Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermäßigter Steuersatz, Fotografieren, Hochzeitsfotografien, Portraitfotografien, Fotografie mit künstlerischem Charakter, Kunstgegenstände

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 103 Abs. 1; EGRL 112/2006 Anhang IX Teil A Nr. 7; EGRL 112/2006 Art. 311 Abs. 1 Nr. 2, Art. 103 Abs. 2 Buchst. a

 

Beteiligte

Regards Photographiques

Regards Photographiques SARL

Ministre de l'Action et des Comptes publics

 

Verfahrensgang

Conseil d'Etat (Frankreich) (Beschluss vom 20.02.2018; ABl. EU 2018 Nr. C 161/40)

 

Tenor

1. Um als Kunstgegenstände zu gelten, auf die nach Art. 103 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Verbindung mit ihrem Art. 311 Abs. 1 Nr. 2 und ihrem Anhang IX Teil A Nr. 7 der ermäßigte Mehrwertsteuersatz angewandt werden kann, müssen Fotografien die Kriterien in dieser Nr. 7 erfüllen, also von ihrem Urheber aufgenommen, von ihm oder unter seiner Überwachung abgezogen und signiert sowie nummeriert worden sein, wobei die Gesamtzahl der Abzüge 30 nicht überschreiten darf, unter Ausschluss jedes weiteren Kriteriums, insbesondere der Beurteilung ihres künstlerischen Charakters durch die zuständige nationale Steuerverwaltung.

2. Art. 103 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 in Verbindung mit ihrem Art. 311 Abs. 1 Nr. 2 und ihrem Anhang IX Teil A Nr. 7 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, die die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes allein auf Fotografien beschränkt, die einen künstlerischen Charakter aufweisen, sofern das Vorhandensein des künstlerischen Charakters einer Beurteilung der zuständigen nationalen Steuerverwaltung unterliegt, die nicht innerhalb der Grenzen von objektiven, klaren und genauen Kriterien ausgeübt wird, die in der nationalen Regelung bestimmt werden und die es ermöglichen, die Fotografien, denen die genannte Regelung die Anwendung des ermäßigten Satzes vorbehält, genau zu bestimmen, so dass eine Beeinträchtigung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität vermieden wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d'État (Staatsrat, Frankreich) mit Entscheidung vom 20. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Februar 2018, in dem Verfahren

Regards Photographiques SARL

gegen

Ministre de l'Action et des Comptes publics

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev sowie der Richter T. von Danwitz (Berichterstatter) und C. Vajda,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Regards Photographiques SARL, vertreten durch E. Piwnica, avocat,
  • der französischen Regierung, vertreten durch A. Alidière, E. de Moustier und D. Colas als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Gossement und J. Jokubauskaite als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. März 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 103 und 311 sowie von Anhang IX Teil A Nr. 7 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Regards Photographiques SARL und dem Ministre de l'Action et des Comptes publics (Minister für staatliches Handeln und öffentliche Haushalte, Frankreich, im Folgenden: Steuerverwaltung), wegen dessen Weigerung, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf die Lieferung von Portraitfotografien und Hochzeitsfotografien anzuwenden, die im Zeitraum vom 1. Februar 2009 bis zum 31. Januar 2012 erstellt wurden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der 51. Erwägungsgrund der Mehrwertsteuerrichtlinie hat folgenden Wortlaut:

„Es sollte eine gemeinschaftliche Regelung für die Besteuerung auf dem Gebiet der Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Antiquitäten und Sammlungsstücke erlassen werden, um Doppelbesteuerungen und Wettbewerbsverzerrungen zwischen Steuerpflichtigen zu vermeiden.”

Rz. 4

Art. 96 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten wenden einen Mehrwertsteuer-Normalsatz an, den jeder Mitgliedstaat als Prozentsatz der Bemessungsgrundlage festsetzt und der für die Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist.”

Rz. 5

Art. 98 Abs. 1 und 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten können einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden.

(2) Die ermäßigten Steuersätze sind nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar.

…”

Rz. 6

Art. 99 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Die ermäßigten Steuersätze werden als Prozentsatz...

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