Leitsatz

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 98 Abs. 1 und 2 i.V.m. Anhang III Kategorie 12 der Richtlinie 2006/112/EG dahin gehend auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG entgegenstehen, durch die ein Mitgliedstaat von der von ihm vorgesehenen Steuersatzermäßigung für die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, durch ein nationales Aufteilungsgebot Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen und mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind, auch dann ausnehmen darf, wenn es sich hierbei – wie hier (nur) bei der Bereitstellung von Parkplätzen – um unselbständige Nebenleistungen zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden handelt?

 

Normenkette

§ 12 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 11, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a, Satz 2 UStG, Art. 2, Art. 24, Art. 98, Art. 135 Abs. 2 Sätze 1 und 2, Anhang III Kategorie 12 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), Art. 267 AEUV, § 74, § 121 Satz 1 FGO.

 

Sachverhalt

Die Klägerin betrieb ein Hotel und Restaurant. Die Gäste des Hotels erhielten zur Übernachtung ein Frühstück, das mit jeweils 4,50 EUR bewertet wurde, wenn ein Gast eine Übernachtung ohne Frühstück gebucht hat. Hotel und Restaurant verfügen über einen eigenen Parkplatz, der kostenfrei genutzt werden kann.

Seit Juni 2018 wies die Klägerin für Übernachtung, Frühstück und Parkplatz als einheitliche Leistung den ermäßigten Steuersatz von 7 % in ihren Rechnungen aus. Sie erklärte nur solche Umsätze.

Nach zwei Außenprüfungen vertrat das FA die Auffassung, dass das Frühstück und der Parkplatz mit dem Regelsteuersatz (19%) zu besteuern seien. Für Reisegruppen, Familien und Gäste ohne Fahrzeug wurde ein Abschlag von 20 % vorgenommen.

Nach Einspruch und Einreichung der USt-Jahreserklärung wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

Das FG (Sächsisches FG, Urteil vom 23.9.2020, 2 K 352/20, Haufe-Index 14260974) wies die Klage ab. Es entschied, das Frühstück und die Parkplatzgestellungen seien keine Nebenleistungen zur Beherbergungsleistung, sondern selbständige Hauptleistungen.

Hilfsweise führte das FG aus, selbst wenn diese Leistungen unselbstständige Nebenleistungen wären, gehörten Frühstück und Parkplatz zu den Leistungen, die gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG von der Steuerersatzmäßigung ausgenommen seien. § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG sei mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar.

Auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten hat der BFH das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-516/21 (EuGH, Urteil vom 4.5.2023, C-516/21, Finanzamt X [auf Dauer eingebaute Vorrichtungen und Maschinen] EU:C:2023:372, BFH/NV 2023, 943) angeordnet.

 

Entscheidung

Der BFH legte (nur) die im Leitsatz genannte Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Selbst entschieden hat der BFH, dass das Frühstück im Streitfall (und anders als im Verfahren XI R 13/23) eine selbstständige Hauptleistung ist. Der Parkplatz ist eine Nebenleistung. Die Vorlage bezieht sich daher formal nur auf die umsatzsteuerrechtliche Einstufung der Parkplätze. Allerdings kann der EuGH dem BFH Hinweise zum Frühstück geben, wenn er dies tun will.

 

Hinweis

1. Der Besprechungsbeschluss ist die Leitentscheidung in den Revisionsverfahren XI R 11/23 bis XI R 14/23. Drei davon hat der BFH dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt; das Verfahren XI R 12/23 wurde bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt.

2. Der Besprechungsbeschluss ist mehr als ein "reiner" Vorlageschluss, was man allerdings am Leitsatz nicht erkennt.

a) Der Leitsatz besteht, wie bei Vorlagen üblich, aus der Vorlagefrage. Zu den übrigen Aussagen kann der BFH in seinem Schlussurteil (nach der Vorabentscheidung des EuGH) eigene Leitsätze bilden.

b) Als nationales Gericht hat der BFH in allen drei Vorlagen selbst entschieden, welche Leistungen Nebenleistungen sind und welche selbstständige Hauptleistungen. In der Leitentscheidung XI R 11/23 hat das FG zu Recht angenommen, dass das Frühstück im Streitfall (anders als im Verfahren XI R 13/23) eine selbstständige Hauptleistung ist, während der Parkplatz – entgegen der Auffassung des FG – im Streitfall eine Nebenleistung ist. Anders wäre es aber z. B. in Fällen, in denen der Parkplatz hinzu gebucht wird; der Parkplatz wäre dann eine selbstständige Hauptleistung.

c) Diese Angrenzung leitet der BFH aus den (seit EuGH, Urteil vom 25.2.1999, C-349/96, CPP, EU:C:1999:93) seit Jahrzehnten vielfach wiederholten, allgemeinen Grundsätzen des EuGH zur Besteuerung von Leistungsbündeln ab. Vor allem stützt er sich auf EuGH, Urteil vom 16.4.2015, C‐42/14, Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie, EU:C:2015:229, BFH/NV 2015, 941. Daraus leitet er ab, dass Zusatzleistungen von Beherbergungsbetrieben, die zur Übernachtung (kostenpflichtig) hinzugebucht oder (mit der Folge einer Reduzierung des Preises) abgewählt werden können, selbstständige Hauptleistungen si...

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