Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Abzinsung der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Verlängerung eines Erbbaurechts. Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Verlängerung eines Erbbaurechts ist bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer der Kapitalwert des Erbbaurechts nicht von dem späteren Zeitpunkt des Zahlungsbeginns auf den früheren Zeitpunkt der Besteuerung abzuzinsen, da die Leistungspflichten (Gebrauch des Erbbaurechts und Zahlung des Erbauzinses) erst ab dem Zeitpunkt der Verlängerung des Erbbaurechts Zug um Zug erfüllt werden.
2. Die mündliche Verhandlung ist nicht wiederzueröffnen, wenn die Prozesspartei nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung lediglich ergänzend zu einer Rechtsfrage Stellung nimmt, die mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung bereits eingehend erörtert worden ist.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1; ErbbauRVo § 1 Abs. 1; BewG § 1 Abs. 1, § 12 Abs. 3, § 13 Abs. 1, 3 Anlage 9a; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14; FGO § 93 Abs. 3 S. 2
Tenor
1. Die Klage wird angewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Verlängerung eines Erbbaurechts für die Berechnung der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer (GrESt) der Kapitalwert des Erbbaurechts von dem Zeitpunkt des Zahlungsbeginns (hier: 1. April 2020) auf den Zeitpunkt der Besteuerung (hier: 9. November 2007) abzuzinsen ist.
Die Kläger erwarben am 9. November 2007 jeweils die Hälfte des Erbbaurechts an dem Grundstück A-Straße 10 in X. Das Erbbaurecht hatte zu diesem Zeitpunkt eine Laufzeit bis zum 31. März 2020.
Mit notarieller Vereinbarung vom gleichen Tag vereinbarten die Kläger mit der Grundstückseigentümerin eine Inhaltsänderung des Erbbaurechts: das Erbbaurecht wurde bis zum 31. Dezember 2082 verlängert und der von den Klägern an den jeweiligen Eigentümer zu entrichtende Erbbauzins auf jährlich 8.186,00 Euro erhöht. Schuldrechtlich vereinbarten die Beteiligten, dass der Erbbauzins erst ab dem 31. Dezember 2012 in der im Grundbuch gesicherten vollen Höhe zu bezahlen ist. Davor sollten die in § 3 Abs. 4 genannten Beträge zu entrichten sein.
Mit Bescheid vom 3. Januar 2008 setzte der Beklagte (das Finanzamt – FA) die Grunderwerbsteuer für den Kaufvertrag gegenüber den Klägern jeweils auf 4.645 Euro fest.
Ebenfalls am 3. Januar 2008 erging gegenüber den Klägern jeweils ein weiterer Grunderwerbsteuerbescheid für die Inhaltsänderung des Erbbaurechts. Damit setzte das FA gegenüber den Klägern die Grunderwerbsteuer auf jeweils 2.582 Euro fest. Bemessungsgrundlage war die Hälfte des Kapitalwerts des Erbbauzinses auf 62 Jahre nach einer Bemessungsgrundlage von (8.168 Euro × 18,066 =) 73.781 Euro.
Gegen diese Bescheide legten die Kläger mit Schreiben vom 15. Januar 2008 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass der Kapitalwert für die Verlängerung des Erbbaurechts nicht nach der neuen Gesamtlaufzeit von 75 Jahren, sondern nur nach dem Zeitraum der Verlängerung von 2020 bis 2082 zu bemessen sei. Dementsprechend würden die beiden angefochtenen Bescheide auch – insoweit zutreffend – von einem Vervielfältigungsfaktor von 18,006 ausgehen, der nach Anlage 9a zum § 13 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) bei einer Laufzeit von 62 Jahren in Ansatz zu bringen sei. Dass der Zeitraum der Verlängerung erst am 1. April 2020 beginne, sei hingegen bei der Bemessung des Kapitalwerts nicht berücksichtigt worden. Diese Aufschubzeit habe aber zur Folge, dass der Kapitalwert zum Zahlungsbeginn auf den Zeitpunkt der Besteuerung abzuzinsen sei. Das ergebe sich aus den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder zur Bewertung von Kapitalforderungen und Kapitalschulden sowie von Ansprüchen/Lasten bei wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen vom 7. Dezember 2001 (BStBl I 2001, 1041, ber. BStBl I 2002, 112), zuletzt geändert durch Erlasse vom 10. Oktober 2010 (BStBl I 2010, 810). Dass die Laufzeit der Verlängerung des Erbbaurechts nicht im Zeitpunkt der Besteuerung, sondern erst später beginne, vermindere den Wert der Gegenleistung und sei deshalb – wie bei einer Zeitrente – im Wege der Abzinsung zu berücksichtigen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2008 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, dass eine Abzinsung nicht in Betracht komme, wenn der Übergang von Nutzen und Lasten zeitlich hinausgeschoben werde, d. h. der Leistungsaustausch ein oder mehrere Jahre nach Vertragsschluss Zug um Zug vorgenommen werde. Eine Rechtfertigung für eine Abzinsung liege nicht vor, eine Vorausleistung des Leistungsverpflichteten bestehe nicht.
Mit ihrer am 12. Juni 2008 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Zur Begründung führen sie aus, dass die Auffassung des FA jeder Grundlage entbehre. Denn andernfalls hinge die Höhe der Steuer für denselben Zeitraum davon ab, ob das Erbbaurecht auf...