e EStG begünstigten Wohnung werden nur dann als einheitliches Objekt behandelt, wenn der Steuerpflichtige die Anteile bis zum Ende des ersten Jahres des Abzugszeitraums angeschafft, also entgeltlich erworben hat (Senatsurteil vom 9. November 1994 X R 69/91, BFHE 176, 110, BStBl II 1995, 258). Der unentgeltliche Erwerb und der entgeltliche Erwerb von Grundstücksanteilen aufgrund unterschiedlicher Rechtsvorgänge (Erbfall und Erbauseinandersetzung) können dagegen nicht zusammengerechnet werden, weil der unentgeltliche Erwerb eines Anteils nicht begünstigt ist. Eine Verschmelzung zu einem Objekt könnte nur angenommen werden, wenn man der herrschenden Meinung folgte, der Erbe trete hinsichtlich der Anschaffungs-/Herstellungskosten in die Rechtsstellung des Erblassers ein (vom Senat bisher offen gelassen, vgl. z.B. Urteil vom 23. Oktober 1996 X R 138/93, BFH/NV 1997, 391, m.w.N.) und Anschaffung/Herstellung durch den Erblasser sowie Erbfall und Erbauseinandersetzung in dasselbe Jahr fielen.
Fundstellen
Haufe-Index 422525 |
BFH/NV 2000, 311 |