Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der baden-württembergischen Fremdenverkehrsabgabe
Leitsatz (redaktionell)
Die baden-württembergische Fremdenverkehrsabgabe ist ein verfassungsrechtlich unbedenklicher Beitrag im abgabenrechtlichen Sinne und keine Steuer.
Normenkette
AO § 1 Abs. 1; FrdVAbgG BW; GG Art. 105, 2 Abs. 1; KAG BW
Verfahrensgang
BVerwG (Beschluss vom 31.10.1975; Aktenzeichen VII B 58.75) |
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 28.05.1975; Aktenzeichen V 940/73) |
VG Sigmaringen (Urteil vom 07.08.1973; Aktenzeichen IV 191/71) |
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Verfassungsmäßigkeit der baden-württembergischen Fremdenverkehrsabgabe.
1. Das baden-württembergische Gesetz über eine Abgabe zur Förderung des Fremdenverkehrs vom 27. Oktober 1953 (GBl. S. 160) i.d.F. des Kommunalabgabengesetzes vom 18. Februar 1964 (GBl. S. 71) – FVAG – ermächtigt Kur- und Fremdenverkehrsgemeinden zur Förderung des Kurbetriebes oder des Fremdenverkehrs Abgaben zu erheben, deren Höhe sich nach den besonderen wirtschaftlichen Vorteilen bemißt, die den Abgabepflichtigen aus dem Kurbetrieb oder Fremdenverkehr erwachsen. § 1 FVAG lautet:
(1) Kur- und Fremdenverkehrsgemeinden können zur Förderung des Kurbetriebes oder des Fremdenverkehrs für jedes Rechnungsjahr einen Beitrag von allen natürlichen und juristischen Personen erheben, denen in der Gemeinde aus dem Kurbetrieb oder dem Fremdenverkehr unmittelbar oder mittelbar besondere wirtschaftliche Vorteile erwachsen.
(2) …
(3) Die Höhe des von der einzelnen natürlichen oder juristischen Person für ein Rechnungsjahr zu entrichtenden Beitrags muß sich nach dem Maß der ihr erwachsenden besonderen wirtschaftlichen Vorteile richten.
(4) Das Nähere ist durch Satzung zu bestimmen ….
Die Stadt Alpirsbach erhebt die Abgabe aufgrund ihrer Satzung vom 26. November 1968. Danach bemißt sich die Abgabe nach den besonderen wirtschaftlichen Vorteilen, insbesondere den Mehreinnahmen (Reineinnahmen), die dem Abgabepflichtigen aus dem Kurbetrieb oder dem Fremdenverkehr in der Gemeinde erwachsen. Der besondere wirtschaftliche Vorteil wird in einem Meßbetrag ausgedrückt, den die Gemeinde durch Schätzung ermittelt.
2. Der Beschwerdeführer, der in Alpirsbach eine Bäckerei betreibt, wendet sich im Ausgangsverfahren gegen den Abgabenbescheid der Stadt Alpirsbach vom 29. Oktober 1969, durch den er für das Jahr 1969 mit 104,75 DM zur Fremdenverkehrsabgabe herangezogen worden ist. Zur Begründung der Klage trug er vor: Die Erhebung der Fremdenverkehrsabgabe verstoße gegen Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG in der damals geltenden Fassung, weil die Abgabe kein Beitrag, sondern eine Steuer vom Einkommen sei. Der Abgabe fehlten die für einen Beitrag begriffstypischen Wesensmerkmale, nämlich die einmalige Erhebung, die direkte Objektbezogenheit, die Wahrung des Zuschußprinzips, eine Bemessung nach dem Prinzip des Vorteilsausgleichs und der Charakter einer Gegenleistung für bestimmte Fremdenverkehrseinrichtungen. Da der Bund durch den Erlaß des Einkommensteuergesetzes seine konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis im Bereich der Einkommensbesteuerung bereits ausgeschöpft habe, bleibe für eine landesgesetzliche Regelung insoweit kein Raum. Im übrigen sei der Anteil am Gesamtumsatz, der auf den Fremdenverkehr zurückzuführen sei, für Bäckereien wesentlich zu hoch angesetzt.
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen wies die Klage mit Urteil vom 7. August 1973 ab. Auf die Berufung des Beschwerdeführers setzte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die streitige Abgabe durch Urteil vom 28. Mai 1975 von 104,75 DM auf 69,84 DM herab. Der Verwaltungsgerichtshof ist dem Verwaltungsgericht darin gefolgt, daß die streitige Abgabe keine Steuer, sondern ein Beitrag sei. Ein Verstoß gegen Art. 105 Abs. 2 GG wegen Gleichartigkeit mit einer bundesgesetzlich geregelten Steuer liege deshalb nicht vor. Der Beitragscharakter der Fremdenverkehrsabgabe ergebe sich nicht schon daraus, daß sie im Gesetz als Beitrag bezeichnet sei. Denn für die rechtliche Einordnung einer Abgabe komme es nicht auf die Bezeichnung, sondern allein auf ihren sachlichen Gehalt an. Während Steuern Geldleistungen seien, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung der Verwaltung darstellten, handle es sich materiell um einen Beitrag, wenn der Geldbetrag zur Verringerung oder Deckung der Kosten einer öffentlichen Einrichtung von denjenigen gefordert werde, denen die Einrichtung besondere Vorteile gewähre. Die Fremdenverkehrsabgabe sei danach ein Beitrag. Die dem Kurbetrieb oder dem Fremdenverkehr dienenden Veranstaltungen der Gemeinde seien öffentliche Einrichtungen. Die Abgabe werde auch nur von solchen Personen erhoben, die aus dem Kurbetrieb oder dem Fremdenverkehr besondere wirtschaftliche Vorteile erlangten. Schließlich bestehe nach der gesetzlichen Regelung der Zweck der Fremdenverkehrsabgabe in der Förderung des Kurbetriebes bzw. des Fremdenverkehrs. Damit sei hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß das Abgabeaufkommen zweckgebunden sei und allein zur Finanzierung der Kosten verwendet werden dürfe, die die Gemeinde für den Kurbetrieb oder den Fremdenverkehr aufwende. Dagegen gehöre es nicht zu den Wesensmerkmalen des Beitrags schlechthin, daß er nur einmalig zur Deckung der Herstellungskosten öffentlicher Einrichtungen erhoben werden dürfe. Im übrigen sei der von der Beklagten geschätzte Vorteilsprozentsatz jedoch überhöht.
