Dr. Ulf-Christian Dißars, Prof. Dr. Stefan Müller
Das Enforcement hat in Europa die Aufgabe, die geprüfte Rechnungslegung der kapitalmarktorientierten Unternehmen einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Die Auswahl der überprüften Unternehmen erfolgt dabei entweder auf Basis von konkreten Hinweisen auf mögliche Fehler oder stichprobenbasiert. Damit die Auslegung der Rechnungslegungsvorschriften in der EU nicht durch unterschiedliche nationale Enforcemententscheidungen auseinanderdriftet, ist die European Securities and Markets Authority (ESMA) die übergeordnete Behörde, die neben der Sammlung und Veröffentlichung von EU-Enforcment-Stellen auch die zentralen Prüfungsschwerpunkte vorgibt.
Die European Securities and Markets Authority (ESMA) hat am 24.10.2024 ihr Statement mit den gemeinsamen europäischen Prüfungsschwerpunkten der nationalen Enforcement-Stellen in der EU (in Deutschland die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)) für die Prüfung der Jahresfinanzberichte von kapitalmarktorientierten Unternehmen für das Geschäftsjahr 2024 beschlossen. Auf dieser Basis wird in den nächsten Wochen auch die Konkretisierung der Prüfungsschwerpunkte der BaFin für deutsche Unternehmen von öffentlichem Interesse (verpflichtete IFRS-Anwender) erfolgen und letztlich wird sich auch die Wirtschaftsprüferkammer (WPG) für die stichprobenbasierte Durchsicht der Abschlussprüfungen aller anderer prüfungspflichtigen Unternehmen an diesen Schwerpunkten orientieren. Daher sind diese grundsätzlich sowohl für die Anwender der Rechnungslegung nach IFRS sowie HGB von hoher Relevanz. Auch in diesem Jahr stehen die Prüfungsschwerpunkte wieder ganz im Zeichen der Berichterstattung von Risiken und Nachhaltigkeitsaspekten.
Die Betrachtung erfolgt unterteilt in die Finanzberichterstattung (nach IFRS), die – vom deutschen Gesetzgeber noch gar nicht final beschlossene – Nachhaltigkeitsberichterstattung nach den Europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (ESRS) sowie die Umsetzung der Vorgaben zur Auszeichnung der Berichterstattung nach dem einheitlichen Europäischen Datenformat (ESEF). Zudem wird auf die nötige Konnektivität hingewiesen, die zwischen den 3 Bereichen besteht.
Bezüglich IFRS stehen die Liquiditätsrisiken und deren Berichterstattung im Fokus der Überprüfung. Hier will die ESMA zunächst tiefer untersucht haben, ob bei Lieferantenfinanzierungsvereinbarungen (LFV) die neu anzuwendende Angabepflicht von unter IAS 7.44G fallenden LFV eingehalten wurden. IAS 7.44H fordert etwa die Offenlegung der Bedingungen der LFV, wie etwa verlängerte Zahlungsbedingungen und gestellte Sicherheiten oder Garantien. Darüber hinaus sind zu Beginn und Ende des Berichtszeitraums folgende Angaben – immer unter dem Aspekt des Wesentlichkeitsvorbehalts – notwendig:
- die Buchwerte und zugehörigen Posten, die Teil einer derartigen Vereinbarung sind, mit separater Offenlegung der finanziellen Verbindlichkeiten für welche Lieferanten bereits Zahlungen von Finanzdienstleistern erhalten haben und
- die Spanne der Fälligkeitstermine für die Zahlungen finanzieller Verbindlichkeiten, die Teil einer LFV sind, und vergleichbare Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, die nicht Teil einer LFV sind.
Darüber hinaus sind Art und Auswirkung nicht zahlungswirksamer Änderungen der Buchwerte der finanziellen Verbindlichkeiten offenzulegen.
Im Weiteren soll auch die Covernance betrachtet werden, konkret erinnert die ESMA Emittenten an die Klarstellungen und neuen Offenlegungen gemäß IAS 1 im Zusammenhang mit Langfristigkeit Verbindlichkeiten mit Covenants und die nach IFRS 7 geforderten Angaben zu Kreditverbindlichkeiten, insbesondere wenn es zu Ausfällen, Vertragsbrüchen oder Neuverhandlungen von Kreditverträgen kam.
Schließlich fordert die ESMA zur Prüfung von Dingen insbesondere im Zusammenhang mit der Kapitalflussrechnung auf, bei denen in der Vergangenheit häufiger Fehler festgestellt wurden, insbesondere
- die Darstellung von Cashflows auf Bruttobasis,
- die Trennung von nicht-zahlungswirksamen Posten und,
- die Darstellung wesentlicher nicht-zahlungsbegleiteter Transaktionen im Zusammenhang mit Investitions- und Finanzierungstransaktionen an anderer Stelle im Jahresabschluss.
Zudem sollen im Bereich der Finanzberichterstattung die Angaben zu Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, Ermessensentscheidungen und signifikante Schätzungen geprüft werden, was insoweit kontrovers diskutiert wird, da die Angaben selber einem erheblichen Ermessensspielraum unterliegen und stets ein Kompromiss zu finden sein wird zwischen zu wenigen (kaum Informationen) und zu vielen (ein "Lehrbuch" im Anhang) Informationen. Hier dürfte es bei künftigen Enforcemententscheidungen hoffentlich mehr Klarheit geben, wie diese Angabepflichten ausgelegt werden sollen.
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung soll mit den Schwerpunkten auf die Wesentlichkeitsüberlegungen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung gem. den ESRS, dem Umfang und der Struktur des Nachhaltigkeitsberichts und den Angaben nach Art. 8 der EU-Taxonomieverordnung üb...