Leitsatz
Die Bestellung eines gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten i.S.d. § 183 Abs. 1 Satz 1 AO durch die Feststellungsbeteiligten wirkt regelmäßig auch für künftige Bescheide in Feststellungsverfahren, und zwar auch soweit diese zurückliegende Feststellungszeiträume betreffen.
Normenkette
§ 183 Abs. 1 Satz 1 AO
Sachverhalt
Das FA hatte Gewinnfeststellungsbescheide an den als Empfangsbevollmächtigten bezeichneten angestellten Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG gesandt. Nachdem bereits ein neuer Geschäftsführer bestellt und dieser in den Vordrucken für die Gewinnfeststellungserklärungen der Folgejahre als Empfangsbevollmächtigter angegeben worden war, erließ das FA Änderungsbescheide an den alten Geschäftsführer. Diese kamen als unzustellbar zurück, sodass das FA die Änderungsbescheide nun an den neuen Geschäftsführer adressierte. Nach Ablauf der Einspruchsfrist beantragte die KG, erneut Änderungsbescheide bekannt zu geben, weil die Zustellung an den neuen Geschäftsführer unwirksam sei. Daraufhin stellte das FA die Bescheide noch einmal der KG zu Händen des Altgeschäftsführers zu.
Den dagegen erhobenen Einspruch verwarf das FA wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig. Das FG bestätigte diese Auffassung.
Entscheidung
Die Revision der KG hatte keinen Erfolg. Der BFH hielt die Zustellung an den neuen Geschäftsführer für wirksam, weil dieser zum Empfangsbevollmächtigten bestellt worden sei. Die erneute Zustellung an die Klägerin zu Händen des Altgeschäftsführers sei nur eine wiederholende Verfügung gewesen.
Hinweis
1. Zur Erleichterung der Bekanntgabe von Feststellungsbescheiden bietet die AO in § 183 die Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten an. Die ihm gegenüber bewirkte Bekanntgabe wirkt gegenüber allen Feststellungsbeteiligten. In dem Vordruck ESt 1 B (Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte) wird der Empfangsbevollmächtigte erfragt. Dort heißt es, die erteilte Empfangsvollmacht gelte auch für künftige Feststellungszeiträume. Damit behält der Empfangsbevollmächtigte seine Stellung auch hinsichtlich der Bekanntgabe von Feststellungsbescheiden für Folgejahre, bis in einer späteren Feststellungserklärung oder durch sonstige ausdrückliche Erklärung ein anderer Empfangsbevollmächtigter bestellt oder die Empfangsvollmacht ausdrücklich widerrufen wird.
2. Das hiesige Urteil betrifft nun die Frage, ob die Bestellung eines anderen Empfangsbevollmächtigten in der Gewinnfeststellungserklärung für ein späteres Jahr auch Bedeutung für anschließend ergehende Bescheide betreffend frühere Jahre hat. Die klagende KG hatte die Auffassung vertreten, wer einmal für einen bestimmten Feststellungszeitraum bestellt worden sei, behalte diese Stellung bei, bis ein ausdrücklicher Widerruf für das betreffende Jahr erklärt werde. Die Finanzverwaltung ging demgegenüber davon aus, dass die Bestellung eines neuen Empfangsbevollmächtigten in einem späteren Jahr automatisch auch alle anschließend ergehenden Bescheide für frühere Jahre mit erfasse.
3. Der BFH hat sich hier der Meinung der Finanzverwaltung angeschlossen. Wie der entschiedene Fall zeigt, kann nach Bestellung eines neuen Empfangsbevollmächtigten nicht mehr sicher gesagt werden, ob eine Zustellung an den früheren Empfangsbevollmächtigten überhaupt noch möglich ist. Er kann das Unternehmen oder die Kanzlei des Beraters verlassen haben, umgezogen oder verstorben sein etc. Eine sichere Bekanntgabe ist nur gegenüber der Person möglich, die aktuell empfangsbevollmächtigt ist. Weil die einfache und sichere Bekanntgabe Hauptzweck des § 183 AO ist, hält sich der BFH an den aktuellen Empfangsbevollmächtigten.
4. Es ist zu hoffen, dass die Finanzverwaltung aufgrund dieses Urteils ihre Vordrucke modifiziert und dort klar zum Ausdruck bringt, dass die Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten nicht nur für künftige Feststellungszeiträume, sondern für alle künftigen Feststellungsbescheide gilt, selbst wenn diese zurückliegende Feststellungszeiträume betreffen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.1.2007, IV R 53/05