rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuerpflichtige „Schenkung unter Auflage” bei Bestellung eines unentgeltlichen lebenslangen Wohnrechts zugunsten des bisherigen Eigentümers und anschließender schenkweiser Übertragung des Eigentums an der Immobilie noch am selben Tag auf den Lebensgefährten des bisherigen Eigentümers
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine „Schenkung unter einer Auflage” i. S. d. § 3 Nr. 2 S. 2 GrEStG liegt nicht nur dann vor, wenn der Beschenkte als neuer Eigentümer das Wohnrecht an der übertragenen Wohnung zugunsten des Schenkers bestellt, sondern auch dann, wenn Eigentumsübertragung und Wohnrechtsbestellung in derselben Urkunde erfolgen oder der Schenker als bisheriger Eigentümer das Wohnrecht bestellt, bevor er in einer weiteren Urkunde am selben Tag das Eigentum an der Wohnung auf den Beschenkten überträgt, und das Wohnrecht zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Grundbuch eingetragen ist.
2. Eine Leistung des Beschenkten liegt vor, wenn er die Eintragung des Wohnrechts im Grundbuch zugunsten des bisherigen Eigentümers zu dulden hat, also keinen Anspruch auf einen lastenfreien Erwerb hat, und somit nicht mit Erfolg gegen die noch ausstehende Eintragung des Wohnrechts im Grundbuch vorgehen kann.
3. Der Auffassung, dass wegen § 10 Abs. 6 S. 6 ErbStG jedenfalls dann, wenn ein Sachverständigengutachten zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 BewG vorgelegt worden ist oder die Vorlage noch möglich ist, nicht von einer bei der Schenkungsteuer abziehbaren Auflage i. S. d. § 3 Nr. 2 S. 2 GrEStG auszugehen ist, wird nicht gefolgt. Für die Grunderwerbsteuer kommt es insoweit nur darauf an, dass die Auflage bei der Schenkungsteuer dem Grunde nach abziehbar ist.
Normenkette
GrEStG § 3 Nr. 2 Sätze 1-2; BGB § 525 Abs. 1; ErbStG 2009 § 10 Abs. 6 S. 6
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob Grundstücksschenkungen unter Auflagen vorliegen und – wenn ja – ob es sich um bei der Schenkungsteuer abziehbare Auflagen i.S. des § 3 Nr. 2 Satz 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) handelt.
Die Klägerin und der am … geborene Herr Y. sind Lebensgefährten und wohnen beide in der B-Str. … in M.
Mit notariellem Vertrag vom … 2012 übertrug Y. einen ideellen hälftigen Miteigentumsanteil an dem im Grundbuch des Amtsgerichts M. eingetragenen 50/100stel Miteigentumsanteil an dem Grundstück B-Str. …, verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bezeichneten Wohnung (nachfolgend abgekürzt: Wohnung Nr. 1) auf die Klägerin. Als Wert des überlassenen ideellen hälftigen Miteigentumsanteils wurde in der notariellen Urkunde ein Betrag von … EUR angegeben.
Mit einem weiteren notariellem Vertrag vom selben Datum übertrug Y. außerdem einen ideellen hälftigen Miteigentumsanteil an dem im Grundbuch des Amtsgerichts M. eingetragenen 30/100stel Miteigentumsanteil an dem Grundstück B-Str. …, verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 2 bezeichneten Wohnung (nachfolgend abgekürzt: Wohnung Nr. 2) auf die Klägerin. Als Wert des überlassenen ideellen hälftigen Miteigentumsanteils wurde in der notariellen Urkunde ein Betrag von … EUR angegeben.
Aus den jeweiligen Präambeln ergibt sich, dass die vorgenannten Verträge im rechtlichen Zusammenhang mit einem am selben Tag beurkundeten Partnerschaftsvertrag und dessen Erfüllung standen.
Mit Schreiben vom … 2013 wurde dem Finanzamt … mitgeteilt, dass derzeit die Aufhebung der vorgenannten Verträge erwogen werde, um anschließend eventuell die ideellen hälftigen Miteigentumsanteile auf das gemeinsame Kind von Y. und der Klägerin unter Vorbehalt eines Nießbrauchs- oder Wohnrechts zugunsten der Eltern zu übertragen.
Mit notariell beglaubigten Erklärungen vom 11. September 2013 traten Y. und die Klägerin von den vorgenannten Übertragungsverträgen einvernehmlich zurück.
Am selben Tag bestellte sich Y. je ein unentgeltliches lebenslanges Wohnrecht an den Wohnungen Nr. 1 und Nr. 2 in der B-Str. … an rangbereiter Stelle und bewilligte und beantragte die Eintragung in die Grundbücher. In der notariellen Urkunde hierüber war der Jahreswert des Wohnrechts für die Wohnung Nr. 1 mit … EUR und der Jahreswert des Wohnrechts für die Wohnung Nr. 2 mit … EUR angegeben. Die Wohnrechte sind bislang noch nicht im Grundbuch eingetragen worden.
Ebenfalls am 11. September 2013 schlossen Y. als „Erschienener zu 1)” und die Klägerin als „Erschienene zu 2)” hinsichtlich des 50/100stel Miteigentumsanteils an der Wohnung Nr. 1, der zu diesem Zeitpunkt in Abteilung III des Grundbuchs mit einer brieflosen Grundschuld über 180.000,– DM für die K-Bank belastet war, und hinsichtlich des 30/100stel Miteigentumsanteils an der Wohnung Nr. 2, der zu diesem Zeitpunkt in der Abteilung III des Grundbuchs mit einer brieflosen Grundschuld über … EUR für die L-Bank belastet war, einen notariell beurkundeten Grundstücksüberlassungsvertrag mit folgendem Inhalt: