Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundstücksbewertung im Vergleichswertverfahren
Leitsatz (redaktionell)
- Das Vergleichspreisverfahren gemäß § 183 Abs. 1 BewG und das Vergleichsfaktorverfahren gemäß § 183 Abs. 2 BewG sind gleichrangig nebeneinanderstehende Verfahren, zu deren Anwendung das FA sich nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden kann. Ein Vorrang des Vergleichspreisverfahrens besteht nicht.
- Bei der Anwendung des Vergleichsfaktorverfahrens kann das FA auf die einschlägigen Grundstücksmarktberichte der örtlichen Gutachterausschüsse zurückgreifen, wenn diese die erforderlichen Umrechnungskoeffizienten zur Anpassung der vorgegebenen Richtwerte an das Bewertungsobjekt ausweisen.
Normenkette
BewG § 182 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 1, § 183 Abs. 1-2, § 177 Abs. 2 S. 1 i.d.F. vom 16.07.2021, § 183 Abs. 2 S. 3 i.d.F. vom 16.07.2021; FGO § 69 Abs. 2, 3 S. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten für Zwecke der Aussetzung der Vollziehung um die Bewertung eines Grundstücks im Sachwertverfahren bzw. hilfsweise um die Höhe des Vergleichswerts.
Die Antragsteller sind je zur Hälfte Rechtsnachfolger des am 22.07.2022 verstorbenen P. . Zum Nachlass gehörte ein Einfamilienhaus unter der Adresse S.-straße in G. . Die Erbschaft- und Schenkungssteuerstelle des Finanzamtes C. fragte beim Antragsgegner durch Schreiben vom 25.04.2023 die Feststellung eines Grundbesitzwerts auf den 22.07.2022 an.
Die Antragsteller reichten eine Bedarfswerterklärung zur Bewertung dieses Grundstücks ein. Nach dieser Erklärung ergab sich unter Anwendung des Sachwertverfahrens ein festzustellender Wert i.H.v. 494.286 €. Dieser Wert ergab sich aus einem vorläufigen Sachwert i.H.v. 549.206 € unter Anwendung einer Wertzahl i.H.v. 0,90.
Der Antragsgegner erließ am 27.11.2023 einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 22.07.2022 für Zwecke der Erbschaftsteuer. Hierin stellte er den Wert der wirtschaftlichen Einheit auf 584.500 € fest. Zur Begründung verwies er auf eine dem Bescheid beigefügte Anlage. In dieser Anlage befand sich ein Auszug aus dem unter der Webseite www.boris.nrw.de aufzufindenden Immobilienpreiskalkulator vom 17.10.2023 mit folgendem Inhalt:
Eigenschaften |
Immobilienrichtwert |
Ihre Angaben |
Anpassung |
Stichtag |
01.01.2022 |
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Immobilienrichtwert |
3830 €/m² |
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|
Gemeinde |
G. |
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|
Immobilienrichtwertnummer |
N01 |
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Gebäudeart |
Einfamilienhaus |
Einfamilienhaus |
0% |
Ergänzende Gebäudeart |
freistehend |
freistehend |
0% |
Baujahr |
… |
… |
1% |
Wohnfläche |
170 m² |
131 m² |
15% |
Keller |
vorhanden |
vorhanden |
0% |
Modernisierungsgrad |
mittlerer Modernisierungsgrad |
kleinere Modernisierungen im Rahmen der Instandhaltung |
-3% |
Ausstattungsklasse |
mittel |
einfach - mittel |
-7% |
Mietsituation |
unvermietet |
unvermietet |
0% |
Grundstücksgröße |
650 m² |
1.000 m² |
10% |
Wohnlage |
gut |
gut |
0% |
Immobilienpreis pro m² für Wohnfläche |
|
…€/m² |
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Immobilienpreis für das angefragte Objekt |
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580.000 € |
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Hierzu addierte der Antragsgegner einen Wert für die Garage i.H.v. 4.500 €.
Der Immobilienrichtwert i.H.v.…€ pro Quadratmeter lässt sich für das Jahr 2022 für die wirtschaftliche Einheit S.-straße der Webseite www.boris.nrw.de entnehmen. Der Grundstücksmarktbericht für 2022 für die Stadt G. enthält für die Anwendung des Vergleichswertverfahrens gemäß § 20 der Immobilienwertermittlungsverordnung auf den Seiten 27-29 Tabellen zur Bestimmung der Umrechnungskoeffizienten. Diese finden sich gleichlautend in den auf der Webseite www.boris.nrw.de für die wirtschaftliche Einheit veröffentlichten Fachinformationen mit dem Hinweis, dass die Anpassung des Richtwerts auf das Bewertungsobjekt mit diesen Umrechnungskoeffizienten erfolgt.
Überdies findet sich für das Sachwertverfahren ein Sachwertfaktor von 1,14 für die Anwendung des Sachwertverfahrens, sofern der vorläufige Sachwert zwischen 500.000 und 550.000 € liegt; bei guter Lage erfolgt eine Erhöhung um 0,04 (Seite 30 des Grundstücksmarktberichts 2022).
Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller durch Schreiben vom 07.12.2023 Einspruch ein, über den der Antragsgegner noch nicht entschieden hat. Sie beantragten ferner die Aussetzung der Vollziehung, die der Antragsgegner durch Schreiben vom 02.01.2024 ablehnte.
Die Antragsteller haben durch elektronische Übermittlung vom 11.01.2024 bei Gericht die Aussetzung der Vollziehung beantragt.
Zur Begründung machen sie geltend, dass das Haus - wie in der eingereichten Bedarfswerterklärung - im Sachwertverfahren zu bewerten sei. Die Bewertung mithilfe des Immobilienpreiskalkulators sei nicht zulässig. Dieser Wert werde ausdrücklich als Schätzwert ausgewiesen. Auch der Marktbericht des Gutachterausschusses der Stadt G. erwähne diesen Immobilienpreiskalkulator nicht. Vielmehr verweise er auf Umrechnungskoeffizienten zum Vergleichswertfaktor. Überdies berufen sich die Antragsteller ergänzend auf das Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen vom 11.04.2014 (1 K 107/11, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2014, 1364).
Zudem beziehe sich der Grundstücksmarktbericht für ...