Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbrechung der Zahlungsverjährung: Aufhebung eines Steuerbescheids mit Leistungsgebot, kein rückwirkender Wegfall der Unterbrechung – Auswirkung auf Unterbrechung durch Aussetzung der Vollziehung
Leitsatz (redaktionell)
- Für die Unterbrechung der Zahlungsverjährung durch eine mit einem wirksamen Steuerbescheid verbundene Zahlungsaufforderung genügt es, dass sich die tatsächliche Unterbrechungshandlung auf einen nach Art, Zeitraum und Höhe bestimmten Steueranspruch bezog und bei der Finanzbehörde ein konkreter Wille zur Unterbrechungshandlung vorlag (vgl. BFH-Urteil v. 26.11.1974, VII R 45/72, BFHE 114, 522).
- Durch die Aufhebung eines eine Zahlungsaufforderung enthaltenden Steuerbescheids entfällt die Unterbrechung der Zahlungsverjährung nicht rückwirkend.
- Ebenso wird die durch die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung eingetretene Unterbrechung der Zahlungsverjährung durch die Aufhebung des betroffenen Steuerbescheids nicht rückwirkend beseitigt.
Normenkette
AO § 124 Abs. 2, § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 218 Abs. 2, § 228 Sätze 1, 2 1. Halbsatz, § 229 Abs. 1 S. 1, § 231 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 8, Abs. 3
Streitjahr(e)
2003
Tatbestand
Der am 21.11.2007 verstorbene und vom Kläger allein beerbte Erblasser wurde im Jahr 2003 zusammen mit seiner Ehefrau, der Mutter des Klägers, zur Einkommensteuer veranlagt.
Auf die am 11.02.2005 beim Beklagten eingegangene Einkommensteuererklärung 2003 wurde mit Bescheiden vom 25.04., 11.05., 14.06. und 28.12.2005 die Steuer auf 0 € festgesetzt. Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit Bescheid vom 31.10.2008 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger und seiner Mutter Einkommensteuer 2003, Zinsen, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag fest und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Dazu kam es, weil das Finanzamt im Bescheid vom 27.08.2008 die anteiligen Einkünfte aus der A GmbH & Co. KG i.L. (KG) nicht mehr als Veräußerungsgewinn, sondern als laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb berücksichtigte.
Mit Bescheid vom 18.09.2008 setzte das Finanzamt die Vollziehung des Feststellungsbescheids vom 27.08.2008 unter Widerrufsvorbehalt bis einen Monat nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung, eines Änderungsbescheids oder des Eingangs der Rücknahme des Rechtsbehelfs aus.
Mit Bescheid vom 01.12.2008 setzte der Beklagte weitere Zinsen zur Einkommensteuer fest.
Auf Grund einer Mitteilung des Finanzamts über die Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheids vom 27.08.2008 hinsichtlich der KG setzte der Beklagte mit Bescheid vom 23.12.2008 die Vollziehung der Bescheide vom 31.10. und 01.12.2008 in vollem Umfang aus. Die Aussetzung der Vollziehung war bis zur Beendigung der Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheids befristet.
Mit nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) geändertem Bescheid vom 09.07.2009 setzte der Beklagte Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuern und Zinsen fest und teilte mit, dass die Aussetzung der Vollziehung bestehen bleibe.
Mit Bescheid vom 27.01.2011 änderte das Finanzamt die Feststellung zur KG erneut und widerrief antragsgemäß die gewährte Aussetzung der Vollziehung.
Auf Anfrage des Beklagten teilte ihm das Finanzamt mit Schreiben vom 16.09.2015 mit, der die KG betreffende Feststellungsbescheid vom 27.08.2008, in dem der erklärte Veräußerungsgewinn zu laufendem Gewinn umqualifiziert worden sei, sei nach Einspruch von der Vollziehung ausgesetzt worden. Dieser Bescheid sei mit Feststellungsbescheiden vom 18.09.2008 und 27.01.2011 geändert worden. Im Bescheid vom 27.01.2011 sei auch die Aussetzung der Vollziehung widerrufen worden. Eine weitere Änderung der Feststellungen sei mit Bescheid vom 18.12.2012 vorgenommen worden.
Mit Bescheid vom 29.10.2015 setzte der Beklagte Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuern und Zinsen fest und teilte weiter mit, die Aussetzung der Vollziehung ende am 02.12.2015. Zur Erläuterung führte er aus, die Feststellungsbescheide vom 27.01.2011 und 18.12.2009 hätten ihm bislang nicht vorgelegen.
Zur Begründung des dagegen fristgerecht eingelegten Einspruchs wandte der Kläger ein, die Festsetzungsfrist sei abgelaufen, so dass eine Änderung der Steuerfestsetzung vom 09.07.2009 nicht mehr möglich sei. Daraufhin setzte der Beklagte am 01.12.2015 die Vollziehung des Bescheides vom 29.10.2015 aus.
Mit Bescheid vom 24.06.2016 “widerrief“ der Beklagte den Bescheid vom 29.10.2015 nach § 131 Abs. 1 AO und teilte mit, der Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 09.07.2009 und die in ihm verfügte Aussetzung der Vollziehung bleibe gültig.
Mit Schreiben vom 20.11.2017 forderte der Beklagte den Kläger zur Zahlung der mit Bescheiden vom 31.10.2008 und 09.07.2009 festgesetzten Abgaben auf und teilte weiter mit, die Aussetzung der Vollziehung habe zum 28.02.2011 nach dem Widerruf der Aussetzung der Vollziehung durch das Finanzamt geendet.
Dem widersprach der Kläger mit dem Hinweis, dass zwischenzeitlich Zahlungsverjährung eingetrete...