Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgabenordnung: Steuerhinterziehung durch Überweisung angeblicher Auslagenerstattung auf ausländisches Konto ("Lohnsplitting")

 

Leitsatz (amtlich)

1. Überweist eine Arbeitgeberin als Auslagenersatz deklarierte Beträge auf ausländische Konten ihrer Arbeitnehmer (sog. "Lohnsplittingmodell"), zählen diese Zahlungen grundsätzlich zum steuerpflichtigen Arbeitslohn des Arbeitnehmers, und zwar auch dann, wenn und soweit durch die Zahlungen Werbungskosten des Arbeitnehmers, etwa aufgrund doppelter Haushaltsführung, erstattet werden. Die Zahlungen führen zu einer Steuererhöhung, soweit kein entsprechender Werbungskostenabzug und damit eine Saldierung vorzunehmen ist.

2. Im Rahmen des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO hat das FG die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung, für die das Finanzamt die Feststellungslast trägt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Beweismaßerleichterungen aufgrund einer verweigerten Mitwirkung seitens des Steuerpflichtigen dürfen bei der Feststellung einer Steuerhinterziehung dem Grunde nach nicht genutzt werden.

3. Wesentliches Indiz für einen bedingten Vorsatz des Arbeitnehmers bzgl. einer Steuerverkürzung ist bei einem derartigen Lohnsplitting vor allem die Art und Weise der Abwicklung (Zahlung des lohnversteuerten Gehalts auf ein inländisches Konto und Erstattung privater Aufwendungen des Arbeitnehmers auf ein ausländisches Konto ohne Lohnsteuerabzug und ohne Angabe auf der Lohnsteuerbescheinigung).

 

Normenkette

AO § 370 Abs. 1 Nr. 1, § 169 Abs. 2 S. 2, § 173 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5; FGO § 96 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob bzgl. der Streitjahre 2002 bis 2005 Festsetzungsverjährung eingetreten ist oder ob die verlängerte Festsetzungsfrist von zehn Jahren gilt, weil der Antragsteller vorsätzlich Steuern verkürzt hat.

1. a) Der Antragsteller ist gebürtiger Italiener und ausgebildeter ... In den Streitjahren 2002 bis 2005 unterhielt er einen Wohnsitz in A zusammen mit seiner früheren Lebensgefährtin, die er inzwischen geheiratet hat. Ab dem ... 2002 wohnte der Antragsteller daneben in wechselnden Mietwohnungen in B.

b) Ab dem 11.03.2002 war der Antragsteller als angestellter ... für die Firma C Ltd., D, Großbritannien, tätig (Arbeitsvertrag vom ... 2001, Einkommensteuerakten -EStA-, nicht paginiert) und ab dem 01.04.2003 für die unter derselben Anschrift ansässige Firma E Ltd. Die Arbeitgeberinnen behielten vom Arbeitslohn des Antragstellers Lohnsteuer ein und überwiesen den Arbeitslohn auf das Konto des Antragstellers bei der Bank-1.

c) Darüber hinaus reichte der Antragsteller bei seiner Arbeitgeberin regelmäßig Rechnungsformulare ein, die als "request for reimbursement of expenses" und "invoice (travel costs)" bezeichnet waren. Die Arbeitgeberinnen überwiesen die hierin in Rechnung gestellten Beträge auf ein bei der Bank-2 unterhaltenes Konto des Antragstellers und nahmen diesbezüglich keinen Lohnsteuerabzug vor. Die vom Antragsteller in den Streitjahren in Rechnung gestellten Beträge sind in zwei Aufstellungen des Finanzamtes für Prüfungsdienste und Strafsachen (im Folgenden: Steuerfahndung) zusammengefasst, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Finanzgerichtsakten Anlagenband -FGA AnlBd- Bl. 46 f.).

2. Der Antragsteller reichte für die Streitjahre im jeweiligen Folgejahr zunächst beim Finanzamt Hamburg-1 und ab 2004 beim Finanzamt Hamburg-2 jeweils Einkommensteuererklärungen ein, in denen er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe des auf das Konto bei der Bank-1 überwiesenen Arbeitslohns angab und zusätzlich Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung (Verpflegungsmehraufwand, Aufwendungen für Familienheimfahrten und Mietaufwendungen) als Werbungskosten geltend machte. In der nachfolgenden Rubrik "vom Arbeitgeber steuerfrei ersetzt" in den Anlagen N machte er keine Angaben. Die Einkommensteuerbescheide ergingen, von geringfügigen und nicht streitgegenständlichen Abweichungen abgesehen, jeweils erklärungsgemäß (Bescheid für 2002 vom 27.05.2004: Einkommensteuer 1.075,00 €; für 2003 vom 27.09.2004: 3.541,00; für 2004 vom 10.10.2005: 3.532,00 €; für 2005 vom 11.12.2009: 4.062,00 €).

3. Bei einer Außenprüfung der in B ansässigen E GmbH wurden Eingangsrechnungen der E Ltd. vorgefunden, mit denen die E Ltd. der GmbH u. a. vom Antragsteller erbrachte Leistungen und Reisekosten sowie Bearbeitungsgebühren in Rechnung stellte. Da die Rechnungsbeträge die vom Antragsteller in den Einkommensteuererklärungen angegebenen Einkünfte überstiegen, leitete die Steuerfahndung am 10.06.2011 ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller ein. Sie stellte fest, dass die Firma E Ltd. ihren Mitarbeitern aufgrund entsprechender Vereinbarungen Aufwendungen für Unterkunft und Lebenshaltung bis zu einem wechselnden maximalen Tagessatz sowie Reisekosten ins Heimatland bis maximal 511,00 € pro Quartal erstattet hatte. Die S...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge