Leitsatz (amtlich)
Arbeitnehmern einer Brauerei darf steuerfreier Haustrunk auch für den Vertrieb von Bier gewährt werden, das in einem anderen Betrieb des Brauereiunternehmens hergestellt worden ist.
Normenkette
BierStG § 7 Abs. 1; BierStDB § 12 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt unter ihrem Namen die Brauerei A. Sie hat inzwischen zwei weitere Brauereien gepachtet, darunter die Brauerei X. Auch diese Brauereien betreibt sie unter ihrem Namen; sie haben keine rechtliche Selbständigkeit.
Aus organisatorischen Gründen wird in den zollamtlich angemeldeten Räumen der Brauerei X von Arbeitnehmern der Klägerin auch Bier abgefüllt und von dort vertrieben, das in den beiden anderen Brauereien hergestellt worden ist.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt –HZA–) ist der Auffassung, daß den Arbeitnehmern, soweit sie Bier aus den anderen Brauereien abfüllen und vertreiben, für ihre Tätigkeit kein steuerfreier Haustrunk zustehe. Durch Steuerbescheid vom 11. November 1977 forderte er deshalb für einen bestimmten Zeitraum Biersteuer in Höhe von 10 468,80 DM nach. Durch Änderungsbescheid vom 8. Dezember 1977 erhöhte er diesen Betrag auf 12 944,50 DM.
Auf die dagegen erhobene Sprungklage hob das Finanzgericht (FG) den Steuerbescheid i. d. F. des Änderungsbescheids auf. In den Entscheidungsgründen führte das FG aus:
Der Nachforderungsbescheid verletzte die Klägerin in ihren Rechten. Der Berechnung des steuerfreien Haustrunks sei die gesamte Zahl der in der sog. Vertriebsstation tätigen Arbeiter zugrunde zu legen. Die in dieser Weise errechnete Höchstmenge sei nicht insoweit zu kürzen, als die Arbeitnehmer mit dem Abfüllen und dem Vertrieb des in den anderen Brauereien hergestellten Bieres befaßt seien. Brauerei i. S. der §§ 7 des Biersteuergesetzes (BierStG), 12 der Durchführungsbestimmungen zum Biersteuergesetz (BierStDB) sei der Brauereiunternehmer als Arbeitgeber und nicht die Braustätte als örtlich begrenzte Räumlichkeit. Das folge daraus, daß der Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem Wort „Brauerei” die Begriffe „Arbeitnehmer” bzw. „Angestellte und Arbeiter” gebrauche. Diese Auslegung entspreche auch dem Sinn und Zweck der Steuerbefreiung des Haustrunks, die an den arbeitsrechtlichen Sinn des Haustrunks anknüpfe, Konflikte zwischen dem Unternehmer und den Arbeitnehmern zu vermeiden und Bierdiebstähle zu verhindern.
Das HZA legte gegen das Urteil mit folgender Begründung Revision ein:
Ein Brauereiunternehmer beschäftige seine Arbeitnehmer stets in der Weise, daß er ihnen bestimmte Aufgaben übertrage und ihnen damit bestimmte, vielfach örtlich bzw. räumlich abgrenzbare Arbeitsbereiche zuweise. Für einen Unternehmer, der Inhaber mehrerer Braustätten sei, bedeute das, daß er seine Arbeitnehmer regelmäßig einer bestimmten Braustätte zuordne, als deren Angehöriger der einzelne Arbeitnehmer dann allgemein angesehen werde.
Schon der Reichsfinanzhof (RFH) habe den Begriff „Brauerei”, der der Haustrunkregelung zugrunde liege, im gleichen Sinne wie in § 3 Abs. 1 BierStG –„Brauereibetrieb”– verstanden (Urteil vom 2. Juni 1926 IV A 53/26, RFHE 19, 118). Das in die Braustätte X zur Abfüllung verbrachte Bier sei „Fremdbier”. Die hierauf bezogene Tätigkeiten seien, wie der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 6. April 1971 VII R 55/68 (Vorschriftensammlung Bundesfinanzverwaltung –VSF– V 3401 E 18) ausgeführt habe, biersteuerrechtlich nicht begünstigt. Der BFH habe in dieser Entscheidung nicht zu erkennen gegeben, daß es zwei Arten von Fremdbier gebe und daß das Bier aus der Brauerei eines anderen Inhabers anders zu behandeln sei als das Bier aus einer anderen Brauerei des Inhabers der Brauerei, in deren Räumen das Bier abgefüllt werde. Auch der BFH habe in der genannten Entscheidung unter „Brauerei” den Herstellungsbetrieb verstanden.
