Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn des Zinslaufes für eine Umsatzsteuererstattung für das Jahr 2019 am 1.10.2021 und Zinssatz von 0,15 % monatlich bzw. 1,8 % jährlich weder verfassungs- noch unionsrechtswidrig
Leitsatz (redaktionell)
1. Die EU-Richtlinie 9/2008/EG ist nur bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, nicht aber bei rein nationalen Sachverhalt anzuwenden.
2. Aus Artikel 183 MwStSystRL in Verbindung mit der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil v. 23.4.2020, C 13/18 (Sole-Mizo) und EuGH, Urteil v. 23.4.2020, C 126/18 (Dalmandi Mezögazdasagi), ergibt sich für die Verzinsung einer Umsatzsteuererstattung für das Jahr 2019 weder ein höherer Zinssatz noch ein früherer Beginn des Zinslaufs als in den §§ 233a, 238, 239 AO in Verbindung mit Art. 97 § 36 Abs. 2 EGAO vorgesehen (Zinssatz von 1,8 % jährlich; Beginn des vorgesehenen Zinslaufes erst am 1.10.2021). Die Bemessung des Zinssatzes im Jahr 2019 für die Umsatzsteuerfestsetzung und -erstattung mit 0,15 % pro Monat bzw. 1,8 % pro Jahr (§ 238 Abs. 1a AO) ist nicht nur verfassungsgemäß, sondern auch mit den unionsrechtlichen Grundsätzen der Äquivalenz und Effektivität vereinbar.
Normenkette
EG RL 9/2008 Art. 1, 19 Abs. 2, Art. 22 Abs. 1, Art. 27; AO § 233a Abs. 1, 2 S. 1, § 238 Abs. 1a, 2, § 239 Abs. 2; EGAO Art. 97 § 36 Abs. 2; MwStSystRL Art. 183
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht die Höhe der vom Beklagten (Bekl) festgesetzten Zinsen zur Umsatzsteuer 2019.
Die Klägerin (Kl) reichte am 04.03.2020 in Papierform eine Umsatzsteuererklärung 2019 beim Bekl ein. In dieser erklärte sie Umsätze zum allgemeinen Steuersatz in Höhe von 270 EUR, steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug nach § 4 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Höhe von 6.000 EUR und abziehbare Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmern in Höhe von 2.151,49 EUR. Daraus errechnete die Kl einen Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch in Höhe von 2.100,13 EUR.
Nachdem die Umsatzsteuererklärung wegen der Prüfung der Frage, ob die Kl Teil einer umsatzsteuerlichen Organschaft mit einem anderen Unternehmen sein könnte, durch die Finanzverwaltung unbearbeitet blieb, mahnte die Kl mit Schriftsätzen vom 20.08.2020 die Bearbeitung der Steuererklärung an und erhob schließlich mit Schreiben vom 05.11.2020 Untätigkeitseinspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO).
Mit Mitteilung für 2019 über Umsatzsteuer und Bescheid über Zinsen vom 09.08.2022 stimmte der Bekl der von der Kl am 04.03.2020 eingereichten Umsatzsteuererklärung 2019 zu und setzte – antragsgemäß – Umsatzsteuer in Höhe von -2.100,13 EUR fest. Die Zinsfestsetzung, welcher die Regelung des § 233a AO zugrunde lag, erfolgte zunächst mit 0 EUR und war gemäß § 165 Abs. 1 S. 4 AO wegen noch offener Fragen zu technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Anwendung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 08.07.2021 (Az. 1 BVR 2237/14) ausgesetzt. Der Bescheid enthielt entsprechende Hinweise.
Der Bekl holte die Zinsfestsetzung mit Änderungsbescheid vom 13.12.2022 nach und setzte (für den Zeitraum vom 01.10.2021 bis zum 12.08.2022 = 300 Zinstage zu 1,8 % pro Jahr) (Erstattungs-)Zinsen nach § 233a AO in Höhe von 32 EUR fest.
Zwischenzeitlich hatte die Kl am 01.09.2022 Einspruch gegen den Bescheid über Zinsen zur Umsatzsteuer für 2019 vom 09.08.2022 eingelegt. Zur Begründung hatte sie angeführt, dass die Verzinsung nach der Mehrwertsteuer-EU-Richtlinie 2008/9 EG vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (Amtsblatt der Europäischen Union 2008 L 44/23 – nachfolgend EU-Richtlinie 2008/9) zu erfolgen habe. Nach dieser Regelung sei eine Verzinsung bereits ab dem 16.07.2020 durchzuführen, da die Bearbeitungszeit für die am 04.03.2020 abgegebene Umsatzsteuererklärung 4 Monate ab Erklärungseingang bei der Finanzbehörde betrage und dann die Behörde nach Ablauf dieser Zeitspanne nochmals 10 Tage Zeit erhalte, einen etwaigen Erstattungsbetrag an den Steuerpflichtigen auszukehren.
Auf das Schreiben des Bekl vom 16.09.2022, in dem dieser darauf hinwies, dass die EU- Richtlinie 2008/9 EG nur die Erstattung und Verzinsung von Umsatzsteuer in grenzüberschreitenden Sachverhalten regle, erwiderte die Kl, dass sie dies als Benachteiligung inländischer Steuerpflichtiger bei rein inländischen Sachverhalten empfinde. Durch die Nichtanwendung der Richtlinie auf allein inländische Sachverhalte würde der freie Kapitalverkehr im EU-Wirtschaftsraum behindert und es komme zu einer Diskriminierung eines inländischen gegenüber einem ausländischen Steuerzahler.
Auch gegen den Änderungsbescheid zur Zinsfestsetzung vom 13.12.2022 legte die Kl am 10.01.2023 Einspruch ein.
Mit Einspruchsentscheidung vom 20.06.2023 wies der Bekl den Einspruch der Kl gegen die Festsetzung der...