Dipl.-Finw. (FH) Norbert Weinmann
Wendet ein Erblasser jemandem durch Verfügung von Todes wegen Vermögen zu, ohne ihn als Erben einzusetzen, liegt ein Vermächtnis vor (§ 1939 BGB). Der Erblasser kann auch einem Miterben einen Gegenstand zusätzlich und ohne Anrechnung auf seinen Erbteil zuwenden (Vorausvermächtnis, § 2150 BGB). Steuerlich wird eine nur mündlich getroffene letztwillige Anordnung des Erblassers trotz ihrer zivilrechtlichen Unwirksamkeit berücksichtigt, wenn sie glaubhaft gemacht werden kann und von den Beteiligten tatsächlich vollzogen wird. Der Vermögenserwerb durch Vermächtnis unterliegt der Erbschaftsteuer (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Der mit dem Vermächtnis belastete Erwerber kann die Vermächtnislast als Nachlassverbindlichkeit abziehen (§ 10 Abs. 5 ErbStG).
Im Zeitpunkt des Erbfalls erwirbt der Vermächtnisnehmer noch nicht den vermachten Gegenstand selbst, sondern nur einen gegen den Erben gerichteten Anspruch auf Übertragung dieses Gegenstands. Gegenstand des Vermögensanfalls ist also nicht der anteilige Gegenstand, z. B. ein Grundstück, sondern vielmehr der Sachleistungsanspruch auf Verschaffung des Eigentums an diesem Gegenstand. Die steuerliche Belastung des Vermächtnisnehmers ergibt sich grundsätzlich aus dem gemeinen Wert des Vermächtnisanspruchs. Mit dem ErbStRG 2009 hat der Gesetzgeber seit 1.1.2009 die früher bestehenden Bewertungsunterschiede zwischen den einzelnen Vermögensarten weitgehend egalisiert. Dadurch lassen sich insbesondere bei vermachtem Grundbesitz keine Steuervorteile mehr erzielen.
Beim Geldvermächtnis ist der Nennbetrag der Geldforderung maßgebend, und zwar auch dann, wenn der Vermächtnisnehmer an Erfüllungs statt ein Grundstück erhält oder der Vermächtnisnehmer vom Erben ein zum Nachlass gehörendes Grundstück erwirbt und einen Teilbetrag der Kaufpreisforderung durch Aufrechnung mit seiner Vermächtnisforderung tilgt.
Beim Sachvermächtnis wird der Anspruch mit dem maßgebenden Steuerwert des vermachten Gegenstands, z. B. dem festgestellten Grundbesitzwert (§ 12 Abs. 3 ErbStG, § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BewG) bewertet (R B 9.3 Abs. 2 ErbStR 2019).
Bei einem Kaufrechtsvermächtnis wird dem Bedachten das Recht eingeräumt, einen Nachlassgegenstand, z. B. ein Grundstück, zu einem i. d. R. unter dem Verkehrswert liegenden Preis zu erwerben. Erwerbsgegenstand ist das Erwerbsrecht selbst und nicht ein Sachleistungsanspruch auf Übereignung des Grundstücks. Danach wird die Steuer aus dem Verkehrswert des Gegenstands abzüglich des zu erbringenden Kaufpreises erhoben, beim Erben liegt in Höhe dieses Werts eine absetzbare Nachlassverbindlichkeit vor.
Mit einem Verschaffungsvermächtnis (§ 2170 BGB) wendet der Erblasser einen Anspruch auf Übereignung eines Gegenstands zu, z. B. eines Grundstücks, der sich nicht im Nachlass befindet, sondern den der Erbe erst noch unter Einsatz von (Geld-)Mitteln des Nachlasses beschaffen muss. Dabei erwirbt der Vermächtnisnehmer zunächst nur einen Sachleistungsanspruch. Dieser Anspruch ist mit dem gemeinen Wert anzusetzen.