Entscheidungsstichwort (Thema)
Treuhandschaft an einem Wertpapierkonto; keine Steuerhinterziehung/-verkürzung bei subjektivem Tatbestandsirrtum über die Zurechnung von Kapitalerträgen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Steuerpflichtige ist steuerrechtlich nicht Treuhänder seines im Ausland lebenden Bruders hinsichtlich eines Wertpapierkontos und der damit erzielten Erträge, wenn es an einer belegbaren Treuhandvereinbarung fehlt, zwar eine Unterkontonummer zugunsten des Bruders geführt wird, das Konto aber zivilrechtlich auf den Steuerpflichtigen läuft und der Bruder bezüglich der auf dem Konto angelegten Gelder nicht weisungsbefugt ist, keinen Anspruch auf alle Gewinne und Verluste aus der Anlage hat, sondern ohne jegliches Risiko nur eine bestimmte feste Rendite erhalten soll und das Konto nach dem Gesamtbild der Verhältnisse vom Steuerpflichtigen dazu geführt und angespart wird, um damit später eine Darlehensschuld gegenüber dem Bruder, herrührend aus der Finanzierung des Lebensunterhalts während des Studiums, abzulösen.
2. Unter der Beachtung des strafverfahrensrechtlichen Grundsatzes "in dubio pro reo" liegt aufgrund der Möglichkeit eines subjektiven Tatbestandsirrtums weder eine Steuerhinterziehung noch eine leichtfertige Steuerverkürzung vor, wenn der Kläger -ein Akademiker- als zivilrechtlicher Inhaber eines Wertpapierkontos davon ausgehen konnte und auch tatsächlich davon ausging, die Erträge seien nicht ihm als treuhänderischen Kotoinhaber, sondern seinem Bruder ihm Ausland zuzurechnen und von diesem zu versteuern. Unter Würdigung des Umstands, dass der Steuerpflichtige öfters gegenüber dem Sachbearbeiter der Bank vom "Geld seines Bruders" gesprochen und ein auf den Bruder hinweisendes Unterkontos eingerichtet hat, führt auch die Tatsache, dass das Geld kurz vor Einführung der Zinsabschlagsteuer in die Schweiz transferiert wurde, nicht mit der strafrechtlich erforderlichen Sicherheit zu dem Schluss, der Kläger habe von der objektiv bei ihm bestehenden Steuerpflicht der Kapitalerträge gewusst.
3. Zur steuerrechtlichen Anerkennung eines Treuhandverhältnisses.
Normenkette
AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7; AO 1977 § 370 Abs. 1 Nr. 1, §§ 378, 169 Abs. 2 S. 2; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger (Kl) ist als praktischer Arzt … tätig. Seine Ehefrau, die Klägerin (Klin), ist Hausfrau.
Der Kl ist am … in … geboren. Bis zu seiner Einbürgerung hatte er allein die syrische Staatsangehörigkeit. Er kam 1959 nach seinem Abitur nach Deutschland, um hier sein Medizinstudium zu absolvieren. Nach dessen Abschluss hatte der Kl zunächst als Medizinalassistent gearbeitet. 1976 eröffnete er seine Arztpraxis in ….
In … leben noch drei Brüder und eine Schwester. Der ältere Bruder … ist am … geboren. Dieser hat auf der Technischen Hochschule in … Bauingenieur studiert und bekam unmittelbar nach Beendigung seiner Ausbildung eine feste Anstellung im Hafen von … Bereits zwei bis drei Jahre danach war er Leiter des Hafenbüros.
Im Jahre 1971 eröffnete der Kl bei der Dresdner Bank AG in … das Konto Nr. … auf seinen Namen. Im Jahre 1981, am 27. Mai, wurde die sogenannte U-Karte bei der Bank erneuert. Zu dieser Zeit waren auf dem Konto … DM angelegt. Auf dieser U-Karte ist auf der zweiten Zeile, auf der der Vorname des Kontoinhabers eingetragen ist, rechts außen der Zusatz: „wegen … vermerkt (Steuerfahndungsakte 142/96, 143/96, S. 0119). Der Vermerk „W/… befindet sich im Übrigen auf allen vom Kl vorgelegten Depotauszügen, Kauf- und Verkaufsabrechnungen, Kupongutschriften etc. Am 9. Dezember 1992 wurden die auf diesem Konto erfassten Wertpapiere auf ein Depot bei der Dresdner Bank in … transferiert.
Die Kapitalerträge aus diesen Wertpapieren erklärten die Kl bis zum Jahre 1994 nicht. In den Anlagen KSO der Steuererklärungen für die Jahre 1995 und 1996 ist auf der Zeile 6, die Kapitalerträge aus festverzinslichen Wertpapieren und Investmentanteilen betrifft, jeweils ein nicht näher aufgeschlüsselter Betrag von … DM ausgewiesen.
Die Kapitalerträge des Wertpapierkontos bei der Dresdner Bank stellte die Steuerfahndung, die am 1. Oktober 1996 mit ihren Ermittlungen gegen die Kl begonnen hatte, in ihrem Bericht fest, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Danach belaufen sich diese Kapitalerträge in den Jahren 1985 bis 1996 auf
1985: |
… |
DM |
1991: |
… |
DM |
1986: |
… |
DM |
1992: |
… |
DM |
1987: |
… |
DM |
1993: |
… |
DM |
1988: |
… |
DM |
1994: |
… |
DM |
1989: |
… |
DM |
1995: |
… |
DM |
1990: |
… |
DM |
1996: |
… |
DM |
Am 26. April 1996 unterzeichneten der Kl und sein Bruder … eine mit „Darlehensvertrag/Schuldanerkenntnis/Quittung” überschriebene notariell beglaubigte Urkunde, in der der Kl als Darlehensschuldner und sein Bruder als Darlehensgeber bezeichnet werden. Die Urkunde hat nachstehenden Wortlaut:
„Vorbemerkung:
Wir, die Brüder … und … haben am 5. Januar 1959 in unserem Heimatort … vereinbart, daß ich, … das Medizin-Studium meines Bruders … in der Bundesrepublik Deutschland und dessen Lebensunterhalt durch ständige Geldzahlungen voll finanzieren werde, bis … selbst ...