Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet es nicht, Pensionsrückstellungen für Anwartschaften beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften, die nach neuerer Rechtsprechung nicht mehr zulässig sind, für den Veranlagungszeitraum 1958 noch anzuerkennen.
Die nach neuerer Rechtsprechung nicht mehr zulässigen Pensionsrückstellungen für Anwartschaften beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften können nicht ohne weiteres in Rückstellungen für nicht ausgezahltes Gehalt umgedeutet werden.
Normenkette
KStG § 6; EStG §§ 5, 6a
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige - Stpfl. -) ist eine GmbH, deren Anteile zu 50,2 % dem Gesellschafter X gehören. Dieser wurde am 24. Juni 1959 als Geschäftsführer eingetragen, hatte aber schon in den früheren Jahren im vollen Umfang die Tätigkeit eines Geschäftsführers ausgeübt.
Die Stpfl. sagte dem Gesellschafter X am 25. Februar 1950 eine Alters-, Invaliden- und Witwenrente zu, die am 14. August 1957 neu gefaßt wurde.
Für die durch diese Zusage begründete Anwartschaft bildete die Stpfl. Pensionsrückstellungen, die der Revisionskläger (Finanzamt - FA -) bis einschließlich 1957 anerkannte. Vom Streitjahr 1958 an ließ das FA den Abzug der Zuführung zur Pensionsrückstellung für die Mannesrente im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) über Pensionsrückstellungen für Anwartschaften beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften nicht mehr zu.
Am 20. Dezember 1961 schloß die Stpfl. mit X. folgende Vereinbarung:
Veranlaßt durch die Rechtsprechung über die steuerliche Behandlung der den Gesellschafter-Geschäftsführern eingeräumten Versorgungsansprüche schließen die Beteiligten ... nach Kenntnis der Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 4. August 1961 folgende Vereinbarung:
I. Herr X. verzichtet mit sofortiger Wirkung unwiderruflich auf die ihm persönlich im Vertrag vom 25. Februar 1950 eingeräumten Versorgungsansprüche gegen die Firma W. (Stpfl.).
II. Die Firma W. nimmt diesen Verzicht hiermit an und verpflichtet sich, an Herrn X als Gegenleistung für diesen Verzicht DM .... bis spätestens 31. Dezember 1961 zu bezahlen.
Die Beteiligten stellen fest, daß der vorgenannte Betrag den versicherungsmathematisch errechneten Rückstellungsbetrag für die Versorgungsansprüche des Herrn X, die zufolge der geänderten Rechtsprechung und der erlassenen Verwaltungsanordnung mit gewinnerhöhender Wirkung für die schuldnerische Gesellschaft aufzulösen wäre, nicht übersteigt.
III. Einigkeit besteht zwischen den Vertragschließenden darüber, daß in der Zusage vom 25. Februar 1950 der Ehefrau des Herrn X. eingeräumten Versorgungsansprüche (Witwenpension) durch die vorstehende Vereinbarung nicht berührt werden.
Der Einspruch gegen die Körperschaftsteuerveranlagungen 1958 bis 1960 hatte keinen Erfolg.
Auf die Berufung hin änderte das Finanzgericht (FG) die angegriffenen Bescheide dahin, daß die Zuführung zur Pensionsrückstellung für 1958 in vollem Umfang die Zuführungen zur Pensionsrückstellung für 1959 und 1960 nur zu einem auf die Invalidität entfallenden Teil anerkannt wurden.
Zur Begründung führt das FG in seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1966 S. 529 veröffentlichten Urteil aus: Da die Urteile des BFH I 11/58 S vom 5. Mai 1959 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 69 S. 286 - BFH 69, 286 -, BStBl III 1959, 369) und I 4/59 S vom 4. August 1959 (BFH 69, 299, BStBl III 1959, 374) erst gegen Ende des Jahres 1959 durch Veröffentlichung im BStBl bekanntgemacht worden seien, hätten sich die bisher auf die anerkannte Rückstellungsfähigkeit vertrauenden Steuerpflichtigen erst von diesem Zeitpunkt an auf die geänderte Rechtslage einrichten können. Für 1958 hätten sie an der getroffenen Disposition - geringere Gehaltsbezüge im Hinblick auf die Pensionszusage - nichts mehr ändern können. Dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes komme entscheidende Bedeutung zu. Daher sei die im Jahre 1958 gemachte weitere Zuführung zur Pensionsrückstellung anzuerkennen.
Das gleiche gelte aber nicht für die Jahre 1959 und 1960, da Zuführungen zur Pensionsrückstellung für diese Jahre erst nach Kenntnis der neuen Rechtsauffassung des BFH vorgenommen worden seien. Nach dieser neuen Rechtsprechung des BFH könnten die Pensionsrückstellungen nur anerkannt werden, wenn besondere Umstände vorliegen, die darauf schließen ließen, daß die Einstellung der Tätigkeit des Gesellschafters X. nicht von seiner Willensentscheidung abhängen werde. Solche Umstände lägen nicht vor. Auch eine Umdeutung der Pensionsrückstellungen für die Jahre 1959 und 1960 in Gehaltsbezüge, die nach Auffassung der Stpfl. in der Vereinbarung vom 20. Dezember 1961 zu erblicken sei, komme nicht in Betracht. Sie laufe auf eine rückwirkende vorübergehende Gehaltserhöhung hinaus, die nach ständiger Rechtsprechung steuerlich nicht anerkannt werden könne.
Die Revision des FA, mit der die Verletzung bestehenden Rechts gerügt wird (§ 6 Abs. 1 KStG, § 4 Abs. 1, §§ 5, 6, 6 a EStG), richtet sich nur gegen die Entscheidung des FG über die Körperschaftsteuer des Jahres 1958. Das FA vertritt die Auffassung nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH bestehe kein Schutz des Vertrauens auf die Fortgeltung bestimmter Rechtsauffassungen.
Die Stpfl. nimmt dagegen einen derartigen Vertrauensschutz in Anspruch. Hilfsweise verweist sie auf ihr Vorbringen im Verfahren vor dem FG, daß die auf das Jahr 1958 entfallende Pensionsrückstellung auf Grund der Vereinbarung vom 20. Dezember 1961 in eine Gutschrift für Gehalt umzudeuten sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. In ständiger Rechtsprechung hat der BFH entschieden, daß Rückstellungen für Pensionszusagen zugunsten eines Gesellschafter- Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft, der zu mehr als 50 v. H. an der Gesellschaft beteiligt ist, nur dann anzuerkennen sind, wenn nachgewiesen wird, daß die Gesellschaft ernstlich mit einer Inanspruchnahme aus der Pensionszusage rechnen muß. An diesen Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen, da der Gesellschafter-Geschäftsführer infolge seiner beherrschenden Stellung die Zusage jederzeit rückgängig machen oder aber seinen Entschluß durchsetzen kann, über den vorgesehenen Tag des Ausscheidens hinaus als Geschäftsführer tätig zu sein (Urteil des BFH I 193/62 S vom 15. Dezember 1965, BFH 84, 557, BStBl III 1966, 202, mit Angaben über die bisherige Rechtsprechung). Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung gebilligt (Beschluß 1 BvR 488/62 vom 11. November 1964, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965 Nr. 77 S. 92).
Das FG geht zutreffend davon aus, daß nach diesen Grundsätzen die Zuführung zur Pensionsrückstellung im Jahre 1958 für den Gesellschafter X steuerlich nicht in vollem Umfang anerkannt werden könnte. Die Tatsache, daß der Gesellschafter X erst am 24. Juni 1959 förmlich zum Geschäftsführer bestellt wurde, hindert die Anwendung der angeführten Rechtsprechung nicht. Die Stpfl. hat selbst zugegeben, daß X schon mehrere Jahre vorher in vollem Umfang die Tätigkeit eines Geschäftsführers ausgeübt hat. Das kann nur bedeuten, daß ihm das Recht zur Geschäftsführung eingeräumt war. Darauf kommt es entscheidend an, die spätere Eintragung in das Handelsregister (§ 39 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) wirkt nur rechtsbezeugend.
Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet es nicht, die Pensionsrückstellung für das Streitjahr noch zuzulassen. Das Vertrauen eines Steuerpflichtigen darauf, daß eine bisher angewandte Rechtsauffassung auch in Zukunft gelten werde, wird grundsätzlich nicht geschützt. Denn das FA hat in jedem Veranlagungszeitraum erneut zu prüfen, welche Körperschaftsteuer nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldet wird. Es ist dabei nur an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) und darf daher eine inzwischen als unrichtig erkannte rechtliche Beurteilung der Veranlagung nicht mehr zugrunde legen. Der Senat hat eine Ausnahme von diesem Grundsatz insofern anerkannt, als er eine Pflicht zur Auflösung früher gebildeter Pensionsrückstellungen, die nach neuer Rechtsauffassung nicht mehr zulässig wären, verneint hat (Urteil des BFH I 188/61 S vom 26. Juni 1962, BFH 75, 366, BStBl III 1962, 399). Zur Begründung hat er nicht nur darauf hingewiesen, daß sich die frühere Bildung der Pensionsrückstellungen auf die Höhe des dem Gesellschafter-Geschäftsführer gewährten Gehalts ausgewirkt habe - ein Gedanke, der nach Auffassung des FG auch noch für das Streitjahr zuträfe -, sondern auch darauf, daß die Steuerpflichtigen nach der früher herrschenden Rechtsmeinung darauf hätten vertrauen dürfen, daß ihnen die Rückstellung erhalten bleiben werde und nicht wegen der änderung der rechtlichen Beurteilung gewinnerhöhend aufzulösen sei. Durch die Auflösung entstünde gegebenenfalls ein sehr hoher Buchgewinn, der in Wirklichkeit im späteren Veranlagungszeitraum nicht erzielt worden sei. Aus dieser Begründung folgt, daß die Ausnahme von dem Grundsatz, daß das FA an die Sachbehandlung in einem früheren Veranlagungszeitraum nicht gebunden ist, auf die Frage der Auflösung früher gebildeter Pensionsrückstellungen beschränkt sein sollte. Noch deutlicher ergibt sich das aus dem Urteil des Senats I 247/62 U vom 16. September 1964 (BFH 80, 488, BStBl III 1964, 650), das sich zu der Auffassung im Urteil I 188/61 S, a. a. O., bekannt, aber dann darauf hingewiesen hat, daß es eine andere Frage sei, ob das FA weitere Zuführungen zu der Pensionsrückstellung habe versagen dürfen. In diesem Punkt hat der Senat an dem Grundsatz festgehalten, daß dem FA gestattet ist, in einem späteren Veranlagungszeitraum hinsichtlich der steuerrechtlichen Beurteilung eines Sachverhalts von seiner Beurteilung des gleichen Sachverhalts in einem früheren Veranlagungszeitraum abzuweichen, soweit es bei dieser von einer falschen Rechtsauffassung ausgegangen ist. Daran hält der Senat auch im Streitfall fest.
Es ist auch nicht möglich, die Pensionsrückstellung für den Gesellschafter X, die auf das Streitjahr entfällt, in eine Gutschrift für Gehalt umzudeuten. Die steuerliche Beurteilung muß sich grundsätzlich nach dem Sachverhalt richten, wie er im Streitjahr von den Beteiligten tatsächlich gestaltet wurde (Urteil des BFH I 154/58 U vom 17. Februar 1959, BFH 68, 658, BStBl III 1959, 250). An dem für den Veranlagungszeitraum 1958 maßgebenden Bilanzstichtag hatte aber der Gesellschafter X gegen die Stpfl. aus der Pensionszusage lediglich eine Anwartschaft auf eine Alters-, Invaliden- und Witwenrente. Die Vereinbarung vom 20. Dezember 1961 kann zwar so ausgelegt werden, daß diese Anwartschaft in einem Anspruch auf zusätzliches Gehalt, fällig am 31. Dezember 1961, umgewandelt wurde (§ 305 BGB). Diese änderung des Schuldverhältnisses trat nach dem Wortlaut des Vertrags "mit sofortiger Wirkung", aber nicht mit Rückwirkung auf das Streitjahr ein. Daher könnte schon mangels eines dahin gehenden Parteiwillens nicht angenommen werden, daß die Stpfl. ihrem Gesellschafter X am 31. Dezember 1958 den Betrag der