rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rügelose Hinnahme von Vollstreckungsmaßnahmen
Leitsatz (redaktionell)
Die Begleichung der Steuerschuld aufgrund einer nach erfolglosen Mahnungen ausgebrachten Kontopfändung begründet keinen Indizienbeweis für den erstmals nach 18 Monaten bestrittenen Zugang des zugrundeliegenden Schätzungsbescheids, wenn der Steuerpflichtige nach seinem schlüssigen Vortrag von der Änderbarkeit der Steuerfestsetzung ausging und deshalb mit Rücksicht auf seine zeitliche Überbelastung zunächst von der Überpüfung der Rechtsgrundlage der Steuererhebung abgesehen hat.
Normenkette
AO § 122 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist der Zugang eines Steuerbescheides.
Die Klägerin war im Streitjahr Inhaberin eines Einzelunternehmens, das Unternehmensberatung sowie Finanzierungsvermittlung zum Gegenstand hatte, und darüber hinaus im Vorstand verschiedener Genossenschaften der sog. 'G'-Gruppe tätig.
Mangels Abgabe einer Steuererklärung schätzte das damals zuständige Finanzamt 'A' . . . die Besteuerungsgrundlagen zur Umsatzsteuer 1993 und setzte die Steuer auf 17.750 DM fest. Der an die Klägerin adressierte Bescheid trägt das Datum 06.05.1996. Er wurde ausweislich eines Absendevermerks des Sachbearbeiters auch an diesem Tag mit einfachem Brief zur Post gegeben.
Nach - ausweislich der Akten - erfolglosen Mahnungen erließ das Finanzamt 'A' am 30.08.1996 gegenüber 'Bank 1' . . . sowie gegenüber der . . . Pfändungs- und Einziehungsverfügungen i.H.v. 40.436 DM; der Steuerrückstand setzte sich insbesondere aus Umsatzsteuer 1993 und 1994 zusammen.
Am 03.09.1996 erhielt dar Beklagte eine Anzeige vom 02.09.1996 über die Abtretung eines Betrags von 40.000 DM durch die 'G'-GmbH & Co. KG (Geschäftsführer 'G1' geschiedener Ehemann der Klägerin) an die Klägerin; der abgetretene Betrag solle mit diversen Steuerschulden der Klägerin beim Finanzamt 'A' verrechnet werden. Mit Schreiben vom 03.09.1996 bat 'G1' darum, angesichts der Abtretung die Pfändung bei 'Bank 1' aufzuheben. Im Hinblick auf diese Abtretung (gebucht wurden 37.000 DM) beschränkte das Finanzamt 'A' die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen am 10.09.1996 auf 3.436 DM.
Am 17.09 1996 teilte 'Bank 1' mit, im Auftrag der Klägerin den gepfändeten Betrag von 3.436 DM überwiesen zu haben. Daraufhin hob das Finanzamt die Pfändungsverfügung wieder auf.
Am 16.03.1998 begann bei der Klägerin eine Außenprüfung des mittlerweile zuständig gewordenen Beklagten u.a. wegen Umsatzsteuer 1993 bis 1995. Im Verlauf der Prüfung erklärte die Klägerin, den Umsatzsteuerbescheid 1993 nicht erhalten zu haben. Nach Aushändigung einer Ablichtung des Bescheides gab die Klägerin am 03.04.1998 eine Umsatzsteuererklärung ab, mit der sie eine Umsatzsteuerschuld 1993 von 11.708 DM angab. Der Beklagte lehnte eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung unter Hinweis auf die Wirksamkeit der Bekanntgabe und die Bestandskraft des Schätzungsbescheides ab und verwarf den Einspruch als unzulässig.
Im Klageverfahren macht die Klägerin weiterhin geltend, ihr sei der auf Schätzung beruhende Umsatzsteuerbescheid 1993 vom 06.05.1996 nicht zugegangen. Die Klägerin, in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört, trägt im Wesentlichen Folgendes vor: Sie habe sich in der Zeit vom 31.08. bis 14.09.1996 in Italien aufgehalten. Als sie dort Geld habe abheben wollen, habe der Geldautomat ihre ec-Karte einbehalten. Auf telefonische Anfrage habe sie von der Bank erfahren, dass dort eine Kontopfändung vorliege. Auf ihre Bitte hin habe sich 'G1' beim Finanzamt nach dem Grund der Pfändung erkundigt. Dort sei ihm mitgeteilt worden, die Umsatzsteuerfestsetzung könne bei Nachreichen der Steuererklärung geändert werden. Daraus habe sie geschlossen, dass der Umsatzsteuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sei. Sie habe daher weitere Nachforschungen, Handlungen o.Ä. zurückgestellt und stattdessen den Betrag zunächst einmal - bis zur in Aussicht genommenen Korrektur bei Nachreichen der Steuererklärung - getilgt bzw. durch Abtretung tilgen lassen, um in ihrem persönlichen steuerlichen Bereich Ruhe zu haben. Sie sei in dieser Zeit, und zwar bis zur Außenprüfung, extrem belastet gewesen, da sich die 'G'-Gruppe in erheblichen rechtlichen Schwierigkeiten befunden habe, um die sie sich habe kümmern müssen. Über zwei bis drei Jahre hinweg habe sie selbst, ohne anwaltliche Hilfe, zahlreiche Verhandlungen, insbesondere mit einem Bauträger, führen und häufig bis nachts arbeiten müssen. Für ihre persönlichen Belange habe sie sich damals keine Zeit genommen. Erst anläßlich der Außenprüfung habe sie festgestellt, dass sie den Umsatzsteuerbescheid 1993 nicht erhalten habe. Ohnehin habe sie häufiger Schwierigkeiten mit Postämtern.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 1993 vom 06.05.1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.09.1998 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte wendet ein, den Schätzungsbescheid ordnungsgemäß bekanntgegeben zu haben. Aus den Indizien lasse sich schlus...