Die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs wegen Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Beschluß vom 31. Oktober 1975 als unbegründet zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, die von der Beschwerde aufgeworfene Frage nach der Rechtsnatur der streitigen Fremdenverkehrsabgabe sei bereits durch das Urteil des Senats vom 15. Oktober 1971 (BVerfGE 39, 5) ausreichend geklärt.
In jenem Urteil habe der Senat entschieden, daß Fremdenverkehrsabgaben, die die Gemeinden von Personen und Unternehmen anforderten, denen durch den Fremdenverkehr besondere wirtschaftliche Vorteile erwachsen, Beiträge und keine Steuern darstellten und deshalb die Erhebung solcher Abgaben Art. 105 GG nicht verletze.
3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts und die vorangegangenen Entscheidungen rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG aF. Er ist weiterhin der Meinung, die Fremdenverkehrsabgabe sei kein Beitrag, sondern eine Steuer vom Einkommen und verstoße deshalb wegen Gleichartigkeit mit der Einkommensteuer gegen Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. Er hat dazu nochmals hervorgehoben, daß der Abgabe die wesentlichen Merkmale eines Beitrages fehlten.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist zu verwerfen, weil sie offensichtlich unbegründet ist.
Das Grundrecht des Beschwerdeführers, nur aufgrund solcher Vorschriften mit einer Abgabe belastet zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind (vgl. BVerfGE 29, 402 [408]), wird nicht verletzt.
1. Die von der Stadt Alpirsbach aufgrund landesgesetzlicher Ermächtigung nach Maßgabe ihrer Satzung vom 26. November 1968 erhobene Fremdenverkehrsabgabe ist keine Steuer. Art 105 GG steht ihrer Erhebung deshalb nicht entgegen. Für die verfassungsrechtliche Abgrenzung der Kompetenzbereiche der Bundes- und Landesgesetzgebung kommt es nicht darauf an, wie das Abgabengesetz selbst eine öffentlich-rechtliche Abgabe klassifiziert. Maßgebend ist, ob sich die öffentliche Abgabe nach ihrem materiellen Gehalt als Steuer darstellt (BVerfGE 7, 244 [251f]). Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Reichsabgabenordnung, an deren Steuerbegriff auch der des Grundgesetzes anknüpft (vgl. BVerfGE 36, 66 [70]; 40, 56 [62]), sind Steuern, „einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft”. Für eine Steuer ist somit wesentlich, daß sie ohne Gegenleistung erhoben wird. Die Fremdenverkehrsabgabe der Stadt Alpirsbach setzt dagegen eine Gegenleistung voraus. Sie wird nach ihrer normativen Ausgestaltung von allen natürlichen und juristischen Personen erhoben, denen in der Gemeinde aus dem Kurbetrieb oder dem Fremdenverkehr unmittelbar oder mittelbar besondere wirtschaftliche Vorteile erwachsen. Auch wird die Höhe der Abgabe nach dem Umfang der besonderen wirtschaftlichen Vorteile bemessen. Von einer Steuer kann deshalb keine Rede sein.
2. Die Fremdenverkehrsabgabe der Stadt Alpirsbach ist indessen ein Beitrag im abgabenrechtlichen Sinne, dessen legitimierender Grund der Ausgleich von Vorteilen und Lasten ist (BVerfGE 14, 312 [317]). Wesentlich für den Begriff ist der Gesichtspunkt der Gegenleistung. Derjenige, der aus einer öffentlichen Einrichtung besonderen wirtschaftlichen Nutzen zieht, soll auch zu deren Kosten beitragen (vgl. BVerfGE 14, 312 [317]). So liegt es hier. Der Beschwerdeführer kann nicht ernsthaft bestreiten, daß die Förderung des Kurbetriebes oder des Fremdenverkehrs einerseits mit Kosten für die Errichtung und Unterhaltung entsprechend attraktiver Einrichtungen verbunden ist und andererseits bestimmten Wirtschaftskreisen, zu denen auch der Beschwerdeführer gehört, wirtschaftliche Vorteile, zB größere Absatzmöglichkeiten, verschafft. Die Verknüpfung von Vorteilen und Lasten, deren Ausgleich die Abgabe dienen soll, ist offenkundig. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers steht der Charakterisierung der Abgabe als Beitrag auch nicht entgegen, daß sie laufend erhoben wird; denn sie soll ja nicht nur zur Errichtung, sondern auch zum laufenden Unterhalt der Fremdenverkehrseinrichtungen beitragen.
Fundstellen
BVerfGE, 223 |
NJW 1976, 1837 |