Zuführung zur Pensionsrückstellung von ... DM als zusätzliches Gehalt geschuldet habe. Einer derartigen rückwirkenden Abänderung des Schuldverhältnisses könnte außerdem nur in Ausnahmefällen steuerliche Bedeutung beigelegt werden (Urteile des BFH I 154/58 U, a. a. O., und I 65/61 U vom 10. April 1962, BFH 74, 690, BStBl III 1962, 255). Insbesondere müßte sie spätestens bei Aufstellung der Bilanz des betreffenden Jahres vereinbart worden sein. Es ist daher nicht richtig, daß in allen Fällen, in denen Pensionsrückstellungen für den Gesellschafter-Geschäftsführer steuerlich nicht mehr anerkannt werden, die Beteiligten verlangen könnten, daß die nicht zulässigen Pensionsrückstellungen in eine Rückstellung für nicht ausgezahltes Gehalt umgedeutet und steuerlich dementsprechend behandelt werden. Die Urteile des Senats I 306/56 vom 23. Juli 1957 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Körperschaftsteuergesetz, § 6 Abs. 1 Satz 2, Rechtsspruch 35) und I 216/60 U vom 10. April 1962 (BFH 75, 137, BStBl III 1962, 318), in denen eine derartige Umdeutung für möglich gehalten worden ist, stellen auf einen Sonderfall ab, der dadurch gekennzeichnet ist, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer anstelle einer anderen Vergütung eine Pensionszusage erhält. In diesem Fall erscheint die Umdeutung in eine Rückstellung für Gehalt deshalb geboten, weil angenommen werden muß, daß die Gesellschaft dem Gesellschafter-Geschäftsführer am maßgeblichen Bilanzstichtag eine Vergütung irgendwelcher Art schuldete. Wird das Bestehen einer Pensionsverpflichtung nicht anerkannt, so hatte die Gesellschaft jedenfalls ein Gehalt in angemessener Höhe zu zahlen. Deshalb darf, wenn die Bilanz nicht falsch sein soll, die Pensionsrückstellung nicht ersatzlos gestrichen werden. Anders verhält es sich aber, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer, wie im Streitfall, neben einem Gehalt und sonstigen Bezügen, die die Grenze der Angemessenheit nicht offensichtlich unterschreiten, eine Pensionszusage erhalten hat. In diesem Fall kann nicht unterstellt werden, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer bei einem Wegfall der Anwartschaft auf die Pension ohne weiteres ein zusätzliches Gehalt in entsprechender Höhe fordern konnte.
Somit kommt im Streitjahr aus der Pensionszusage für den Gesellschafter X nur die unstreitige Rückstellung für die Witwenrente und nach den Grundsätzen des Urteils des BFH I 193/62 S, a. a. O., eine Rückstellung für die Invalidenrente in Betracht. Ob die Rückstellung für die Invalidenrente anzuerkennen ist, kann der Senat indes nicht abschließend prüfen. Für diese Frage kann es von Bedeutung sein, ob die Stpfl. (entsprechend dem Erlaß des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, S 2520 - 21/26 - 51605 I vom 4. August 1961, BStBl II 1961, 132 (135)) den Betrag der begehrten Rückstellung in Höhe von ... DM, der nach ihren eigenen Angaben in der Abfindung von ... DM auf Grund der Vereinbarung vom 20. Dezember 1961 enthalten war, im Veranlagungszeitraum 1961 mit steuerlicher Wirkung als Aufwand behandelt hat. Hat sie das getan, dann steht ihr Begehren im gegenwärtigen Rechtsstreit, den Betrag als Pensionsrückstellung für das Jahr 1958 anzuerkennen, im Widerspruch zu der von ihr vorgenommenen Behandlung des Betrags im Veranlagungszeitraum 1961. Eine Rückstellung für die Invalidenrente könnte dann schon aus diesem Grunde nicht anerkannt werden.
Zur Prüfung dieser Frage geht die Sache an das FG zurück. Die übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung vom 11. Oktober 1960 (BStBl 1960 III S. 492, Slg. Bd. 71
Fundstellen
Haufe-Index 412378 |
BStBl III 1967, 154 |
BFHE 1967, 345 |
BFHE 87, 345 |
DB 1967, 362 |
DStR 1967, 199 |