Leitsatz
Der Erwerb eines Restitutionsanspruchs steht der Anschaffung des von diesem erfassten Grundstücks gleich. Daher ist der entgeltliche Erwerb des Restitutionsanspruchs und die spätere Veräußerung des rückübertragenen Grundstücks grundsätzlich als Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG anzusehen.
Normenkette
§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG
Sachverhalt
Mit notariellem "Abtretungs-/Kaufvertrag" erwarb der Kläger im November 1993 den Anspruch auf Rückübertragung (nach dem VermG) eines Grundstücks. Im Juli 1995 schloss der Kläger einen notariellen Kaufvertrag über das Grundstück mit zwei Erwerbern unter der "aufschiebenden Bedingung" ab, dass der Bescheid des ARoV betreffend die Rückübertragung des Grundstücks auf den Kläger "rechtsbeständig wird". Sollte der Vorbescheid zum Restitutionsbescheid des ARoV "nicht bis zum 31.12.1995 vorliegen", hatte "der Käufer das Recht, von diesem Vertrag zurückzutreten". Anfang Dezember 1995 erließ das ARoV einen (positiven) Rückübertragungsbescheid, durch den das Eigentum auf den Kläger übertragen wurde; der Bescheid wurde am 4.1.1996 bestandskräftig.
Nachdem der Kläger das FA im Januar 1999 über den Erwerb der Rückübertragungsansprüche und die Veräußerung des Grundstücks informiert hatte, änderte es den endgültigen ESt-Bescheid für das Streitjahr 1996 gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, indem es einen Spekulationsgewinn gem. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG i.H.v. 910.873 DM im Zusammenhang mit der Veräußerung des Grundstücks ansetzte. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.
Entscheidung
Der BFH hat – mit dem Kläger – ein Spekulationsgeschäft verneint, auch wenn (bezogen auf das streitige Grundstück) ein Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäft vorliege. Denn die Veräußerung sei nicht innerhalb von zwei Jahren nach der Anschaffung erfolgt: Der "Kaufvertrag über ein Grundstück" vom Juli 1995 habe nämlich – wegen der vereinbarten Rücktrittsklausel zugunsten der Käufer ein zeitlich "bis zum 31.12.1995" laufendes Rücktrittsrecht als (einseitiges) Gestaltungsrecht enthalten, von dessen Auswirkungen auch die Rechtsposition des Klägers betroffen sei. Denn die Parteien hätten damit ihren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch fehlenden Bindungswillen hinsichtlich der einzugehenden Verpflichtungen zum Ausdruck gebracht. Ohne Einschränkung bindende obligatorische Vertragserklärungen seien danach innerhalb der Spekulationsfrist nicht abgegeben worden.
Hinweis
1.§ 23 EStG will innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der ESt unterwerfen (vgl. BFH, Urteil vom 25.8.1987, IX R 65/86, BStBl II 1988, 248) und setzt deshalb die Nämlichkeit von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut i.S. einer – wirtschaftlichen – Identität, die im Einzelfall durch wertenden Vergleich von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut durch die Tatsacheninstanz festzustellen ist (vgl. BFH, Urteil vom 27.8.1997, X R 26/95, BStBl II 1998, 135).
2. Eine solche Nämlichkeit besteht zwischen dem Rückübertragungsanspruch nach dem VermG (Restitutionsanspruch) – als öffentlich-rechtlichem Anspruch gegen eine Behörde auf Zuteilung von (Grundstücks-)Eigentum durch Verwaltungsakt (Restitutionsbescheid) mit der Folge eines Eigentumsübergangs bei positiver Bescheidung durch die Behörde – und dem Grundstück selbst. In Anlehnung an das BFH-Urteil vom 28.6.1977, VIII R 30/74 (BStBl 1977 II, 827: Abgabe eines Meistgebots als Anschaffungsgeschäft und Abtretung der Rechte daraus als Veräußerung des Grundstücks) steht der Erwerb eines Restitutionsanspruchs der Anschaffung des von diesem erfassten Grundstücks gleich. Daher ist der entgeltliche Erwerb des Restitutionsanspruchs und die spätere Veräußerung des rückübertragenen Grundstücks als Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG anzusehen (vgl. Jansen in HHR, § 23 EStG Anm. 83).
3. Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung sind nach ständiger BFH-Rechtsprechung grundsätzlich die Zeitpunkte maßgebend, zu denen die obligatorischen Verträge abgeschlossen und für die Parteien verbindlich (wirksam) geworden sind. (vgl. BFH, Urteil vom 8.4.2003, IX R 1/01, BFH/NV 2003, 1171).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.12.2005, IX R 14/03