Folge man dem vom FG eingenommenen Standpunkt, so gelange man zu folgendem Ergebnis: Der Inhaber mehrerer Braustätten könne sein Unternehmen optimal rationalisieren, ohne steuerrechtliche Nachteile befürchten zu müssen. Er könne die Brauereibetriebe zu seinem Vorteil für die Inanspruchnahme der Biersteuerstaffel nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BierStG als getrennte Betriebe ansehen und sie für die Steuerbefreiung des Haustrunks als Einheit behandeln. Demgegenüber müßten Brauer, die aus Rationalisierungsgründen die Herstellung bestimmter Biersorten aufgeben und diese zur Aufrechterhaltung ihres vorherigen Sortiments in der Zukunft aus dem Herstellungsbetrieb eines anderen Brauers beziehen müßten, eine Kürzung der Haustrunkmenge für die Abfüllung und den Vertrieb des aus anderen Herstellungsbetrieben bezogenen Bieres hinnehmen. Bei einer Bestätigung des Standpunkts des FG müsse außerdem damit gerechnet werden, daß dann auch für mehrere rechtlich selbständige Brauereien, die verbundene Unternehmen (§ 15 des Aktiengesetzes –AktG–) seien, z. B. zu einem Konzern (§ 18 AktG) gehörten, in bezug auf die Gewährung steuerfreien Haustrunks – nicht jedoch für die Anwendung der Mengenstaffel – die Behandlung als Brauereibetrieb gefordert würde.
Das HZA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus, das HZA verkenne, daß der Begriff „Brauerei” i. S. des § 7 Abs. 1 BierStG eine umfassende Bedeutung habe und erst in § 12 BierStDB in seine möglichen Bedeutungen „Brauereiunternehmen” und „Braustätte” zerlegt werde. Das FG habe bei seiner Entscheidung zu Recht auf die Brauerei als Brauereiunternehmen abgestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet
Das FG hat zutreffend entschieden, daß der Nachforderungsbescheid die Klägerin in ihren Rechten verletzte. Das HZA ist nicht befugt, die Monatsmengen an steuerfreiem Bier, soweit sie für das Abfüllen von Bier in Räumen der Brauerei X an Arbeitnehmer der Klägerin abgegeben werden, zu kürzen.
Nach § 7 Abs. 1 BierStG ist Bier nach näherer Bestimmung des Bundesministers der Finanzen (BdF) von der Steuer befreit, das von Brauereien an ihre Arbeitnehmer als Haustrunk abgegeben wird in § 12 Abs. 1 Satz 1 BierStDB hat der BdF näher bestimmt, an welche Arbeitnehmer steuerfreies Bier als Haustrunk abgegeben werden darf. Dazu gehören die Arbeitnehmer, die mit der Beschaffung oder Behandlung der zur Bierherstellung bestimmten Rohstoffe, der Herstellung des Bieres oder seinem Vertrieb aus der Brauerei und den auf Rechnung der Brauerei geführten Niederlagen unmittelbar oder mittelbar beschäftigt sind.
Die Arbeitnehmer, die in den genannten Räumen der Brauerei X Bier abfüllen, sind mit dem Vertrieb des Bieres aus der Brauerei beschäftigt, und zwar auch insoweit, als das Bier in den beiden anderen Brauereien der Klägerin hergestellt worden ist.
Zum Vertrieb gehören alle Tätigkeiten, die mit dem Absatz des Bieres durch die Brauerei zusammenhängen. Diese Maßnahmen können auch, wie der Streitfall zeigt, in Räumen vorgenommen werden, die mit der Brauerei, in der das Bier hergestellt worden ist, nicht zusammenhängen. Daraus ergibt sich, daß die Zugehörigkeit der Arbeitnehmer zur Brauerei, die mit dem Vertrieb des Bieres aus der Brauerei befaßt sind, nicht nach dem räumlichen Zusammenhang ihres Arbeitsplatzes mit der Brauerei zu beurteilen ist, in der das Bier, das vertrieben wird, hergestellt worden ist. Vielmehr muß ein gewerblicher Zusammenhang zwischen der Vertriebstätigkeit, die die Arbeitnehmer verrichten, und der Brauerei als maßgebend angesehen werden (so auch RFH, vgl. Urteil vom 2. Dezember 1938 V z 166/37, RFHE 45, 275, 277).
Eine Bestätigung dafür ergibt sich auch daraus, daß nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BierStDB Bier steuerfrei ist, das als Haustrunk an Arbeitnehmer abgegeben wird, die in den auf Rechnung der Brauerei geführten Niederlagen beschäftigt sind (vgl. Urteil des RFH in RFHE 19, 118, 119). Das bedeutet, daß die Arbeitnehmer im Brauereiunternehmen tätig sein müssen, allerdings in dem Bereich des Unternehmens, in dem die in § 12 Abs. 1 Satz 1 BierStDB genannten Tätigkeiten verrichtet werden. Das ist das „eigentliche” Brauereiunternehmen (Urteil des RFH in RFHE 45, 275, 277). Liegen diese Voraussetzungen vor, ist es unschädlich, wenn eine räumliche Verbindung des Arbeitsplatzes zur Brauerei als Herstellungsbetrieb fehlt (vgl. Urteil des RFH vom 11. Juli 1928 IV A 180/28, Reichszollblatt 1928 S. 300 – RZBl 1928, 300 –).
