Entscheidungsstichwort (Thema)
Tätigkeitsort eines Binnenschiffers im Sinne des DBA/Schweiz. Einkommensteuer 1999
Leitsatz (amtlich)
Abkommensrechtliche Begriffe sind eigenständig auszulegen und zu verstehen. Das Tatsbestandsmerkmal „in der Schweiz ausgeübt” gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA/Schweiz ist daher im Hinblick auf den Tätigkeitsort eines Binnenschiffers unter Berücksichtigung der Sonderregelung in Art. 15 Abs. 3 DBA/Schweiz dahin auszulegen, dass maßgebend der Sitz der Binnenschifffahrtsgesellschaft ist. Die Tätigkeit eines Binnenschiffers, der bei einer in der Schweiz ansässigen Gesellschaft angestellt ist, gilt danach in vollem Umfang als „in der Schweiz ausgeübt”, auch wenn sich das Schiff nicht während des gesamten Jahres in schweizer Gewässern befunden hat.
Normenkette
DBA CHE Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d, Art. 15 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 13. November 2000 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung werden ersatzlos aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist im Veranlagungszeitraum 1999, ob die Arbeitseinkünfte des Klägers in Deutschland besteuert werden können.
Der verheiratete Kläger ist in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft und als Rheinschiffer bei einer beschäftigt. Der Bruttoarbeitslohn betrug im Streitjahr 58.160 Schweizer Franken (Sfr.). Hierauf behielt der Schweizer Arbeitgeber eine Quellensteuer i.H.v. 733 Sfr. ein.
Der Kläger befuhr im Streitjahr regelmäßig die Strecke Basel-Rotterdam. Die Fahrt dauerte 10 Tage, wobei die Beteiligten übereinstimmend davon ausgehen, dass hiervon zwei Tage im Rheinhafen abgeleistet werden. An den restlichen 8 Arbeitstagen wurde die Arbeit außerhalb der Schweiz ausgeübt.
Mit Abgabe der Steuererklärung für 1999 beantragten die Kläger die steuerliche Freistellung des in der Schweiz erzielten Arbeitslohnes, was vom Finanzamt (FA) mit Einkommensteuerbescheid vom 13. November 2000 abgelehnt wurde. Es setzte vielmehr 80% des Gesamtarbeitslohnes als steuerpflichtigen Arbeitslohn an und rechnete 80% Schweizer Quellensteuer nach § 34 c Einkommensteuergesetz (EStG) an. Die verbleibenden 20% des Arbeitslohnes wurden unter Progressionsvorbehalt von der deutschen Besteuerung ausgenommen.
Hiergegen wenden sich die Kläger nach vorangegangenem erfolglosem Rechtsbehelfsverfahren mit ihrer Klage, in deren Verlauf sie im Wesentlichen folgendes vortragen lassen: Das FA habe zu Unrecht den Arbeitslohn auch insoweit der deutschen Besteuerung unterworfen, als der Kläger seine Tätigkeit in Deutschland bzw. in Drittländern ausgeübt habe. Im Gegensatz zu der vom Beklagten vertretenen und der Besteuerung zugrundegelegten Auffassung sei Artikel 24 Abs. 1 Nr. 1 d des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 1. August 1971 (BStBl I 1972, 519) –DBA/Schweiz– anzuwenden, auch soweit der Steuerpflichtige seine Tätigkeit außerhalb Schweizer Gewässern ausgeübt habe. Die vom FA vertretene Auffassung übersehe, dass Artikel 15 Abs. 3 DBA/Schweiz, auf den bei der Beurteilung, ob die Arbeit in der Schweiz ausgeübt werde, abzustellen sei, eine Fiktion des Arbeitsortes enthalte. Diese Auffassung verträten auch Brandis in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Band V Art. 15a Rz. 30, sowie Kempermann in Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, DBA Deutschland-Schweiz, Art. 15 Rz. 66.
Aufgrund der Fiktion gemäß Artikel 15 Abs. 3 DBA/Schweiz gelte die gesamte Tätigkeit des Klägers als in der Schweiz ausgeübt. Dies gelte auch für Artikel 24 Art. 1 Nr. 1 DBA/Schweiz.
Die Kläger stellen den Antrag,
den streitigen Einkommensteuerbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben.
Das FA stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen und hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2001 vertretenen Auffassung fest.
Hierin hat es im Wesentlichen folgendes ausgeführt: Zwar stehe der Schweiz gemäß Artikel 15 Abs. 3 DBA/Schweiz grundsätzlich das Besteuerungsrecht zu, da sich der Geschäftsleitungsort der Reederei, bei der der Kläger beschäftigt sei, in Basel befinde. Gemäß Artikel 24 Abs. 1 Ziffer 1 d DBA/Schweiz sei die Freistellungsmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung jedoch nur dann vorgesehen, wenn „die Arbeit in der Schweiz ausgeübt” werde. Hierbei sei auf den Ort der tatsächlichen Arbeitsausübung abzustellen. Die Finanzverwaltung sehe keine Veranlassung, hierbei auf eine Fiktion (Artikel 15 Abs. 3: „…Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens…”) zurückzugreifen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Be...