In den Fällen, in denen der Unternehmer seine Software-Produkte nicht (nur) eigenständig, sondern unter Nutzung eines Internetportals, Marktplatzes oder einer Schnittstelle zum Download anbietet, z. B. unter Nutzung eines "App Stores", wird im Regelfall eine Leistungskette zwischen dem Unternehmer als Anbieter der App und dem Plattformbetreiber sowie diesem und dem Endkunden fingiert. Die Behandlung entspricht umsatzsteuerlich einem Kommissionsgeschäft. Dies bietet für den leistenden Unternehmer den Vorteil, dass er seine elektronische Dienstleistung unmittelbar an den Plattformbetreiber erbringt und dieser dann den bezogenen Umsatz über die Grundsätze des Reverse-Charge-Verfahrens zu versteuern hat, sofern der leistende Unternehmer aus Sicht des Ansässigkeitsstaats des Plattformbetreibers im Ausland ansässig ist.
Die Leistung an den Verbraucher erfolgt dann durch die Plattform, sodass sich der leistende Unternehmer mit Registrierungspflichten oder auch der Deklaration im Ausland insoweit grds. nicht auseinandersetzen muss.
App-Download aus App Store
Abwandlung des vorigen Beispiels: B bietet ihre App nicht auf der eigenen Internetseite, sondern in einem App Store (ansässig in DE) zum Download an. Der Betreiber des App Stores hat seinen Sitz in Deutschland.
Im Zeitpunkt des Downloads der App durch den Endkunden kommt es im Rahmen einer fingierten Leistungskette zu zwei gleichzeitig ausgeführten Umsätzen: a) Die Erbringung einer elektronischen Dienstleistung durch B an den Betreiber des App Stores und b) die Erbringung einer (derselben) elektronischen Dienstleistung an den Endkunden. Da B ihren Umsatz an einen Unternehmer für dessen Unternehmen erbringt, wird die Leistung am Sitz des Plattformbetreibers ausgeführt. Aus deutscher umsatzsteuerlicher Sicht müsste dann der Plattformbetreiber nach den Grundsätzen des Reverse-Charge-Verfahrens die Leistung von B in Deutschland versteuern. B würde insoweit entlastet.
Auswirkungen auf Prüfung der Erheblichkeitsschwelle
Bei der Berechnung der Grenzen für die Erheblichkeitsschwelle sind die Leistungen an den Plattformbetreiber dann ebenfalls nicht mehr miteinzubeziehen, da es sich nicht (mehr) um Leistungen an Nichtunternehmer handelt. Wenn B im vorigen Beispiel ihre App somit ausschließlich im App Store zum Download anbietet und auch im Übrigen keine weiteren elektronischen Dienstleistungen erbringt, kann sie noch Pflanzen zu einem Gesamtentgelt von 1.000 EUR an Privatkunden in anderen Mitgliedstaaten verkaufen, bevor eine Ortsverlagerung eintritt.
Die Fiktion einer Leistungskette (Unternehmer-Schnittstelle-Verbraucher) greift jedoch nicht, wenn der Leistungserbringer von dem Plattformbetreiber ausdrücklich benannt wird und sich dies aus den vertraglichen Vereinbarungen ergibt. Dies ist erfüllt, wenn sich die Leistung und der Erbringer aus den betreffenden Rechnungen sämtlicher im Rahmen der Leistungserbringung beteiligten Unternehmer, auch an den Empfänger der Leistung, ergeben.
Plattform nur als Vermittler
Abwandlung des vorigen Beispiels: B vertreibt ihre App nun auf einem Online-Marketplace. Dieser weist jedoch schon vor Vertragsschluss ausdrücklich darauf hin, dass die B Vertragspartnerin werden soll und die Plattform nur als Vermittler dient. Dies wird auch aus den später versandten Rechnungen ersichtlich.
In diesem Fall kann gem. § 3 Abs. 11a Satz 2 UStG keine Leistungskette fingiert werden. Blumenhändlerin B muss die Leistung also selbst am Wohnsitz des Empfängers versteuern und kann nicht über das Reverse-Charge-Verfahren durch den Marketplace-Betreiber von der Steuerlast befreit werden.
Eine Rückausnahme von der Nichtanwendbarkeit ergibt sich wiederum, sofern der Plattformbetreiber die Abrechnung autorisiert, die Leistungserbringung genehmigt oder die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.