Entscheidungsstichwort (Thema)
Referendar als amtlich bestellter Vertreter postulationsfähig
Leitsatz (amtlich)
Ein Referendar, der von der Landesjustizverwaltung zum allgemeinen Vertreter eines Rechtsanwalts bestellt wurde, ist vertretungsberechtigt i. S. des Art. 1 Abs. 1 BFH-EntlG.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; BRAO § 53
Verfahrensgang
Tatbestand
I.
Das Verfassungsbeschwerdeverfahren betrifft die Wirksamkeit einer Revisionseinlegung durch einen von der Landesjustizverwaltung zum allgemeinen Vertreter eines Rechtsanwalts bestellten Referendar.
Die im Namen der Beschwerdeführerin eingereichte Revisionsschrift vom 8. August 1991 hatte für den bevollmächtigten Rechtsanwalt ein Referendar „als amtl. best. Vertreter” unterzeichnet. Der betreffende Referendar war durch Schreiben des Präsidenten des Landgerichts vom 16. Juli 1991 für die Zeit vom 25. Juli bis 19. August 1991 gemäß § 53 BRAO zum Vertreter des bevollmächtigten Rechtsanwalts bestellt worden. Mit dem angegriffenen Beschluß verwarf der Bundesfinanzhof diese Revision als unzulässig, weil es offensichtlich an dem Erfordernis der ordnungsmäßigen Vertretung durch einen Angehörigen der in Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlG aufgeführten Berufsgruppen fehle.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG. Wenn der Bundesfinanzhof die Bestellung des Referendars als amtlich bestellter Vertreter zur Kenntnis genommen hätte, hätte er die Revision nicht als unzulässig verwerfen und der Beschwerdeführerin damit den Revisionsrechtsweg abschneiden dürfen. Diese hätte dann vortragen können, daß das angefochtene Urteil des Finanzgerichts verfahrensfehlerhaft ergangen sei und deshalb aufgehoben werden müßte.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchst. b BVerfGG zur Entscheidung angenommen. Sie ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Der Beschluß des Bundesfinanzhofs verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG, das auch juristischen Personen des Privatrechts zusteht (Art. 19 Abs. 3 GG).
Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es fehlt bereits an dem ersten dieser beiden Merkmale, wenn das Gericht einen in zulässiger Weise eingereichten Schriftsatz übersieht (BVerfGE 11, 218 ≪220≫). Dies war vorliegend der Fall. Der Bundesfinanzhof hat die Revisionsschrift nicht als erhebliche Prozeßerklärung betrachtet, da sie entgegen Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlG nicht von einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten unterzeichnet gewesen sei. Damit hat der Bundesfinanzhof offensichtlich die der Revisionsschrift unter der Unterschrift beigefügte Ergänzung „als amtl. best. Vertreter” übersehen. Unerheblich ist, daß die Revisionsschrift so undeutlich gestaltet war, daß die Passage „als amtl. best. Vertreter” nahezu unlesbar in die die Bankverbindungen wiedergebenden Textzeilen geschrieben war. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 11, 218 ≪220≫) kommt es auf ein Verschulden des Gerichts nicht an.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen