Dipl.-Kffr. Andrea Kämmler-Burrak, Dr. Mathias Onischka
4.1 Eigene Startposition
Die Umsetzung und der Umsetzungsaufwand für die CSRD hängt selbstverständlich zunächst von der eigenen Startposition ab, d. h. davon, ob das betroffene Unternehmen bereits den Anforderungen der NFRD unterliegt bzw. bereits einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht oder erstmalig einen Nachhaltigkeitsbericht erstellt. Große kapitalmarktorientierte Unternehmen berichten bereits seit 2017 nach den Vorgaben der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) – der derzeitig geltenden Vorgängerrichtlinie der CSRD – und auch andere Unternehmen veröffentlichen seit einigen Jahren aufgrund steigender Stakeholder-Erwartungen freiwillige Nachhaltigkeitsberichte in Anlehnung an verschiedenste Standards wie bspw. jene der Global Reporting Initiative (GRI). Es wäre jedoch ein Irrglaube zu meinen, dass es bei diesen Unternehmen ausreichen würde, den bestehenden Nachhaltigkeitsbericht einfach fortzuführen und lediglich um einige Dinge anzureichern. Auch für bereits berichtende Unternehmen resultiert aus den mit der CSRD im Huckepack kommenden European Sustainability Reporting Standards (ESRS) ein wesentlicher Umsetzungsaufwand. Viele der mehr als 1000 zu sammelnden Datenpunkte, die sich aus den aktuellen 82 Disclosure Requirements ergeben, werden von den meisten Unternehmen aktuell nicht bzw. nicht in der geforderten Qualität erhoben. Für Unternehmen, die bis dato noch keinen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht haben, ist der Umsetzungsaufwand ungleich größer. Hier müssen die geforderten Strukturen und Prozesse von Grund auf neu aufgebaut werden und entsprechendes Wissen im Nachhaltigkeitsreporting geschaffen werden.
4.2 Wesentlichkeitsbetrachtungen
Darüber hinaus wird der Umsetzungsaufwand auch von der Anzahl der für das eigene Unternehmen wesentlichen Aspekte sowie wesentlichen Offenlegungsanforderungen bestimmt. Entscheidend ist hier also der Aspekt der Wesentlichkeit. Damit gemeint ist die Abgrenzung, welche Nachhaltigkeitsthemen für ein Unternehmen wichtig und damit berichtspflichtig sind oder nicht.
Zu beachten ist, dass die ESRS verpflichtende Berichtsinhalte vorsehen, die also unabhängig von einer Wesentlichkeitsanalyse offenzulegen sind. Diese betreffen Offenlegungsanforderungen zu ESRS 2, zu ESRS E1, Offenlegungsanforderungen zu ESRS S1 (S1-1-S1.9) sowie im Appendix C definierte Datenpunkte aufgrund von EU-Recht.
Die darüberhinausgehenden Offenlegungspflichten sind von den Unternehmen durch eine Wesentlichkeitsbetrachtung zu bestimmen. Hier können zwei verschiedene Ebenen differenziert werden:
- Wesentlichkeitsbetrachtung – Ebene "Standards/Aspekte" ("Topical Level"): Auf der 1. Ebene handelt es sich im Grunde um die in der Reportingpraxis etablierte Wesentlichkeitsanalyse von Nachhaltigkeitsthemen auf der Makroebene. Diese kann, darf und sollte auch fortgeführt werden, ist allerdings im Sinne der doppelten Wesentlichkeit so anzupassen, dass sie die beiden Dimensionen Impact (Inside-Out-Perspektive) und Financial (Outside-In-Perspektive) entsprechend des ESRS 1 abdeckt. Die Schwelle, ab wann ein Aspekt wesentlich wird, kann – wie bisher – unternehmensindividuell bestimmt werden, ist aber einheitlich zu nutzen.
- Wesentlichkeitsbetrachtung – Ebene "Offenlegungsanforderungen" ("Disclosure Requirement/Datapoint Level"): Sind die wesentlichen ESRS Standards/Aspekte identifiziert, gilt es auf Ebene der sog. Disclosure Requirements bzw. Offenlegungsanforderungen die Wesentlichkeit zu prüfen. Die hohe Anzahl der Offenlegungsanforderungen der ESRS – mehr als 180 quantitative sowie 920 qualitative – legen nahe, dass nicht jedes Datum und jede Information für jedes Unternehmen passt, auch wenn der jeweilige Aspekt über die Wesentlichkeitsanalyse als relevant eingestuft wurde. Daher dürfen unpassende oder irrelevante Offenlegungsanforderungen aussortiert werden, sofern deren Erhebung in keinem sinnvollen Aufwand-Nutzen-Verhältnis steht. Diese Wesentlichkeitsprüfung ist hier eher als Attribut "geeignet "oder für die Unternehmensaktivitäten "passend "zu verstehen. Das bedeutet aber auch, dass man, anders als beim üblichen Report-or-Explain-Ansatz, Informationen nicht deshalb weglassen darf, weil bspw. im Unternehmen noch keine Daten vorliegen oder es für weniger wichtig einschätzt.
Diese beiden Wesentlichkeitsbetrachtungen bilden den Startpunkt der CSRD-Berichterstattung. Die Perspektive der doppelten Wesentlichkeit zieht sich dann im weiteren Verlauf aber auch weiter durch die im Vorfeld bestimmten ESRS Standards und Disclosure Requirements auf Ebene der sog. IROs – der Impacts, Risks and Opportunities.
Wesentlichkeitsbetrachtung – Ebene "Chancen und Risiken":
Die systematische Identifikation, Bewertung und Management von Chancen und Risiken zieht sich wie ein roter Faden durch alle themenspezifischen ESRS. Die Identifikation und Bewertung, welche Risiken und Chancen als wesentlich einzustufen sind, ist hier im Rahmen des Risikomanagementprozesses vorzunehmen – idealerweise integriert in das bestehende finanzielle Risikomanagement. Der Prozess sowie die Ergebnisse finde...