Entscheidungsstichwort (Thema)
Grenzgänger in die Schweiz. Dienstreisen im Ansässigkeitsstaat als Nichtrückkehrtage. Verständigungsvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
1. Geschäftsreisen im Ansässigkeitsstaat Deutschland sind bei einem Grenzgänger in die Schweiz nicht als Nichtrückkehrtage i. S. von Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz zu berücksichtigen, da der Arbeitnehmer an diesen Tagen nicht von seinem Arbeitsort in der Schweiz an seinen Wohnsitz im Ansässigkeitsstaat zurückkehrt.
2. Die Finanzgerichte sind an Verständigungsvereinbarungen, denen keine unmittelbare Gesetzeskraft zukommt, nicht gebunden.
Normenkette
DBA CHE 1971/2010 Art. 15a Abs. 2 S. 2; DBA CHE Art. 15 Abs. 4 S. 1; EStG § 34c Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger war seit dem 28. Mai 1999 verheiratet, lebt jedoch seit dem 25. September 2000 dauernd getrennt. Er wird für die Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 (Streitjahre) einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Seinen Wohnsitz hatte der Kläger in den Streitjahren in X.
Der Kläger war seit Anfang 1987 bei der F AG in M/Kanton Q/Schweiz (Confoederatio Helvetica – im folgenden: CH –) als Leiter der Exportabteilung Deutschland beschäftigt (Hinweis auf Ziff. 1 des Arbeitsvertrags vom 29. Dezember 1986, auf den auch im übrigen Bezug genommen wird – Bl. 95-96 der FG-Akten –). Die Statuten der F AG (im folgenden: F-AG) in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung vom 1. Juli 1998 wurden dem Finanzgericht (FG) vorgelegt. Auf diese wird Bezug genommen (Bl. 149-160 der FG-Akten). Ein Organisationsreglement im Sinne von Art. 716b des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) – OR – wurde dem FG nicht vorgelegt (vgl. zum Organisationsreglement: Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, Bern, 1996, § 11), weil es ein solches bei der F-AG nicht gibt, weil der Verwaltungsrat die gesamte Geschäftsführung selbst übernommen hat (Schreiben der F-AG vom 5. Juli 2007, Bl. 160 der FG-Akten), was ohne Organisationsreglement „bei kleinen und übersichtlichen Verhältnissen” zulässig sein kann (Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, a.a.O., § 11 Rn: 17).
Der Kläger wurde am 21. April 1992 durch den Verwaltungsrat der F-AG zum Direktor bestellt (nach Art. 716a Abs. 1 Nr. 4 OR; s. Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, a.a.O., § 30 Rn. 46 – Hinweis auf den Nachtrag zum Anstellungsvertrag vom 21. April 1992, Bl. 97 der FG-Akten, der vom Präsidenten des Verwaltungsrats, L I; und vom [weiteren] Mitglied des Verwaltungsrats, R I; unterschrieben wurde – s. Schreiben des Klägers vom 27. Juni 2007 in Verbindung mit dem beigefügten Handelsregisterauszug, Bl. 133. ff der FG-Akten –) und dem entsprechend am 30. April 1992 in das schweizerische Handelsregister eingetragen (Handelsregisterauszug des Kantons Q –Hauptregister– vom 7. Februar 2003 Bl. 128 [links unten] und 129 der FG-Akten). Der Umfang der Vertretungsmacht des Klägers (nach Art. 718a Abs. 1 OR, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Zweck der Gesellschaft mit sich bringen kann [Forstmoser/Meier-Hayoz/Nebel, a.a.O., § 30 Rn. 92; dieselben, a.a.O., § 21 Rn. 5]) wurde durch eine Kollektivklausel eingeschränkt, nach der für den Kläger „Kollektivunterschrift zu zweien” vorgesehen wurde (Bl. 129 der FG-Akten; vgl. hierzu: Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht Obligationenrecht II, 2. Aufl., 2002, Basel – im folgenden: BSK OR II – Bearbeiter: Watter, Art. 718a Rn. 19; BSK OR II/Baudenbacher, a.a.O., Art. 555 Rn. 2 ff.). Nur der Präsident der F-AG hatte Einzelvertretungsbefugnis (s. Handelsregisterauszug des Kantons Q vom 12. Januar 2006, Bl. 135 der FG-Akten).
Das Arbeitsverhältnis (vgl. hierzu: Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, a.a.O. § 29 Rn. 60; E. Homburger, Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Teilband V 5b, Zürich 1997, Art. 716b Rn. 758) des Klägers mit der F-AG endete zum 31. Januar 2004 (Hinweis auf die Kündigung vom 12. Oktober 2003, Bl. 98 der FG-Akten). Die Eintragung des Klägers im Schweizerischen Handelsregister wurde daraufhin gelöscht (vgl. Art. 711 Abs. 1 OR– s. SHAB [=Schweizerisches Handelsamtsblatt, Bern 1883 ff] 155/2004 vom 12. August 2004 [Seite 1], S. 2, www.moneyhouse.ch/u/pub/print/F_ag_CH-400.3.919.122-4.htm; Auszug aus dem Handelsregister des Kantons Q – Hauptregister – vom 12. Januar 2006, Bl. 165 und 166 der FG-Akten).
Als Leiter der Exportabteilung Deutschland (s. Nachtrag vom 21. April 1992 zum Anstellungsvertrag vom 29. Dezember 1986, Bl. 97 der FG-Akten) unternahm der Kläger in den Streitjahren im wesentlichen Dienstreisen in die Bundesrepublik Deutschland. Diese Dienstreisen trat der Kläger durchweg an seinem Wohnort in X an und kehrte am Ende der Dienstreisen dorthin zurück, ohne seine Arbeitsstätte in M/CH an diesen Tagen noch aufzusuchen. Im Rahmen der Dienstreisen übernachtete er in der Bundesrepublik Deutschland (im folgenden auch: BRD) an ...