Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Steuerbefreiung einer testamentarischen Stiftung bei nachträglich errichteter Satzung
Leitsatz (redaktionell)
Es erscheint ernstlich zweifelhaft, ob bei einem Stiftungsgeschäft von Todes wegen die nachträgliche Errichtung einer den testamentarischen Anforderungen entsprechenden Satzung nicht bis zum Todestag der Stifterin zurückwirken kann und damit aufgrund der Erfüllung der gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen an die satzungsgemäße Vermögensbindung eine Besteuerung von Kapitalerträgen des vor staatlicher Genehmigung bestehenden unselbständigen Zweckvermögens ausscheidet.
Normenkette
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9; AO § 60 Abs. 1-2; BGB § 80 S. 1, §§ 84, 1922, 1960; StiftungsGNW § 5 Abs. 1
Streitjahr(e)
1995, 1996, 1997, 1998
Tenor
Die Vollziehung der angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide 1995 – 1998 vom 05.08.1999 wird bis einen Monat nach dem Ergehen einer das Einspruchsverfahren abschließenden Entscheidung des Antragsgegners ab Fälligkeit ausgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
Tatbestand
Streitig ist, ob sich die Steuerbefreiung einer Stiftung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz - KStG - in Verbindung mit §§ 51 ff. Abgabenordnung -AO- auch auf Einkünfte erstreckt, die bei einer Errichtung der Stiftung durch Verfügung von Todes wegen im Zeitraum zwischen dem Todestag des Stifters und der Erstellung der Stiftungsurkunde erzielt wurden.
Nach einem privatschriftlichen Testament der am 17.09.1994 verstorbenen „E” (geb. „M”) sollte das gesamte Vermögen der Familie „M"-"E” als Ausstattung einer Stiftung dienen. Der Erbschein des Amtsgerichts (vom 12.04.1995; Az. „01 I 00/95”) weist eine „noch zu gründende Stiftung des Vermögens der Familien „E"-"M"” als (Allein-) Erbin aus (für den Inhalt der letztwilligen Verfügung wird auf die zu den Akten gereichte Kopie des Dokuments vom 04.05.1986 verwiesen). Der Nachlaßpfleger - das spätere Vorstandsmitglied der Stiftung Rechtsanwalt „P” - ersuchte das Amtsgericht „H-Stadt” (Nachlaßgericht), die Genehmigung der Stiftung zu beantragen (Präambel vom 23.09.1998 und Stiftungssatzung vom 27.10.1998 - für Einzelheiten wird auf den jeweiligen Inhalt der Urkunden verwiesen). Unter dem 12.11.1998 genehmigte die Bezirksregierung „E-Stadt” die Stiftung unter Hinweis auf ein „Stiftungsgeschäft vom 23.09.1998 und Stiftungssatzung vom 27.10.1998”.
Mit den im Nachlaß befindlichen Kapitalforderungen wurden Kapitalerträge erzielt. Der Antragsgegner forderte zur Abgabe von Steuererklärungen auf; dieser Aufforderung wurde entsprochen. Nach einer Aufteilung der Zinsen des Jahres 1994 auf einen Zeitraum bis zum Todestag der Erblasserin (einkommensteuerpflichtige Einkünfte der Erblasserin) und ab diesem Zeitpunkt wurden die auf den zuletzt angeführten Zeitraum (bis zum 26.10.1998 - dem Tag vor der Errichtung der Stiftungssatzung) entfallenden Zinsen vom Antragsgegner der Körperschaftsteuer unterworfen. Nach Anrechnung der Kapitalertragsteuer ergab sich für den Veranlagungszeitraum 1994 ein Erstattungsbetrag, für die Jahre 1995 bis 1998 ein Nachzahlungsbetrag (Festsetzungen vom 05.08.1999). Gegen diese Festsetzungen - gerichtet an ein „unselbständiges Zweckvermögen” - wurde Einspruch eingelegt. Ein im Einspruchsverfahren gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung blieb erfolglos (Verfügung des Antragsgegners vom 19.08.1999).
Die Stiftung (ab 27.10.1998) wird vom Antragsgegner auf der Grundlage der eingereichten Satzung als gemeinnützig anerkannt.
Die Antragstellerin trägt vor, daß die Gemeinnützigkeit den Zeitraum ab dem Todestag der Stifterin abdecke, wie auch die Regelung des § 84 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- eine Fiktion für die Existenz einer erst nach dem Todesfall genehmigten Stiftung anordne. Die Besteuerung sei auch nicht zweckgerecht, da sie das Stiftungsvermögen schmälere.
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung der Körperschaftsteuerbescheide für 1995, 1996, 1997 und 1998 vom 05.08.1999 auszusetzen und die Verwirkung von Säumniszuschlägen bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner verweist darauf, daß ab dem Todestag der Stifterin bis zu dem Zeitpunkt, an dem erstmals eine Satzung auf der Grundlage von §§ 51 ff. AO errichtet wurde (27.10.1998), ein eigenständiges Steuersubjekt als unselbständiges Zweckvermögen vorliege. Da für dieses Steuersubjekt eine den Gemeinnützigkeitsvorschriften entsprechende Satzung nicht vorgelegt worden sei, sei dieses Vermögen steuerpflichtig. § 60 Abs. 2 AO verbiete ausdrücklich eine Rückwirkung bis auf den Todestag der Stifterin.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist begründet.
Entgegen der Ansicht des Antragsgegners bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen gem. § 69 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die den geme...