Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlängerung eines Erbbaurechts, Gegenleistung, Abzinsung
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Verlängerung eines Erbbaurechts unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer.
2) Wert der Gegenleistung i.S.v. § 8 Abs. 1 GrEStG ist bei einer Verlängerung des Erbbaurechts der auf die Laufzeit der Verlängerung gemäß § 13 Abs. 1 BewG kapitalisierte Erbbauzins. Dieser Kapitalwert ist nicht auf den Zeitpunkt der Verlängerung des Erbbaurechts abzuzinsen.
Normenkette
GrEStG § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1; BewG § 12 Abs. 3, § 13 Abs. 1, 3; GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin erwarb mit notariellem Vertrag vom 04.12.2007 (UR-Nr. xxx/2007-DE des Notars N1 in F-Stadt) ein Erbbaurecht an dem im Grundbuch von S-Stadt, Bl. xxx, eingetragenen Grundbesitz Gemarkung S-Stadt, Flur xxx, Flurstück xxx, Gebäude- und Freifläche A-Straße 22, von der M B.V. mit Sitz in B-Stadt. Das Erbbaurecht ist eingetragen im Erbbaugrundbuch von S-Stadt Blatt yyy. Nach § 1 des Erbbaurechtsvertrages vom 23.03.1972 (UR-Nr. xxx/1972 des Notars N2 in S-Stadt) betrug die Dauer des Erbbaurechts 75 Jahre ab dem Tag der Eintragung in das Grundbuch, welche am 08.11.1972 erfolgt ist.
Mit notariellem Vertrag vom 07.05.2010 (UR-Nr. xxx/2010-DE des Notars N1 in F-Stadt) vereinbarte die Klägerin mit dem Grundstückseigentümer eine Änderung des Erbbaurechtsvertrags (Erbbaurechtsänderungsvertrag) dahingehend, dass das Erbbaurecht nunmehr für die Dauer von 75 Jahren, gerechnet ab dem 01.01.2011, bestellt wird (§ 2 Nr. 1). Der Erbbauzins wurde nach § 2 Nr. 5 mit Beginn des 01.01.2011 auf jährlich 69.000 EUR festgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Erbbaurechtsänderungsvertrag Bezug genommen.
Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 25.08.2010 auf der Grundlage des Erbbaurechtsänderungsvertrages Grunderwerbsteuer i.H.v. 44.303 EUR fest und ging dabei von einem Wert der steuerpflichtigen Gegenleistung i.H.v. 1.265.805 EUR aus. Diesen Wert ermittelte der Beklagte durch Anwendung des für eine Laufzeit von 75 Jahren geltenden Vervielfältigers von 18,345 (vgl. Anlage 9a zu § 13 des Bewertungsgesetzes – BewG –) auf den Jahreswert des Erbbauzinses von 69.000 EUR.
Mit dem gegen diesen Bescheid gerichteten Einspruch machte die Klägerin geltend, die als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung bestehe grundsätzlich in dem auf die Laufzeit der Verlängerung des Erbbaurechts kapitalisierten Erbbauzins. Wenn allerdings die Pflicht zur Zahlung der Erbbauzinsen für den Verlängerungszeitraum erst nach Ablauf der ursprünglichen Laufzeit einsetze, sei der Kapitalwert der Erbbauzinsen in entsprechender Anwendung von § 12 Abs. 3 BewG auf den Zeitpunkt der Vereinbarung der Verlängerung des Erbbaurechts abzuzinsen.
Der Beklagte half dem Einspruch nur insoweit ab, als er bei der Bestimmung des Kapitalwerts der Erbbauzinsen nicht mehr von einer Verlängerung des Erbbaurechts um 75 Jahre, sondern nur noch von einer Verlängerung um 38 Jahre, 1 Monat und 23 Tage ausging. Er begründete dies damit, dass das Erbbaurecht nach der ursprünglichen Vereinbarung erst am 07.11.2047 auslaufen werde. Demnach ermittelte er auf der Grundlage der Anlage 9a zu § 13 BewG einen Kapitalisierungsfaktor von 16,258 (interpoliert), welcher multipliziert mit dem Jahreswert von 69.000 EUR eine Gegenleistung i.H.v. 1.121.802 ergab. Er setzte die Grunderwerbsteuer dementsprechend auf 39.263 EUR fest. Im Übrigen wies er den Einspruch als unbegründet zurück. Zu Begründung führte er an, der auf den Zeitpunkt des Zahlungsbeginns gebildete Kapitalwert sei nicht nach § 12 Abs. 3 BewG auf den Zeitpunkt der Besteuerung abzuzinsen, da nicht nur die Pflicht zur Zahlung des Erbbauzinses, sondern auch die Sachleistungspflicht des Eigentümers erst in der Zukunft – nämlich mit Beginn des Verlängerungszeitraums – beginne. Eine Abzinsung des Kapitalwerts auf den Besteuerungszeitpunkt sei auch nicht nach § 13 Abs. 1 oder 3 BewG vorzunehmen, da nach dieser Vorschrift neben der Abzinsung der einzelnen Jahreswerte der Erbbauzinsen keine weitere Abzinsung des danach ermittelten Kapitalwerts vorgesehen sei.
In Ergänzung ihrer Ausführungen aus dem Vorverfahren macht die Klägerin zur Begründung ihrer Klage geltend, wie bei der Stundung eines Kaufpreises sei auch bei der zukünftigen Zahlung eines Erbbauzinses eine Abzinsung wegen der mit dem Zeitablauf verbundenen Wertminderung der Gegenleistung erforderlich. Auch nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei eine Abzinsung vorzunehmen, wenn die Pflicht zur Erbringung der Erbbauzinsen für den Verlängerungszeitraum erst nach Ablauf der ursprünglichen Laufzeit einsetze (BFH vom 24.02.1982 – II R 4/81, BStBl. II 1982, 625). Eine Abzinsung sei auch aus Gründen der Gleichbehandlung geboten. Ohne eine Abzinsung auf den Zeitpunkt der Vereinbarung der Verlängerung würde beispielsweise die Bestellung eines Erbbaurechts mit einer Laufzeit von 50 Jahren eine wesentlich niedrigere Grunderwerbsteuer...