Danach reicht es allerdings nicht aus, daß zwischen den Arbeitnehmern und der Brauerei ein Beschäftigungsverhältnis besteht. Vielmehr ist darüber hinaus erforderlich, daß der Arbeitnehmer eine der in § 12 Abs. 1 Satz 1 BierStDB genannten Tätigkeit im Rahmen des eigentlichen Brauereiunternehmens verrichtet.
In Streitfall sind die genannten drei Brauereien der Klägerin gewerblich in einem Brauereiunternehmen zusammengefaßt Das folgt daraus, daß die Klägerin alle drei Brauereien unter ihrem Namen betreibt und daß die zwei angepachteten Brauereien, wie das FG dargelegt hat auch rechtlich keine Selbständigkeit besitzen. Unter diesen Umständen wird der Zusammenhang einer Vertriebstätigkeit i. S. des § 12 BierStDB zum Brauereiunternehmen der Klägerin nicht schon dadurch unterbrochen, daß ihre Arbeitnehmer Bier aus einer der Brauereien als Herstellungsbetrieb in den Räumen einer der anderen Brauereien ihres Unternehmens abfüllen.
Das HZA weist zwar zutreffend darauf hin, daß der RFH bei seiner Entscheidung in dem Urteil in RFHE 19, 118 davon ausgegangen ist daß als Brauerei der Betrieb einer Braustätte zum Zweck der Herstellung von Bier anzusehen sei. Es läßt aber unberücksichtigt, daß der RFH bei der Entscheidung, welchen Arbeitnehmern steuerfreier Haustrunk gewährt werden kann, gerade nicht auf die in jedem Fall vorhandene enge räumliche Verbindung des Arbeitsplatzes zum Herstellungsbetrieb abgestellt hat. Maßgebend für die Entscheidung des RFH war vielmehr allein, daß der gewerbliche Zusammenhang zwischen dem Betrieb, in dem die Arbeitnehmer tätig waren, und dem Herstellungsbetrieb nicht bestand.
Nun kann trotz des gewerblichen Zusammenhangs zwischen der Tätigkeit der Arbeitnehmer und dem Herstellungsbetrieb die Gewährung steuerfreien Haustrunks deshalb zu versagen sein, weil die ausgeübte Tätigkeit nicht als Tätigkeit im eigentlichen Brauereibetrieb gewertet werden kann. Das kommt etwa dann in Betracht, wenn die Tätigkeit zwar im betriebswirtschaftlichen Interesse der Brauerei liegt, gleichwohl aber nicht den Tätigkeiten zugeordnet werden kann, die in § 12 Abs. 1 Satz 1 BierStDB genannt sind. Als eine solche Tätigkeit hat der BFH die Ausbesserung von brauereieigenen Möbeln und Geräten angesehen, die für Schankstätten bestimmt waren (Urteil vom 6 März 1958 V z 142/57 U, BFHE 66, 602, BStBl III 1958, 231). Auch aus dieser Sicht ist die Einbeziehung der umstrittenen Abfülltätigkeit in die Gewährung des steuerfreien Haustrunks jedoch nicht zu versagen da es nicht zweifelhaft ist, daß die Abfülltätigkeit zu den in § 12 Abs. 1 Satz 1 BierStDB aufgezählten Tätigkeiten gehört.
Diese Abfülltätigkeit kann auch nicht derjenigen gleichgestellt werden, bei der Bier aus der Brauerei eines anderen Unternehmers abgefüllt wird und für die nach der Entscheidung des erkennenden Senats in VSF V 3401 E 18 steuerfreier Haustrunk nicht zu gewähren ist. In den Fällen, in denen Bier aus Brauereien anderer Unternehmer abgefüllt wird, liegt ein gewerblicher Zusammenhang zwischen der Vertriebstätigkeit und dem Brauereiunternehmen, in dem das Bier hergestellt worden ist, nicht mehr vor. Mit der Abgabe des Bieres an ein anderes Unternehmen ist die Vertriebstätigkeit des Brauereiunternehmens, in dem das Bier hergestellt worden ist, abgeschlossen, und einen steuerfreien Haustrunk für den Vertrieb von Bier aus einem fremden Brauereiunternehmen sieht das Gesetz nicht vor.
Auch wenn sich daraus, wie das HZA offenbar meint, Ungleichheiten ergeben sollten, so ist das kein Grund, den steuerfreien Haustrunk für die Arbeitnehmer der Klägerin einzuschränken, die mit dem Abfüllen von Bier beschäftigt sind, das in Brauereien der Klägerin hergestellt worden ist. Die Klägerin hat einen gesetzlichen Anspruch auf Befreiung des Bieres, das an diese Arbeitnehmer abgegen wird, von der Biersteuer.
Der Bestimmung des Brauereibegriffs i. S. der §§ 7 Abs. 1 BierStG, 12 BierStDB kommt für den Brauereibegriff i. S. der §§ 2 und 5 BierStG und für den Begriff des Brauereibetriebs i. S. des § 3 BierStG keine Bedeutung zu.
Fundstellen
Haufe-Index 510607 |
BFHE 1981, 318 |